Forschungsprojekt ENERWAG
Wasserversorgung vom Grunde auf energieeffizient
Wasser zu gewinnen und bereitzustellen, ist sehr energieintensiv. Im Forschungsprojekt ENERWAG hat ein Team in der Praxis erprobt, wie sich Energieverluste in den Pumpprozessen reduzieren lassen. Mit den daraus entstandenen Handlungsempfehlungen können Versorgungsunternehmen Effizienzmaßnahmen einfacher umsetzen.
Den Wasserhahn aufdrehen und ein Glas Wasser zapfen, ist für viele Menschen in Deutschland selbstverständlich. Doch welche Arbeitsschritte und welcher Energieverbrauch dahinterstecken, ist den meisten eher nicht bewusst. Versorgungsunternehmen gewinnen Rohwasser größtenteils aus dem Grundwasser, fördern es zur Aufbereitung ins Wasserwerk, lagern das aufbereitete (Trink-)Wasser in Zwischenspeichern und verteilen es schließlich bedarfsgerecht über das Trinkwassernetz.
Für diese Aufgabe benötigt die deutsche Wasserversorgung pro Kubikmeter Wasser durchschnittlich rund 0,5 Kilowattstunden Energie. Sind die Höhenunterschiede bei der Gewinnung und Verteilung größer, kann der Verbrauch sogar auf über eine Kilowattstunde pro Kubikmeter steigen. In 2020 ergab sich für die Wasserversorgung ein Gesamtenergiebedarf von 8,35 Terawattstunden. Über alle Produktionsbereiche hinweg ergibt das 0,19 Prozent des gesamtdeutschen Primärenergiebdarfs.
In der Wasserversorgung sind Pumpen die größeren Energiefresser
Die Wassergewinnung und -aufbereitung sind energieintensive Prozesse, die im Durchschnitt rund 15 Prozent des kommunalen Strombedarfs ausmachen. Der größte Anteil des Verbrauchs entfällt mit etwa 80 Prozent auf die Pumpen. In vielen Fällen sind diese jedoch technologisch schon älter oder — hier kommt die Forschung ins Spiel — im Prozess nicht optimal aufeinander abgestimmt. Fast die Hälfte der eingesetzten Energie geht dadurch verloren.
Um Wasser weiterhin preiswert liefern zu können, müssen die Versorgungsunternehmen Effizienzpotenziale erschließen. Andernfalls könnten steigende Energiekosten und Fixkosten bei sinkenden Wasserverbräuchen zu höheren Verbraucherpreisen führen.
In der Vergangenheit hat es hierzu bereits theoretische Berechnungen und davon abgeleitete Verbesserungsmaßnahmen gegeben. Allerdings haben vor allem übergreifende Praxisnachweise gefehlt, die wiederum Entscheidungen und Investitionen bei den Versorgern erleichtern würden. Deshalb haben sich Forschende vom Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW – Forschungsstelle Technische Universität Hamburg), den Berliner Wasserbetrieben und den Hamburger Wasserwerken im Forschungsprojekt ENERWAG zusammengetan.
Darin haben sie die Energieverluste in der Wassergewinnung weiter untersucht und Effizienzmaßnahmen in Praxisversuchen erprobt. Sparen Wasserversorger dadurch zukünftig Energie ein, senken sie nicht nur ihre Kosten, sondern verringern gleichzeitig ihre CO2-Emissionen.
„Projekte mit dem Ziel, den Energiebedarf von Technologieanwendungen zu reduzieren, sei es durch höhere Wirkungsgrade oder durch besseres Betriebsmanagement, tragen zudem wesentlich dazu bei, die CO2-Emissionen zu reduzieren.“,so Projektleiter Professor Mathias Ernst von der DVGW-Forschungsstelle der TU Hamburg.
Wirkung von Effizienzmaßnahmen in der Praxis nachweisen
In der vierjährigen Projektlaufzeit hat das ENERWAG-Team sowohl die Pumpen als auch den Anlagenbetrieb angepasst und so die Energieverbräuche optimiert. Die Forschenden haben dazu neu verfügbare Pumpentechnologien und Verfahrenstechnik für die Brunnen getestet. Um ein möglichst realistisches Ergebnis zu erhalten, dienten die realen Brunnen der beiden Versorger als Testumgebung — dies bei laufendem Betrieb. Zunächst haben die Forschenden geeignete Messverfahren implementiert und damit die Energieverbräuche im bisherigen Prozess ermittelt. Anschließend haben sie den Prozess umgebaut und die Werte im optimierten Betrieb erneut erfasst. So konnten sie die Effizienzsteigerungen zwischen dem bisherigen und dem angepassten Prozess nachweisen.
Moderne Pumpen aufeinander abstimmen und optimal betreiben
In ihren Versuchen haben die Forschenden modernste hocheffiziente Unterwassermotorpumpen unterschiedlicher Hersteller eingesetzt. Dazu haben sie außerdem eine optimale Drehzahlregelung ermittelt, mit der sich selbst bei saisonal niedrigem Wasserbedarf Energie einsparen lässt. Neben den Pumpen und deren Betrieb hat das ENERWAG-Team erstmals auch die Verfahrenstechnik untersucht. Geringste Druckverluste in den Rohrleitungen und Armaturen sollten weiteren Aufschluss darüber geben, welche Energieeinsparungen unter Betriebsbedingungen realistisch sind. Auf dieser Basis haben die Forschenden ein Konzept für einen energieeffizienten Brunnen entwickelt und darüber hinaus den Betrieb einer kompletten drehzahlgeregelten Brunnengalerie mit 13 Brunnen analysiert. Mithilfe von intelligenten Simulationsberechnungen konnten sie erkennen, in welchen Betriebszuständen die Galerie über ihren Förderbereich die geringsten Energieverbräuche aufweist. Die Ergebnisse haben sie anschließend erfolgreich in die Praxis übertragen.
Komplexes Brunnensystem ganzheitlich betrachten
Mit den breit aufgestellten Forschungsansätzen und Maßnahmen hat das ENERWAG-Team gezeigt, dass die energieeffiziente Wasserversorgung hinreichend komplex ist. Einzelne Pumpen auszutauschen, ist nicht die alleinige Lösung. Stattdessen gilt es, die komplexe Pumpentechnik innerhalb der gesamten Systemleittechnik zu betrachten und zusätzliche Einsparpotenziale über einen adaptierten Betrieb zu generieren. Entsprechend ist hier eine geeignete Informationstechnik wichtig, die veränderte Lastzustände einbeziehen kann und jeweils die optimalen Betriebszustände der drehzahlgeregelten Pumpen erkennt.
„Mit dem ENERWAG-Projekt konnten wir wichtige Energieeinsparpotenziale ermitteln. Bei der Wassergewinnung steht Energieeinsparung im Spannungsfeld zur Versorgungssicherheit und Wasserqualität. Mithilfe von intelligenten Algorithmen lassen sich multikriterielle Fragestellungen lösen und damit zukünftig der Betrieb in der Wassergewinnung weiter optimieren.“,erklärt Professor Mathias Ernst.
Wirkungsstarke Pumpen und verbesserte Drehzahlregelung sparen Energie ein
Mit ENERWAG konnten die Forschenden zeigen, welche Energieeinsparungen sich mit den verschiedenen Maßnahmen realisieren lassen. Die verbesserte Pumpentechnik hat den Wirkungsgrad gegenüber konventionellen Unterwassermotorpumpen deutlich gesteigert. In den entsprechenden Pumpenversuchen haben die Forschenden eine Energieeinsparung von etwa 13 Prozent nachgewiesen. Mit einer verbesserten Drehzahlregelung für die Pumpen ließen sich rund 37 Prozent Energie einsparen. Bei den Versuchen an der Brunnengalerie waren Einsparungen von etwa 23 Prozent möglich. Dies zeigt: Die Einsparpotenziale sind für Wasserversorger durchaus hoch, allerdings ist das Zusammenspiel von Pumpentechnologien und Anlagentechnik komplex.
Wasserversorgern Umstellung auf energieeffiziente Prozesse erleichtern
Ein solches System zu verändern, dessen Komplexität ohnehin schon relativ hoch ist, fällt Versorgern nicht leicht. Insbesondere wenn dies mit Investitionsentscheidungen verbunden ist. Effizienzmaßnahmen müssen profitabel, transparent und verständlich sein, damit die Akzeptanz und Unterstützung innerhalb des Wasserversorgungsunternehmens steigt.
Aus diesem Grund hat das ENERWAG-Team die analysierten Maßnahmen auch in ihrer Wirtschaftlichkeit beurteilt. Hierbei haben die Forschenden beispielsweise die Energieeinsparkosten für eine Laufzeit von zehn Jahren ins Verhältnis zu den Umbaukosten gesetzt.
Aus den Projektergebnissen haben sie eine Handlungsempfehlung für Wasserversorgungsunternehmen erstellt, die in Form einer „DVGW-Wasserinformation“ zusammengefasst sind. Mit dieser kann jedes deutsche Wasserversorgungsunternehmen Energieverluste in der Wassergewinnung systematisch reduzieren. Dies schont die Umwelt und den Geldbeutel aller Gebührenzahler. (ln)
„Das ENERWAG-Projekt hat für die deutschen Wasserversorgungsunternehmen Orientierung mit Blick auf Energieoptimierung geschaffen. Die Ergebnisse werden von vielen großen Wasserversorgungsunternehmen derzeit schon in die Praxis umgesetzt.“,sagt Projektleiter Mathias Ernst.