Projekt EH2C
Elektrochemische Kompression recycelt Wasserstoff
Fachleute im Projekt EH2C haben weltweit erstmalig Wasserstoff mithilfe elektrochemischer Kompression aufgereinigt und komprimiert, der aus Prozessabgasen von Beschichtungsprozessen aus der Solarzellen- und Halbleiterindustrie stammt. Dafür setzte das Team auf die innovative Electrochemical Hydrogen Purification & Compression-Technologie.
Wasserstoff (H2) kommt in verschiedenen industriellen Prozessen zum Einsatz, ohne dabei verbraucht zu werden. Hierzu zählen die Solarzellen- und Halbleiterproduktion: Wenn etwa Bauteile mit Siliziumcarbid (SiC) beschichtet werden, benötigt das Verfahren Wasserstoff. Das eingesetzte Gas wird bislang noch überwiegend mit Hilfe fossiler Energieträger hergestellt. Die Produktion verursacht somit CO2-Emissionen. Zusätzlich behindert der nach dem Prozess in die Atmosphäre abgelassene Wasserstoff, dass andere Treibhausgase abgebaut werden können. Das Verfahren hat damit großes Potenzial, im Sinne des Klimaschutzes und der Energieeffizienz nachhaltiger zu werden.
Das Projekt EH2C hatte daher das Ziel, eine innovative Wasserstoff-Recycling-Anlage zu entwickeln, mit welcher der bisher ungenutzte H2 wiederverwendet werden kann. Die dafür verwendete Technologie trägt den Namen EHP bzw. EHC (Electrochemical Hydrogen Purification & Compression). Der Fokus der Fachleute lag darauf, den Wasserstoff so weit aufzureinigen, dass 75 Prozent des ungenutzten Gases wieder in denselben Prozess eingebracht werden können. Es entsteht ein echter Kreislauf.
Das Team hat dafür im Projektverlauf erstmals eine Anlage in industrierelevantem Maßstab geplant, aufgebaut und erfolgreich, stabil und automatisiert betrieben. Zudem haben die Verbundpartner eine Risikoanalyse durchgeführt, Sicherheitsmaßnahmen integriert und ein CE-Zertifikat ausgestellt.
Im Labor des Projektkoordinators centrotherm clean solutions GmbH konnten die Fachleute die Anlage mit Stickstoff-Wasserstoff-Gemischen erfolgreich und stabil betreiben. Anschließend hat das Team die Anlage am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg in eine reale Testumgebung eingebunden. Dabei konnten aus einer SiC-Beschichtungsanlage 50 Prozent des Wasserstoffs zurückgewonnen und in den Prozess rücküberführt werden. Als die Fachleute die beschichteten Bauteilproben untersuchten, konnten sie keine relevante Veränderung der Schichtqualität zwischen dem rezyklierten und frischen Wasserstoff feststellen. Zusätzlich hat das Projektkonsortium Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen durchgeführt und alternative Nutzungspfade diskutiert.
In einer zweiten Testumgebung zur Herstellung von Solarzellen am Fraunhofer ISE hat das Team das H2-Recycling in Verbindung mit einer Solarzellen-Beschichtungsanlage (metal organic vapor-phase epitaxy - MOVPE) erprobt. Die Forschenden haben hierbei den Fokus daraufgelegt, die notwendige Gasqualität nach der Aufreinigung des MOVPE-Abgases nachzuweisen. Die Projektpartner konnten auch zeigen, dass größere Volumenströme und wechselnde Wasserstoffanteile im Abgas von der Anlage verwertet werden konnten.
„Wir konnten nachweisen, dass elektrochemisches Wasserstoff-Recycling unter echten Prozessbedingungen möglich ist. Bevor eine Wiederverwertung als Prozessgas in der Praxis möglich ist, fokussieren wir uns unter anderem auf die Sektorkopplung mit Brennstoffzellen-Fahrzeugen“, erklären Nikolas Kraft und Konstantin Adaktylos-Surber, Entwicklungsingenieure bei centrotherm clean solutions.
Wasserstoffrecycling hat echtes Potenzial für nachhaltigere Industrieprozesse
Da der Wasserstoff im Abgas bisher gar nicht weiterverwendet wird und das Abblasen in die Atmosphäre zusätzlich einen negativen Nebeneffekt auf den Treibhausgas-Abbau hat, führt jegliches H2-Recycling zu einer Effizienzsteigerung. Unabhängig vom Nutzungspfad. Die elektrochemische Kompression benötigt derzeit zwischen 2 und 5 kWh Strom pro recyceltem Kilogramm Wasserstoff. Zum Vergleich: Die Neuerzeugung erfordert im günstigen Fall mindestens das zehnfache an Energie. Unabhängig vom Verfahren, kann sie die Grenze von circa 40 kWh pro Kilogramm Wasserstoff nicht unterschreiten.
Da sich das EHC-Verfahren noch in einem frühen Entwicklungsstadium befindet, kann davon ausgegangen werden, dass sich der Faktor der Energieeffizienz in den kommenden Jahren noch einmal vergrößert. Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit, haben sowohl interne und externe Kalkulationen des EH2C-Projektteams sowie einige Studien herausgearbeitet, dass der Einsatz einer EHC-Recycling-Anlage in einigen Fällen bereits jetzt ökonomisch sinnvoll ist. Die Amortisationszeit ist dabei bisher vor allem vom Wasserstoff-Einkaufspreis abhängig. Mit steigenden CO2-Abgaben und einem Mangel an fossilen Grundstoffen, kommen weitere Argumente für den Einsatz einer H2-Recycling-Einheit hinzu.
Königsdisziplin im Anfangsstadium
Während der Untersuchungen hat sich - trotz positiver Nachweise, dass die EHC-Technologie funktioniert - gezeigt, dass die Wiederverwertung des Wasserstoffs als Prozessgas in der Halbleiterindustrie vorerst nicht erwünscht ist. Dafür ist ein dauerhafter Nachweis erforderlich, dass der recycelte Wasserstoff keinen negativen Einfluss auf den Prozess hat, beispielsweise durch den Einfluss störender Spurenstoffe. Für die betrachteten Prozesse sind sehr hohe Wasserstoffgasreinheiten (mindestens 5N) notwendig. „Es muss in Langzeittests demonstriert werden, dass der rückgewonnene Wasserstoff ausreichend rein und die produzierte Bauteilqualität genauso hoch ist wie beim Einsatz von frischem Wasserstoff. Parallel muss mit hochgenauer Analytik die Qualität des recycelten H2 überwacht werden“, erläutert Dr. Lisbeth Rochlitz, Teamleiterin der Forschungsgruppe bei centrotherm clean solutions.
„Um uns an die „Königsdisziplin“ Wasserstoff-Recycling heranzutasten, empfehlen wir, zunächst alternative Nutzungspfade des Wasserstoffs in Betracht zu ziehen, bei denen die erforderlichen Qualitätskriterien ohne Qualitätseinbußen des nachgeschalteten Prozesses nachgewiesen werden können und die Reinheitsanforderungen geringer sind. So können die Vorbehalte gegenüber völlig neuer Technologie über die Zeit abgebaut werden. Dafür haben wir entsprechende Optionen erarbeitet, beispielsweise die Sektorkopplung für Brennstoffzellen-Fahrzeuge oder die Verwendung als Brenngas bei der Entsorgung von toxischen und insbesondere höchst klimaschädlichen per - und polyfluorierten Gasen. Durch die Verwendung von Wasserstoff als Brenngas werden diese Gase deutlich effizienter zerlegt und unschädlich gemacht. Außerdem wird der Einsatz von Erdgas in hunderten technischen Brennanlagen vermieden“, erläutert Reinhard Lenz, Leiter Business Development bei centrotherm clean solutions. „Das Projekt hat uns in jedem Fall gezeigt, dass mit Hilfe der EHP/C-Technologie eine starke Dekarbonisierung vieler Industrieprozesse möglich ist. Sie kann also einen Beitrag zu einer klimafreundlicheren Industrie leisten.“ (ml)