Ein Operationssaal, der über die Lüftungsanlage oder die Fenster gelüftet werden kann. © Af­ri­ca Stu­dio - stock.adobe.com
Ein Ope­ra­ti­ons­saal, der über die Lüf­tungs­an­la­ge oder die Fens­ter ge­lüf­tet wer­den kann.

Corona-​Pandemie
Mit Luft und Strah­len gegen Viren

12.04.2021 | Ak­tua­li­siert am: 15.11.2024

Ob mit Frisch­luft oder Rei­ni­gungs­ge­rät: Die For­schung im Be­reich Ge­bäu­de und Quar­tie­re ent­wi­ckelt ak­tu­ell zahl­rei­che Lö­sun­gen, um das Corona-​Virus zu be­kämp­fen. In einem Vor­ha­ben haben die Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler sogar einen mul­ti­funk­tio­na­len Ope­ra­ti­ons­raum er­rich­tet.

Die Corona-​Pandemie hat vor allem die Impf­for­schung ins Blick­feld der Öf­fent­lich­keit ge­rückt, aber auch in an­de­ren For­schungs­zwei­gen ar­bei­ten Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler an Kon­zep­ten, die künf­tig das Ge­sund­heits­we­sen ent­las­ten kön­nen.

Das An­fang März ge­star­te­te Pro­jekt Mi­nIn­fekt bei­spiels­wei­se will Ae­ro­so­le in Räu­men mit Frisch­luft aus­dün­nen, ohne dass der En­er­gie­ein­satz dras­tisch stei­gen muss. Frisch­luft­ver­sor­gung ge­schieht üb­li­cher­wei­se über In­fil­tra­ti­on der Ge­bäu­de­hül­le – im ein­fachs­ten Fall mit einem Fens­ter. Wie gut die­ses die Frisch­luft­zu­fuhr re­gelt, hängt vom Nut­zer­ver­hal­ten ab. Hier sieht ein For­schungs­team der Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät Ber­lin noch Luft nach oben. Denn wir Men­schen lüf­ten nach Ge­fühl, nicht nach Mess­da­ten und Sen­so­ren. Die sind aber not­wen­dig, wenn der en­er­ge­ti­sche Mehr­auf­wand ver­tret­bar sein soll.

Die ma­xi­mal ab­ruf­ba­re An­la­gen­leis­tung und ihr Be­trieb au­ßer­halb der Aus­le­gungs­pa­ra­me­ter kann zum Pro­blem wer­den. Des­halb will das For­schungs­vor­ha­ben einen um­fas­sen­den Über­blick über Mög­lich­kei­ten und Aus­wir­kun­gen en­er­gie­ef­fi­zi­en­ter Me­tho­den zur Er­hö­hung der Raum­be­lüf­tung er­ar­bei­ten. Das reicht bis zu bau­li­chen Ver­än­de­run­gen von Neu­bau­ten und deren Lüf­tungs­sys­te­men – damit diese auf künf­ti­ge Krank­heits­wel­len vor­be­rei­tet sein kön­nen. Erste Zwi­schen­er­geb­nis­se des bis 2023 lau­fen­den Pro­jek­tes haben die Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler be­reits An­fang 2022 ver­öf­fent­licht (mehr In­for­ma­tio­nen zu ihren Er­kennt­nis­sen und erste Emp­feh­lun­gen fin­den Sie hier).

Über­haupt bie­tet die En­er­gie­for­schung im Be­reich Ge­bäu­de und Quar­tie­re span­nen­de Lüf­tungs­kon­zep­te für sol­che Si­tua­tio­nen.

Im kom­men­den Jahr endet das For­schungs­vor­ha­ben EnEff-​OP-Luft. Hier un­ter­su­chen Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler Er­re­ger­po­ten­zia­le für luft­ge­tra­ge­ne Keime und deren Emissions-​ und Aus­brei­tungs­cha­rak­te­ris­tik in OP-​Räumen. Wie las­sen sich Pa­ti­en­ten und Per­so­nal im OP mit kor­rek­ter Be­lüf­tung schüt­zen? Eine Mög­lich­keit sind op­ti­mier­te Luft­füh­rungs­sys­te­me, die dank ge­eig­ne­ten Raum­strö­mungs­for­men die Schutz­wir­kung stei­gern kön­nen. Zu­sätz­lich wol­len die For­sche­rin­nen und For­scher mit ihren Maß­nah­men auch den En­er­gie­be­darf für die Lüf­tung deut­lich sen­ken.

Um das zu tes­ten, er­rich­te­ten sie an der TU Ber­lin einen mul­ti­funk­tio­na­len OP-​Raum, in dem sie ihre Si­mu­la­tio­nen gleich tes­ten konn­ten. Sogar an Pup­pen, die Kör­per­wär­me und At­mung imi­tie­ren. Das Wis­sen­schafts­team ar­bei­tet nun mit Fach­ver­bän­den zu­sam­men, die gro­ßes In­ter­es­se an dem Pro­jekt zei­gen. Gut mög­lich, dass die Er­geb­nis­se kom­men­des Jahr ihren Weg in die OP-​Säle fin­den.

Reine Räume ohne Strom­fres­ser

Ende die­ses Jah­res sol­len auch erste Er­geb­nis­se des Pro­jek­tes En­Ef­f_Clean_­Vent­Mo­ni­to­ring vor­lie­gen, das sich eben­falls mit so­ge­nann­ten rei­nen Räu­men be­schäf­tigt. Das sind Räume, in denen Men­schen oder Pro­duk­te vor un­er­wünsch­ten Kon­ta­mi­na­tio­nen ge­schützt wer­den sol­len. Sie gibt es in der phar­ma­zeu­ti­schen In­dus­trie, in Räu­men des Ge­sund­heits­we­sens aber bei­spiels­wei­se auch in der Halb­lei­ter­pro­duk­ti­on.

Um den Rein­heits­an­for­de­run­gen zu ge­nü­gen, be­grenzt die Lüf­tungs­tech­nik die An­zahl an luft­ge­tra­ge­ner Par­ti­kel im Raum. Über­prüft wird dies mit einem Mo­ni­to­ring­sys­tem, das die Par­ti­kel zählt. Diese be­fin­den sich oft bei der Luft­ab­sau­gung und wer­den auf die ma­xi­mal auf­tre­ten­de Quell­stär­ke im Raum aus­ge­legt. Im Teil­last­be­trieb ist je­doch eine An­pas­sung der Luft­men­gen an die Quell­stär­ke im Raum nicht mög­lich, da die Po­si­ti­on der Par­ti­kel­ab­sau­gung keine re­prä­sen­ta­ti­ve Kon­zen­tra­ti­on der An­for­de­rungs­zo­ne wi­der­ge­ben kann: Der dar­aus re­sul­tie­ren­de dau­er­haf­te Voll­last­be­trieb führt zu einem un­nö­tig hohen En­er­gie­be­darf. Die­sen will das Pro­jekt künf­tig re­du­zie­ren.

Die Rein­räu­me wur­den auch für die Corona-​Forschung ge­nutzt, test­wei­se haben Pro­ban­den sogar ge­sun­gen – so konn­ten die For­sche­rin­nen und For­scher be­reits sehen, wie sich ihre Ent­wick­lung in einer Pan­de­mie be­währt.

Erste Er­geb­nis­se schon im Pra­xis­ein­satz

Dass auch be­reits ab­ge­schlos­se­ne Pro­jek­te In­hal­te er­ar­bei­tet haben, die nun hel­fen kön­nen, zeigt das Pro­jekt „Ein­satz von de­zen­tra­len Ven­ti­la­to­ren zur Luft­för­de­rung in zen­tra­len RLT-​Anlagen ins­be­son­de­re bei Nicht-​Wohngebäuden“. Hier zeig­ten die Pro­jekt­part­ner, wie me­cha­ni­sche Lüf­tungs­an­la­gen en­er­gie­ef­fi­zi­ent be­trie­ben wer­den kön­nen, ohne dass Platz­ver­brauch oder Laut­stär­ke zum Pro­blem wer­den. Von ent­schei­den­der Be­deu­tung ist dabei ein ge­rin­ger Ven­ti­la­tor­strom­ver­brauch und eine rah­men­lo­se Kon­struk­ti­on.

„Ei­gent­lich bauen wir viel grö­ße­re An­la­gen“, er­klärt Dr. Chris­toph Kaup, Ge­schäfts­füh­ren­der Ge­sell­schaf­ter des Klimatechnik-​Unternehmens Howa­therm, einem der Pro­jekt­part­ner. Howa­therm hat die Er­geb­nis­se be­reits in be­stehen­de An­la­gen in­te­griert, dar­un­ter auch drei Luft­rei­ni­ger. Diese lau­fen mit HEPA-​Filtern (Ab­kür­zung für „High-​Efficiency Par­ti­cu­la­te Air/Ar­re­s­tance“, auch als Schweb­stoff­fil­ter be­kannt), Fein­fil­tern oder UVC-​Strahlung, die Co­ro­na­vi­ren sogar ab­tö­ten kann.

„Wir haben die Ge­rä­te im Ok­to­ber auf den Markt ge­bracht“, ver­rät Kaup. Die In­ter­es­sen­ten kamen aus Gas­tro­no­mie, Schu­len, In­dus­trie und der Dienst­leis­tungs­bran­che. „Ohne das For­schungs­pro­jekt SLIM wären wir nicht so schnell im Markt prä­sent ge­we­sen. Wer sonst LKW baut, ver­sucht sich ja nicht plötz­lich an Mo­tor­rä­dern. Durch die Mög­lich­kei­ten, die wir bei SLIM wei­ter­ent­wi­ckeln, konn­ten wir diese Luft­rei­ni­ger recht­zei­tig und zu einem guten Preis her­stel­len.“

Bei SLIM han­delt es sich um das Nach­fol­ge­pro­jekt, das der­zeit läuft. (Mehr zum ak­tu­el­len Stand des Pro­jek­tes SLIM hier.) Kaup hofft, dass die Fil­ter eine wich­ti­ge Rolle bei künf­ti­gen Öff­nungs­stra­te­gien spie­len kön­nen. Auf jeden Fall sind sie ein Bei­spiel dafür, wie es auch der En­er­gie­for­schung ge­lun­gen ist, wich­ti­ge Bei­trä­ge zur Pan­de­mie­be­kämp­fung zu lie­fern. (pj)