Künstliche Intelligenz in der Gebäudetechnik
Digitaler Zwilling sorgt für effizienteren Gebäudebetrieb
Werden ein Gebäude und dessen Infrastruktur virtuell nachgebaut, spricht man von einem Digital Twin, oder deutsch: digitaler Zwilling. Dieser simuliert den Idealbetrieb einer Klimaanlage oder passt die Steuerung der Anlage an, wenn diese im realen Betrieb ineffizient läuft. Ein Neubau in Koblenz zeigt, was das virtuelle Ebenbild noch kann.
Bereits bei der Errichtung und Inbetriebnahme des neuen Gebäudes haben die Bauherren in Koblenz auf Digitalisierung gesetzt. Ob Rohbau, Sanitätstechnik oder Elektrik: Alle beteiligten Gewerke wurden digital und modellbasiert nach der Methode des Building Information Modeling (BIM) geplant.
Zur Inbetriebnahme erfassten die Expertinnen und Experten den Ist-Zustand und glichen diesen mit dem Planungsmodell ab. Alle Daten stehen nun – auch vor Ort – über eine Cloud zur Verfügung. Die Vorteile dieser Vorgehensweise: Der aktuelle Stand ist für alle Beteiligten jederzeit einsehbar. So lassen sich Kollisionen zwischen den Bauteilen der verschiedenen Gewerke vermeiden und der Bauprozess beschleunigt sich. Mithilfe dieses digitalen Zwillings ist auf dem Grundstück des ehemaligen Landesamtes für Vermessung und Geoinformation in Koblenz ein neuer Verwaltungsbau für etwa 1.350 Mitarbeitende der Kapitalverwaltungsgesellschaft Aachener Grundvermögen entstanden.
Bei einem digitalen Zwilling oder auch Digital Twin handelt es sich im Gebäudebereich um ein Informationsmodell, das den Gebäudezustand abbildet. Er ermöglicht Simulationen von möglichen Veränderungen im System, etwa zur Optimierung des Energiebedarfs. Der Digital Twin unterstützt nicht nur bei der Inbetriebnahme, sondern auch bei Wartung und Betrieb. Dafür müssen allerdings größere Informationsmengen eingearbeitet werden.
Der Projektpartner hat dabei auch von den Erkenntnissen aus dem Vorhaben energyTWIN profitiert. Diese ermöglichen, digitale Gebäudemodelle aufzubauen und zu aktualisieren. Die in energyTWIN entwickelten Verfahren gehen aber noch einen Schritt weiter: Sie beziehen auch die Gebäudetechnik und deren Betrieb mit ein. Dazu hatten die Forscherinnen und Forscher unter Leitung der RWTH Aachen die Technik zunächst standardisiert gekennzeichnet und anschließend über Sensoren digital erfasst. Schließlich ergibt sich dadurch ein digitaler Zwilling des gesamten Gebäudes mit seinen Geräten, Systemen und deren Zusammenhängen. Aktuelle Daten und Informationen der Anlagen werden kontinuierlich in die Cloud eingespeist. Der Gebäudebetrieb läuft quasi zweimal: einmal im echten Gebäude und einmal in der virtuellen Version. Mehr zum Forschungsprojekt energyTWIN finden Sie hier.
Software kann Betriebszustände abgleichen
Eine solche digitale Verknüpfung optimiert den laufenden Betrieb durch einen kontinuierlichen, automatischen Abgleich zwischen Soll und Ist von Betriebszuständen. Die Anlagen und Systeme, wie etwa Klimatisierung, Heizung oder Beleuchtung, arbeiten dadurch effizienter und kostensparender – und tragen zu Klimaschutz und Nachhaltigkeit bei. Sinnvoll ist deren Einsatz vor allem in größeren Liegenschaften mit komplexer technischer Gebäudeausrüstung (TGA). Dies können Produktionsbetriebe, Krankenhäuser oder Bürogebäude sein.
Außerdem kann ein digitaler Zwilling Veränderungen im System simulieren. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Bauwerk als Energiequelle oder -speicher dienen soll. Dabei kommt oft komplizierte Regelungstechnik zum Einsatz. Die Verknüpfung von virtueller und realer Welt unterstützt hier bei der Planung, der Inbetriebnahme und dem Betrieb.
KI für Facility Manager und Gerätehersteller
Von dem Einsatz von künstlicher Intelligenz profitieren Facility Manager und Techniker: Je transparenter Prozesse und Systeme sind, desto besser kann KI das Gebäude mit seinen Zusammenhängen verstehen und Abläufe optimieren. Fehlfunktionen werden durch die digitale Kopplung direkt identifiziert und können behoben werden. „Wenn an den Anlagen Probleme auftreten, wird der Anbieter darüber automatisch digital informiert. Dieser kann zeitnah einen Kundendienst losschicken, der zum Beispiel direkt das richtige Ersatzteil dabeihat. Werden Fehler frühzeitig erkannt, können also Kosten, auch durch Folgeschäden, eingespart werden“, erklärt Professor Joachim Seifert von der TU Dresden und TU Berlin. Er leitet das Vorhaben DZWI. Auch hier liegt der Schwerpunkt auf dem Thema digitaler Zwilling, allerdings steht der Nutzen für Gerätehersteller und Energieversorger im Vordergrund.
Ziel von DZWI ist es, dass Hersteller ihre verkauften Geräte wie Wärmepumpen oder Brennstoffzellen-Heizungen im gesamten Produktlebenszyklus überwachen und optimieren können. Zusätzlich ermöglicht der digitale Zwilling, viele weitere Produktgruppen zu integrieren. „Es wird eine Plattform geschaffen, die auch über eine Schnittstelle zum Energieversorger verfügt. So entsteht ein Mehrwert für alle beteiligten Akteure: Die Energieversorger können vorausschauender planen und so zum Beispiel das Niederspannungsnetz besser auslasten. Gerätehersteller erhalten die Möglichkeit, ihre Anlagen kontinuierlich zu optimieren“, so Seifert.
Nicht nur in Gebäuden kommen digitale Zwillinge zum Einsatz. Es gibt im Energiebereich vielfältige weitere Anwendungsgebiete wie etwa bei der Fehlerdiagnose und -prognose bei Stromnetzen und im Netzmanagement, bei der Wartungsplanung und Leistungsoptimierung von Kraftwerken oder der Prozessoptimierung und Produktentwicklung in der Industrie. (bs)