Neue Geschäftsmodelle entwickelt
Energiekosten sparen in Sozialeinrichtungen
Ob im Krankenhaus, in der Reha-Klinik oder im Pflegeheim: Häufig fehlt es an finanziellen oder personellen Ressourcen, um diese Einrichtungen energieeffizienter zu gestalten. Ein Team um die HfT Stuttgart hat hierfür jetzt praxistaugliche Lösungen entwickelt.
In Deutschland besteht ein immenser Sanierungsstau in den rund 2.000 Krankenhäusern, 1.240 Vorsorge- und Rehabilitationszentren, 13.000 Pflegeheimen und sonstigen stationären Einrichtungen der Wohlfahrtspflege. Insbesondere Krankenhäuser gehören zu den energieintensivsten Verbrauchern des Sektors Dienstleistung. Hier könnten laut einer VDE-Studie etwa 600 Millionen Euro an Energiekosten eingespart und dabei jährlich sechs Millionen Tonnen CO2 vermieden werden.
Ein Weg dorthin führt über das so genannte Contracting. Zugeschnitten auf die Bedürfnisse von Sozialeinrichtungen haben Forschende jetzt unter Leitung der Hochschule für Technik Stuttgart (HfT Stuttgart) passgenaue Lösungen entwickelt. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) fördert das entsprechende Vorhaben Coso (Contracting für Sozialeinrichtungen) mit rund 724.000 Euro.
Herausforderung Alltagsgeschäft
Häufig verfügen Sozialeinrichtungen nicht über ausreichende finanzielle Mittel, um ihren Gebäudebestand energieeffizienter zu gestalten. Zusätzlich sind die kaufmännische oder technische Leitung oft intensiv in das Tagesgeschäft eingebunden und ihnen fehlt die Zeit, sich intensiv mit Finanzierungsmöglichkeiten auseinander zu setzen. Auch das technische Personal ist meist überlastet. Es kümmert sich primär um bestehende Kernaufgaben, sodass die Energieeffizienz im Betrieb und die Planung von Neuinvestitionen meist auf der Strecke bleiben. All diese Aufgaben lassen sich an Effizienzdienstleister delegieren. Wie eine Zusammenarbeit zwischen diesen Dienstleistern und den Sozialeinrichtungen in der Praxis aussehen kann, haben die Expertinnen und Experten von Coso in fünf Geschäftsmodellen exemplarisch zusammengefasst.
Neue Geschäftsmodelle: So können Sozialeinrichtungen Contracting gestalten
Die hier vorgestellten Modelle zeigen, wie Effizienzdienstleistungen in Sozialeinrichtungen einen Beitrag zur CO2-Reduktion leisten können.
Dieses Modell umfasst eine komplette energetische Gebäudemodernisierung auf Effizienzhausniveau 55. Dazu zählt unter anderem eine Dämmung der Gebäudehülle und des Daches sowie die Installation einer klimaschonenden Technische Gebäudeausrüstung (TGA). Der Auftraggeber muss hier voraussichtlich mit rund drei bis fünf Prozent höheren Investitionskosten im Vergleich zu einer Sanierung nach dem Gebäude-Energie-Gesetz rechnen. Dennoch ist der Träger angesichts der reduzierten Energie- und CO2-Kosten mit diesem Effizienzhausstandard deutlich besser für die Zukunft aufgestellt. Die Sozialeinrichtung wird entlastet, da der Effizienzdienstleister die Finanzierung, die gesamte Planung und Abwicklung sowie eine Effizienzgarantie übernimmt.
Die Vorgehensweise orientiert sich an dem Modell auf Effizienzhausniveau 55. Allerdings erfolgt die Umsetzung in zwei Schritten: Zunächst sollen Wärmeschutzmaßnahmen dazu beitragen, dass die Sozialeinrichtung Energie einspart. Die eingesparten Kosten können zur Refinanzierung genutzt werden. Darauf aufbauend wird weiterer Wärmeschutz sowie die Anlagentechnik implementiert. Der Effizienzdienstleister begleitet das Projekt von Beginn an und unterstützt den Kunden bei der Akquise von Fördermitteln. Die Einrichtungsträger verfügen somit über mehr Spielraum, um personelle und finanzielle Ressourcen gezielt einzusetzen und auf aktuelle Rahmenbedingungen wie eine Kostenübernahme oder Förderung zu reagieren.
Auch hier erfolgt eine Sanierung in zwei Schritten. Zusätzlich übernimmt der Effizienzdienstleister die Brennstoffbeschaffung für die Sozialeinrichtung. Diese kann von günstigeren Preisen in einem entsprechenden Brennstoffbezugsvertrag profitieren und zusätzlich personelle Kapazitäten bei der Beschaffung einsparen. Für den Contractor ist das Modell ebenfalls interessant: Er erhält zeitweise Anteile der eingesparten Energiekosten und generiert Umsatz durch die Energielieferung.
Dieses Modell richtet sich an größere Häuser mit einer komplexen Energie-Versorgungsstruktur. Der Effizienzdienstleister finanziert die modernisierte Versorgungstechnik und gibt eine Einspargarantie für die implementierte TGA ab. Der Kunde definiert vorab Komfortziele wie Luftqualität, Raumtemperatur, Beleuchtungsstärken. Zu den Aufgaben des Dienstleisters zählt unter anderem die Installation der TGA, wie etwa die Erneuerung der Energieversorgung und -verteilung, Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik, Lastmanagement und Lüftungstechnik. Außerdem übernimmt der Auftragnehmer die schrittweise Erneuerung von Verbrauchern wie Sterilisatoren, Waschstraßen oder Klimatechnik. Instandhaltung und Anlagenoptimierung sind ebenfalls Bestandteil des Vertrags.
Bei diesem Modell kooperieren der Einrichtungsträger und der Effizienzdienstleister, der das Energiespar-Contracting für die Einrichtung umsetzt, in einem gemeinsamen Unternehmen (Joint Venture). Der Einrichtungsträger ist direkt am Einsparerfolg beteiligt. Das Maßnahmenpaket wird für eine Einrichtung erarbeitet und nachfolgend auf weitere vergleichbare Einrichtungen übertragen. Der Transaktionsaufwand für beide Partner sinkt somit deutlich. Bei Bedarf übernimmt das gemeinsame Unternehmen weitere planerische oder technische Dienstleistungen für den Träger. Diese Vorgehensweise lässt sich auf alle zuvor genannten Modelle übertragen.
Eine ausführliche Darstellung der Modelle bietet die im Rahmen des Vorhabens veröffentlichte Broschüre „Sozialeinrichtungen mit Contracting auf Energiesparkurs bringen“
Schnellrechner für energetische Sanierungsmaßnahmen
Ein weiteres Ergebnis des Vorhabens Coso ist ein Kalkulationstool, das insbesondere technische Mitarbeitende von Sozialeinrichtungen adressiert. Diese können hier Gebäude- und Energiedaten ihrer Liegenschaften eingeben und mögliche Energieeinsparungen und Emissionsminderungen ermitteln lassen. Am Ende der Kalkulation erhalten die Nutzerinnen und Nutzer ein Dokument, das als Entscheidungshilfe für weitere Schritte in Richtung bedarfsgerechter Sanierungsmaßnahmen dient: es beinhaltet Grobabschätzungen zu möglichen Kosten und Einsparungen über den Lebenszyklus der Liegenschaft, Best-Practice Beispiele und eine Übersicht mit weiterführenden Informationen und Links. Momentan wird das Tool noch getestet.
Ergebnisse von Coso online verfügbar
Dokumente und Tools, die aus dem Projekt „Contracting für Sozialeinrichtungen“ resultieren, sind auf der Webseite der Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg (KEA-BW) verfügbar. Zu dem Forschungsverbund gehörten neben der KEA-BW noch die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz e.V. (DENEFF) sowie die Hochschule für Technik Stuttgart (HFT). (bs)