Sektorkopplung
Stromversorgung aller Branchen verknüpfen
Ein aufeinander abgestimmtes Energiesystem, in dem Strom, Wärme, Verkehr und Industrie gemeinsam betrachtet und optimiert werden, ist das Ziel der sogenannten Sektorkopplung.
Wichtigstes Instrument der Sektorkopplung sind Power-to-X-Technologien. Das heißt, grüner Strom wird wahlweise in einen flüssigen Kraftstoff (Power-to-Liquid), in Wärme oder Kälte (Power-to-Heat/-Cold) oder in ein Gas (Power-to-Gas) umgewandelt.
So können lokale Stromüberschüsse aus Erneuerbare-Energie-Anlagen anderen Sektoren zur Verfügung gestellt werden. Gleichzeitig kann so nach und nach der Anteil fossiler Energieträger in den Sektoren Wärme, Verkehr und Industrie reduziert und durch Erneuerbare ersetzt werden.
Wie lässt sich grüner Strom effizient umwandeln?
Power-to-X bedeutet übersetzt Strom zu "X". Das "X" steht dabei wahlweise für Wärme oder Kälte, Gas oder sogar Strom. Bei Power-to-Heat oder auch Power-to-Cold wird grüner Strom zum Heizen oder zum Kühlen von Gebäuden genutzt. Bei Power-to-Power wird regenerativ erzeugter Strom als elektrischer Strom gespeichert und zum Beispiel für E-Fahrzeuge zur Verfügung gestellt
Power-to-Gas meint alle Technologien, bei denen grüner Strom in ein Gas umgewandelt wird. Eine vielversprechende Technologie, um Öko-Strom nutzbar zu machen, ist die sogenannte Wasserelektrolyse. Hierbei wird Wasser mittels elektrischen Stroms in seine elementaren Bausteine Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2) aufgespalten. Das Ganze geschieht in einem Elektrolyseur.
Wird für diesen Spaltungsvorgang grüner Strom genutzt, spricht man von grünem Wasserstoff. Der gasförmige Wasserstoff wird anschließend in großen Druckbehältern gesammelt und kann dort oder in unterirdischen Hohlräumen (Kavernen) über viele Monate aufbewahrt werden.
Grünen Wasserstoff vielfältig einsetzen
Wasserstoff kann aber auch wieder in elektrischen Strom umgewandelt werden. Dieser Vorgang nennt sich Rückverstromung und spielt sich in einer Brennstoffzelle ab.
Noch ist die Rückverstromung von Wasserstoff für die Energieversorgung nicht besonders effizient und viel kostbare Energie geht verloren.
Aber das reaktionsfreudige Gas kann zum Glück sehr vielfältig genutzt werden. Zum Beispiel, um CO2-neutralen Treibstoff für Schiffe, Flugzeuge oder Schwerlasttransporter herzustellen (Power-to-Liquid/ Power-to-Fuel).
Dazu bringt man das Treibhausgas CO2 mit Wasserstoff zusammen und lässt beide Stoffe zu einem Kohlenwasserstoff-Gemisch reagieren.
Das Kohlenstoffdioxid kommt entweder aus der Luft oder aus Industrie-Abgasen und wird in dem künstlich hergestellten Treibstoff gebunden. Die strombasierten Kraftstoffe setzen – im Gegensatz zu Benzin und Diesel – also kein fossiles CO2 frei und ermöglichen so klimaneutrale Mobilität.
Herausforderungen: Transport und Infrastruktur
Eine große Herausforderung für die Nutzung von grünem Wasserstoff im Energiesektor ist der Transport des Gases. Es ist nicht nur hochreaktiv und leicht entzündlich. Seine Moleküle sind so klein und mobil, dass sie durch Kunststoffe, Glas und sogar Metalle hindurchdiffundieren können.
Zudem können Gasleitungen und Transportbehälter auf Dauer Schaden nehmen, wenn sie regelmäßig mit Wasserstoffteilchen in Berührung kommen. Es braucht also ein flächendeckendes Leitungsnetz, das große Mengen Wasserstoff über weite Strecken sicher transportieren kann.
Bis es so weit ist, können geringe Mengen Wasserstoff ins Gasnetz eingespeist werden. Bislang sind zehn Prozent Wasserstoffanteil erlaubt.
Werden die Gerätschaften für Transport und Lagerung entsprechend aufgerüstet, sind auch 20 und teils sogar 50 Prozent denkbar.
Kraftstoffe künstlich herstellen
Oder man wandelt den Wasserstoff einfach direkt in synthetisches Methan um. So kann es das fossile Erdgas ersetzen, um mit Gasturbinen Strom zu erzeugen oder Gebäude zu heizen.
Eine weitere Möglichkeit, den Transport von Wasserstoff etwas zu vereinfachen, ist die Erzeugung von synthetischem Methanol. Der Methylalkohol ist wesentlich weniger reaktionsfreudig und kann auch in größeren Mengen sicher transportiert werden.
Am Zielort lässt sich mit dem Methanol in einer speziellen Niedrig-Temperatur-Brennstoffzelle wieder Strom erzeugen. Oder aber die Verbindung wird wieder aufgespalten und es steht am Ende wieder reiner Wasserstoff zur Verfügung.
Forschen
Der Forschungsschwerpunkt Sektorkopplung ist essenziell, um die Klimaziele der Bundesregierung zu erreichen.
Wenn das Energiesystem als Ganzes betrachtet wird, kann über die Sektorkopplung eine flächendeckende und zuverlässige Versorgung mit erneuerbarer Energie sichergestellt werden. Forschungsteams können mit systemanalytischen Modellen technische, rechtliche, volkswirtschaftliche und sozioökonomische Zusammenhänge aufzeigen und damit Risiken besser abschätzen. Dazu gehören zum Beispiel Analysen des Betriebs, der Sicherheit, der Technologie, der Wirtschaftlichkeit und des Lebenszyklus unter Einbeziehung von Recycling.
Weitere Fragestellungen sind: Wie lässt sich die derzeitige Infrastruktur für erneuerbare Energien optimieren? Wo muss nur an kleinen Stellschrauben gedreht werden? Und wo sind tiefgreifende Veränderungen notwendig?
Je mehr erneuerbare Energien in das Energiesystem integriert werden, desto flexibler bewegen sich die Energieflüsse zwischen Erzeugung und Verbrauch. Damit das Gesamtsystem mit diesen neuen Anforderungen fertig wird, müssen Regelung und Betrieb von Erzeugungsanlagen, Speichern und Netzknotenpunkten neu gedacht und optimiert werden. Informationen müssen sicher und in Echtzeit zwischen den Knotenpunkten im Versorgungssystem ausgetauscht werden können. Forschungsteams entwickeln innovative Informations- und Kommunikationstechnologien und Geschäftsmodelle, die Sektorkopplung marktfähig machen sowie Ideen, wie verschiedene Infrastrukturen effizient miteinander verknüpft werden können.
Das Energiesystem, wie wir es heute kennen, ist auf die Versorgung durch zentrale fossile oder auch nukleare Kraftwerke ausgelegt. Das spiegelt sich auch in den regulatorischen Rahmenbedingungen wider. Dies hat zur Folge, dass innovative, klimafreundliche Technologien an vielen Stellen die strikten Anforderungen nicht erfüllen können und somit nicht vollumfänglich eingesetzt, geschweige denn ausführlich erprobt werden können. Die Reallabore der Energiewende setzen hier an, indem sie technische und nicht-technische Innovationen unter realen Bedingungen testen.
Hinzu kommt: Energieinfrastrukturen machen nicht an den Grenzen Deutschlands halt. Daher muss bei der Entwicklung von Lösungen über die Ländergrenzen hinweg gedacht werden. Bei all den energiepolitischen und technologischen Veränderungen darf der Mensch als Faktor nicht vergessen werden. Nachhaltige Veränderung braucht gesellschaftliche Akzeptanz und Beteiligung. Aus diesem Grund müssen auch das Verhalten und die Interessen von Verbrauchern und Nutzern bei Konzepten zur Sektorkopplung modelliert und beachtet werden.
Die Speicherung von grünem Strom ist für Haushalte, Industrie und vor allem für den Mobilitätssektor interessant, da dieser direkt von Elektrofahrzeugen genutzt werden kann. Damit die Kopplung von Strom- und Verkehrssektor funktioniert, entwickeln Forschungsteams langlebige Batteriesysteme und sogeannte intelligente Methoden für die Steuerung des Lade- und Entladeprozesses (Vehicle-to-Grid).
Auch die Stromnetze gilt es bei der Erforschung von Sektorkopplungstechnologien zu berücksichtigen. Wird ein Fahrzeug an einer Schnellladesäule geladen, wird innerhalb kürzester Zeit viel Strom aus dem Netz benötigt. Passiert dies an vielen Orten gleichzeitig, können Versorgungsengpässe entstehen – zum Beispiel abends nach der Arbeit oder morgens vor dem Berufsverkehr. Fachleute arbeiten daran, private und öffentliche Ladestationen so zu optimieren, dass sie netzdienlich werden. Dann können Elektrofahrzeuge, die über Nacht an der Ladestation hängen, sogar Schwankungen im Stromnetz abpuffern.
Auch in der Wärme- und Kälteversorgung kann erneuerbarer Strom direkt oder mittels Wärmepumpen eingesetzt werden. Hier müssen sowohl Einzeltechnologien entwickelt als auch ganzheitliche Konzepte im Kontext von Gebäuden und Quartieren erforscht werden.
Damit verschiedene Sektoren verknüpft werden können, muss elektrische Energie umgewandelt werden. Je nach Anwendungsgebiet bieten sich in diesem Zusammenhang synthetische Gase (Power-to-Gas), alternative Kraftstoffe (Power-to-Fuel/-Liquids) oder chemische Rohstoffe (Power-to-Chemicals) an. Bisher kommt es bei der Umwandlung noch zu hohen Energieverlusten. Zudem sind die Anlagen in der Regel sehr teuer und nicht für den flexiblen Betrieb mit erneuerbarem Strom konzipiert. Darum entwickeln Fachleute Technologien, mit denen sich Effizienz, Flexibilität und Wirtschaftlichkeit solcher Anlagen steigern lässt.
Eine weitere Möglichkeit, große Mengen erneuerbaren Stroms nutzbar zu machen, ist die indirekte (Langzeit-)Speicherung. Der grüne Strom wird genutzt, um Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff aufzuspalten, wobei die Energie im chemischen Potenzialunterschied der beiden Elemente gespeichert wird. Dieser Vorgang heißt Wasserelektrolyse. Der Wasserstoff kann elementar oder chemisch gebunden über lange Zeiträume gelagert und bei Bedarf wieder in elektrische Energie umgewandelt werden. Diese sogenannte Rückverstromung kann mittels Brennstoffzellen oder stationären Verbrennungsmotoren erfolgen. Besonders interessant sind Brennstoffzellen- und Elektrolytsysteme, die in beide Richtungen genutzt und flexibel eingesetzt werden können.
Wird grüner Strom als gasförmiger Wasserstoff gespeichert, bietet es sich an, diesen über die etablierten Gas- und Stromleitungen zu transportieren. Um die Wege kurz und die Verluste niedrig zu halten, entwickeln Fachleute Konzepte für Power-to-Gas-Anlagen zwischen Stromerzeugung und Gasnetz. Sie erforschen, wie viel Wasserstoff die Gasleitungen und die daran angeschlossenen Geräte gefahrlos und ohne Schaden zu nehmen, aufnehmen können. Denn Wasserstoff kann das Material von Gasleitungen auf Dauer zersetzen. Diese Art von Korrosion wird als Wasserstoffversprödung bezeichnet und ist auch bei der Konstruktion von Brennstoffzellen ein Problem. Eine derart beschädigte Gasleitung könnte dem Druck nicht mehr standhalten und wäre undicht, wodurch leicht entflammbares Gasgemisch austreten könnte. Um dies zu vermeiden, entwickeln Forschungsteams innovative Leitungs- und Beschichtungsmaterialien, die vor Korrosion schützen. Gleichzeitig müssen Messmethoden entwickelt werden, mit denen potenzielle Schäden an Armaturen und Leitungen frühzeitig erkannt und behoben werden können.