Schon heute gibt es verschiedene Anlagen und Heizsysteme, die Ökologie und Ökonomie in Einklang bringen können, sagt Marc Wallraff vom Heizungshersteller Viessmann. ©Dani Kreienbühl - stock.adobe.com
Schon heute gibt es verschiedene Anlagen und Heizsysteme, die Ökologie und Ökonomie in Einklang bringen können, sagt Marc Wallraff vom Heizungshersteller Viessmann.

Interview zur kommunalen Wärmewende
„Wärmepumpen und Wärmenetze sind die Hauptsäulen der Wärmewende“

11.08.2022 | Aktualisiert am: 15.11.2024

Marc Wallraff ist Head of Commercial Business beim Heizungshersteller Viessmann. Beim 3. Kongress Energiewendebauen stellte er Lösungen für die kommunale Wärmewende vor. Im Interview spricht er über aktuelle Technologien, Unsicherheiten der Branche und die Zukunft der Wärmeversorgung.

Interview

energiewendebauen.de: Welche Herausforderungen bestehen für die Wärmewende auf kommunaler Ebene? Welche Lösungen können Unternehmen wie das Ihre heute schon liefern?

Die Herausforderungen der kommunalen Wärmewende sind vielfältig. Das Angebot an Umweltwärme, also Erd-, Luft- und solarer Wärme, der zur Verfügung stehende Platz und die Anforderungen der Gebäude sind maßgebliche Eckpunkte. Doch Versorgungssicherheit, Ökonomie und Ökologie lassen sich heute schon mit innovativen Lösungen in Einklang bringen. Bei Viessmann arbeiten wir an passenden Lösungen und Systemen für alle Anforderungen. Hier reden wir über Wärmepumpen, Solarthermie und Biomasse, aber natürlich auch alle anderen konventionellen Technologien wie Nah- oder Fernwärmenetze.

Wie lassen sich Technologien effektiv entwickeln, sodass ein schneller Transfer in die Praxis möglich ist?

Technologien im Klimalösungsbereich werden konstant weiterentwickelt. Das gilt auch für unser Unternehmen. Wir setzen dabei auf einen intensiven Austausch mit unseren Kunden und unseren Fachpartner im Handwerk. Das hilft dann auch beim Praxistransfer. Wichtiger Treiber bei der Entwicklung ist natürlich auch die Diskussion mit den Hochschulen. Ein gutes Beispiel hierfür ist eine weiterentwickelte Wärmepumpe, die mit einer hohen Vorlauftemperatur von 70 Grad sehr gut für die Sanierung in Bestandsgebäuden geeignet ist – ein Bereich, in dem herkömmliche Wärmepumpen an ihre Grenzen geraten. Gerade hier werden klimafreundliche Alternativen zu Gas- oder Ölheizungen aber dringend gebraucht.

Vor welchen Herausforderungen stehen Ihre Kunden?

Die Endkunden und Investoren stehen heute vor dem Dilemma einer immer komplexer werdenden Regulierung und Förderlandschaft gepaart mit der Einführung von neuen Technologien und Systemen. Die Entscheidung für ein neues Wärmesystem hat aber eine Tragweite von 20 bis 30 Jahren. Diese Unsicherheit wurde durch die aktuelle geopolitische Situation noch verstärkt. Konstante Informations- und Schulungsmaßnahmen für Planer und Heizungsbauer halten diese auf dem aktuellen Stand und nutzen auch den Kundinnen und Kunden. Bei komplexen Quartiers- und Industrieprojekten können wir mit Partnern eigene Planungsunterstützung anbieten. 

Welche technischen, regulatorischen und wirtschaftlichen Hemmnisse sehen Sie aktuell beim Umstieg auf klimafreundliche Wärme- und Kältetechnologien? Was müsste passieren, um diese abzubauen?

Schon heute sind klimafreundliche und innovative Projekte absolut wettbewerbsfähig und umsetzbar. Wichtig für die Entscheider und uns als Unternehmen sind natürlich stabile und transparente Rahmenbedingungen der Politik. Fördertöpfe sollten für alle Investoren verlässlich kalkulierbar sein. Häufig fehlt den Kunden und Investoren der Überblick über die aktuelle Förderlandschaft. Projekte dieser Größenordnung werden häufig über die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Förderung und nicht über das technisch Mögliche entschieden.

Stichwort Sektorkopplung: Welche Chancen bieten sich, wenn industrielle Anlagen oder industrielle Abwärmequellen mit der Wärme- und Kälteversorgung im Quartier gekoppelt werden?

Das ist ein absolut wichtiges Thema. Die „Veredelung“ von vorhandener Abwärme mit Wärmepumpen unter Zuhilfenahme von Photovoltaik-Anlagen ist eine innovative und gleichzeitig robuste Lösung. Es kann doch nicht sein, das zum Beispiel ein Datacenter – und davon gibt es immer mehr – Energie in der Kühlung der Anlagen „verbraucht“ und direkt nebenan wird Energie zur Raum- oder Warmwasserbereitung benötigt. Hier müssen wir mit offeneren Augen die Quartiere der Zukunft betrachten. Abwärmenutzung von industriellen Prozessen, in der Kühlung oder im Abwasser, sollte immer in Wärmpumpensystemen nutzbar gemacht werden. 

Wo sehen Sie künftig die Rolle von Wärmenetzen? Welchen Beitrag leisten diese zur Wärmewende?

Wärmenetze werden eine zentrale Rolle bei der Wärmewende spielen. Denkt man an kommunale Quartiere und Siedlungen, die häufig noch komplett mit fossilen Wärmeerzeugern versorgt werden, sind Wärmenetze mit Systemlösungen aus Biomasse und Solarthermie eine absolut interessante Lösung was Investitions- und variable Kosten angeht. Der Gesetzgeber hat den Anschluss an Wärmenetze ebenfalls als zentralen Baustein im Gebäudeenergiegesetz (GEG) vorgesehen. Innovative Wärmepumpenlösungen und Wärmenetze werden die beiden Hauptsäulen der Wärmewende werden.

Wie wichtig ist es aus der Sicht eines Anlagenherstellers in gesamten Gebäuden oder sogar Quartieren zu denken?

Es wird uns nicht gelingen die gesteckten Ziele zu erreichen, wenn wir nur in einzelnen Bausteinen denken. Das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten in einem System hebt die notwendigen Potenziale. Sie haben das ja vorhin unter dem Stichpunkt Sektorenkopplung schon angesprochen. Auch wenn einzelne Komponenten einen hohen Innovationsgrad aufweisen, die Zukunft wird dem Zusammenspiel in einem kompletten System gehören.

Das Interview führte Kim Statzner, Wissenschaftsjournalistin beim Projektträger Jülich.