
Klimaneutrale Wärmeversorgung als Gemeinschaftsaufgabe
Wie werden mehr Mietobjekte saniert?
Der Wechsel von fossilen auf erneuerbare Energien für eine moderne, sichere und bezahlbare Energieversorgung ist ein Gemeinschaftsprojekt. Wie mehr Menschen motiviert werden können, insbesondere Mietwohnungen und -häuser zu sanieren, untersuchen Forschende in unterschiedlichen Projekten.
Allen Projekten gemeinsam ist die Frage der richtigen Kommunikationsstrategie. Bessere Methoden für die Kommunikation seien maßgeblich, um die Modernisierung des Gebäudebestands voranzubringen, meint Dr. Severin Beucker vom Borderstep Institut. Gerade jetzt sei das besonders relevant: „Wir kommen an einen Punkt, wo Investitionsentscheidungen getroffen werden müssen. Ein Punkt, an dem die Mehrkosten der Energiewende verteilt werden müssen.“ Wissen müsse dafür besser vermittelt werden. Doch wie lassen sich alle gesellschaftlichen Gruppen miteinbeziehen? Allein für den Bereich vermieteter Wohnungen und Gebäude gibt es zahlreiche Fragestellungen.
Rund 60 Prozent der Haushalte wohnt in Mietwohnungen, wie die Forschenden in ihren Projekten herausgestellt haben. „Der Großteil davon ist zudem in Privatbesitz“, erklärt Dr. Markus Fritz vom Fraunhofer ISI. In diesem Zusammenhang hat sich der Begriff „Mieter-Vermieter-Dilemma“ etabliert. Auch im Forschungsprojekt Stable geht es um die Frage, wie dieses Dilemma gelöst werden kann. Grundlegend ist die Annahme: Vermietende und Mietende sind gemeinsam gefordert, um das beste Ergebnis für beide Seiten zu erreichen.
Mieterinnen und Mieter in die Planungen mit einbeziehen
Im Forschungsprojekt Stable beschäftigen sich die Forschenden mit zwei Mehrfamilienhäusern in Berlin, die zurzeit noch über alte Gaskessel im Keller versorgt werden. „Wir suchen für diese Gebäude nach einem geeigneten klimaneutralen Energiesystem, jedoch soll diese Lösung im Einklang mit sozialen Faktoren sein“, sagt Larissa Kühn von der RWTH Aachen. Das Besondere beim Forschungsprojekt Stable ist, dass die Mietenden über die gesamte Projektlaufzeit von vier Jahren kontinuierlich befragt und in die Planungen mit einbezogen werden. „Uns ist es wichtig, mehr über die Wünsche und auch die Ängste der Mieterinnen und Mieter zu erfahren“, erklärt Stephanie Bund von der Sozialforschungsstelle der TU Dortmund, die die Beteiligungsprozesse bei Stable begleiten und untersuchen. Auch die Eigentümer, hier die Wohnungsbaugesellschaft HOWOGE, sind Teil des Projekts. Am Ende soll ein Leitfaden entstehen, der die Erkenntnisse aus dem Projekt hinsichtlich Technik und der Beteiligungsprozesse zusammenfasst.
Zukunftspfade gemeinsam diskutieren
„Die Diskussionen in der Gesamtgesellschaft zeigen, dass das Interesse an Fragen der Wärmewende grundsätzlich da ist“, meint Dr. Markus Fritz vom Fraunhofer ISI. Für ihn ist das Thema Wärme aktuell die größte Herausforderung der zukünftigen Energieversorgung. Auch im Projekt Wärme4Alle beschäftigen sich die Forschenden mit den Fragestellungen zur Partizipation der Gesellschaft bei Mietwohnungen und Gebäuden. Die Forschenden setzen dabei auf die Methode der Part Labs, kurz für Participation Labs. Dabei kommen die Mietenden und die Vermietenden aus den Quartieren und weitere Stakeholder wie Energieversorger oder kommunale Akteure zusammen mit den Forschenden an einen Tisch. Sie gehen verschiedene Zukunftspfade durch, mit denen eine CO2-neutrale Wärme- und Kälteversorgung in ihrem jeweiligen Quartier möglich wären. Neben CO2 und Kosten sollen noch weitere Kriterien einfließen, wie etwa Lärmschutz, Behaglichkeit oder sommerlicher Wärmeschutz.
Jeweils drei unterschiedliche Szenarien stehen zur Auswahl – etwa Lösung 1: mit einer umfassenden energetischen Sanierung inklusive Einbau von Wärmepumpen, Lösung 2: ohne Sanierung, dafür aber Anschluss an das Fernwärmenetz und Lösung 3: ohne Sanierung, aber mit Einbau eines Biomassekessels. „Wichtig ist, dass man nicht nur die Personen mit ins Projekt bekommt, die offen sind für Lösungen mit Wärmepumpen oder Wärmenetzen, sondern dass man auch kritischere Personen mit einbezieht“, so Markus Fritz. Aktuell werben die Forschenden bei den ausgewählten Quartieren um Teilnehmende der Part Labs. Insgesamt bildet das Projekt einen Querschnitt über den Baubestand in Deutschland ab.
Fachwissen als Basis für den Einsatz technischer Entwicklungen
Neben Beteiligungsprozessen, in denen Wissen vermittelt wird, ist auch die reine Information über Fachwissen eine relevante Grundlage, um mehr Gebäude zu sanieren. Zu diesem Schluss kamen die Forschenden im Projekt DiKoMo. Sie untersuchten, wie Gebäudeautomation zu Energieeinsparungen beitragen kann. Bisher hat es diese Technik nicht geschafft, sich im Massenmarkt durchzusetzen, obwohl das Klimaschutzpotenzial hoch ist. Fallstudien und eine Umfrage unter mehr als 100 Wohnungsunternehmen brachten das mangelnde Fachwissen in der Wohnungswirtschaft über die Gebäudeautomation zu Tage. Eine Informationswebsite soll nun weiterhelfen: „Hier bekommen Wohnungsunternehmen herstellerneutral erklärt, was die Technik kann und worauf sie achten müssen, inklusive Praxisbeispielen“, sagt Severin Beucker vom Borderstep Institut.
Neue Finanzierungsmodelle als Investitionsanreiz für Vermietende
Das zweite zentrale Ergebnis von DiKoMo: Auch beim spärlichen Einsatz von Gebäudeautomation kommt das Nutzer-Investor-Dilemma zum Tragen. Es gibt bisher keine klaren Finanzierungsmodelle für den Einbau solcher Systeme – Fragen dazu sind komplex, wie die Mehrkosten etwa auf die Mietenden umgelegt bzw. refinanziert werden können. Das Projektteam hat daher ein Policy Brief entwickelt und darin Handlungsempfehlungen für Verbände und Politik zusammengefasst: „Wir schlagen vor, wie man die Technik über das Mietrecht finanzierbar macht, ohne dass die Mietenden hinterher mehr Warmmiete zahlen müssen“, erklärt Severin Beucker. Die Kosten würden dabei gedrittelt, ein Teil durch staatliche Förderung finanziert. Die Mietenden beteiligen sich ebenfalls, haben aber Einsparungen, daher bleibe die Warmmiete neutral. Die Empfehlungen seien nun in der Diskussion bei Verbänden und Politik.
Mit alternativen Finanzierungsmodellen beschäftigen sich Forschende im Projekt InWaMod, kurz für „Innovative Wärmeservice-Modelle“. Die Forschenden untersuchen, welche Anreize die jeweiligen Modelle bewirken, und was unter anderem technisch und rechtlich nötig ist, um sie umzusetzen. Bewohnerinnen und Bewohner eines Gebäudekomplexes in Jena empfanden das sogenannte Teilwarmmietenmodell, das am energetischen Gebäudezustand orientiert ist, als gerechte Lösung. Das äußerten sie in qualitativen Interviews.
„Bei Diskussionen in Fokusgruppen haben wir zudem festgestellt, dass eine gute Kommunikation maßgeblich ist, damit das Teilwarmmietenmodell angenommen wird“, berichtet Dr. Ina Renz aus dem Institut Wohnen und Umwelt (IWU). Sowohl das neue Modell als auch die derzeitig eingesetzte Modernisierungsumlage müssten Vermietenden und Mietenden gut erklärt werden. Aktuell stehen noch Wirtschaftlichkeitsberechnungen an, ihre Fortschritte dokumentieren die Forschenden auf ihrer Projekthomepage zu InWaMod. (mb)