Gebäudesanierung
Energetisch Modernisieren mit solaraktiven Baustoffen und hybridem Heizsystem
Das historische Wohnquartier Margaretenau in Regensburg wurde im Rahmen eines Forschungsprojektes energetisch modernisiert. An einem Mehrfamilienhaus des Ensembles aus den 1930er Jahren kombinierten die Projektpartner neue Technologien, um das Gebäude effizienter und nachhaltiger zu gestalten.
Das Forschungsprojekt MAGGIE (Energetische Modernisierung des genossenschaftlichen Wohnquartiers Margaretenau in Regensburg), das noch bis Mitte 2022 läuft, bringt verschiedene Innovationen zusammen, um energieoptimiertes Wohnen im Bestand zu ermöglichen. So soll ein solaraktives und solaradaptives Außenputzsystem solare Gewinne steigern und die thermische Behaglichkeit im Gebäudeinneren verbessern. Parallel wurde ein effizientes hybrides Heizsystem aus Kraft-Wärme-Kopplung und Wärmepumpentechnologie, in Verbindung mit einer bedarfsgeführten Versorgung mit Warmwasser und Heizungswärme und einer KI (Künstliche Intelligenz)-Steuerung, entwickelt. Die Kombination von Umweltwärme und Strom aus Kraft-Wärme-Kopplung, Photovoltaik oder aus dem Netz nutzt erneuerbare Energien optimal und verleiht dem Gebäudeensemble zudem netzdienlichen Charakter.
Parallel zum Forschungsprojekt erstellt die Stadt Regensburg für das historische Stadtquartier der Baugenossenschaft Margaretenau ein integriertes Quartierskonzept. Integrierte Quartierskonzepte zeigen unter Beachtung städtebaulicher, denkmalpflegerischer, baukultureller, wohnungswirtschaftlicher, demographischer und sozialer Aspekte die technischen und wirtschaftlichen Energieeinsparpotentiale auf. Die Ergebnisse standen als Informationsbasis für das Forschungsvorhaben zur Verfügung.
Margaretenau als Musterlösung für energieoptimiertes Wohnen
MAGGIE sollte beispielhaft für das genossenschaftliche historische Stadtquartier Margaretenau in Regensburg Musterlösungen für energieoptimiertes Wohnen mit innovativen Wandaufbauten aus solaraktiven Baustoffen und einer vorhersagebasierten Versorgungstechnologie aufzeigen. Dazu wurde ein bestehendes Wohngebäude als Demonstrations- und Versuchsobjekt genutzt.
Für die denkmalgerechte Modernisierung der historischen Fassaden wurde ein solaraktives und solaradaptives Außenputzsystem entwickelt. Es wird anstelle eines Wärmedämmverbundsystems am Objekt eingesetzt. Bei SATIS (SolAr Selective Thermal Insulation System, lichtleitende Elemente) handelt es sich um einen Prototyp einer thermischen Isolierung, die eine hohe Selektivität der solaren Gewinne, in Abhängigkeit des solaren Einstrahlwinkels, ermöglicht. Dafür wurden sogenannte LCEs (light conducting elements), lichtleitende Elemente in Form von Glaszylindern, in einem Neigungswinkel von 19 Grad, was dem durchschnittlichen Sonnenwinkel zur Mittagszeit in Süddeutschland im Winter entspricht, in SATIS eingebracht.
Der erhöhte Ausnutzungsgrad der solaren Gewinne trägt in Verbindung mit einer verbesserten thermischen Behaglichkeit im Gebäudeinneren durch innovative Innenputz-/Innenfarbsysteme maßgeblich zur Einsparung von Heizwärme bei. Die Absicherung der bauphysikalischen und wärmetechnischen Eigenschaften erfolgte durch empirische Versuche an einem Wandprüfstand mit Solarsimulator sowie bauphysikalische Modelle und Simulationen und einem Einbau am Gebäude. Dafür wurde an der Südseite des Gebäudes ein Testfeld in die Fassade integriert und mit entsprechender Messtechnik ausgestattet. Um den Unterschied zur herkömmlichen Dämmung messen zu können, wurde ein gleich großes Testfeld mit normaler Dämmung mit Messtechnik versehen.
Die Ergebnisse gehen auch in die dynamisch-perspektivische Anlagen-Steuerung ein. Zu diesem Zweck wurde ein KI-Tool zur multifunktionalen Planung, Optimierung und Steuerung entwickelt. Die innovative Technik wurde mit den Wärmespeichereigenschaften der Bestandsgebäude verknüpft.
Sozialstudie: Wohnen im energetisch sanierten Bestand
Begleitend zu den Entwicklungsvorhaben wurde eine elektronische Datenerfassung des Nutzerverhaltens und Nutzerbefragung durchgeführt. Fokus der „Sozialstudie“ lag in der Erfassung des Nutzerverhaltens durch Befragung, der Einbindung in die energetische Optimierung, der Auslotung der Akzeptanzgrenzen und der Nutzerzufriedenheit hinsichtlich der thermischen Behaglichkeit in Verbindung mit den innovativen IR-reflektierenden Innenputzen sowie die Untersuchung möglicher Vorbehalte gegenüber der Energiedatenbereitstellung und der Datensicherheit.
Sanierungskonzept für 30 Wohneinheiten
Die technischen Entwicklungen wurden an einem Mehrparteienwohnhaus umgesetzt. Das Gebäude umfasst 30 Wohneinheiten und befindet sich innerhalb eines Ensembles aus den 1930er Jahren. Gleichzeitig wurde ein Teil des Gebäudes entmietet, so dass von innen vollständig mit den innovativen Putzen und Innenfarben saniert werden kann. Die Sanierung der Außenflächen des Demonstrationsobjekts wurde 2020 abgeschlossen. Die Sanierung innerhalb des Gebäudes soll bis Ende 2022 abgeschlossen sein.
Bauherr, Investor, Betreiber, Nutzer | Baugenossenschaft Margaretenau e. G. |
Gebäudetyp | Zweigeschossiges massives Wohngebäude mit 30 Wohneinheiten |
Zeitangaben | |
Baujahr des Gebäudes | 1931 |
Planungsbeginn | Ende 2017 |
Sanierungsbeginn | 2018 |
Fertigstellung | 2022 |
Energiekonzept kombiniert Kraft-Wärme-Kopplung und Wärmepumpen
Als Heizsystem wurde ein besonders effizientes Hybridsystem aus Kraft-Wärme-Kopplung (Blockheizkraftwerk, BHKW) und Wärmepumpen-Technologie in Kombination mit einer PV-Anlage entwickelt. Dieses wurde hinsichtlich Baugröße und Herstellungskosten sowie Effizienz im thermischen Management, sowohl hydraulisch als auch steuerungstechnisch, optimiert. Für die Bereitstellung der Raumwärme wurde ein Konzept entworfen, dass sowohl die Wärme für Niedertemperatursysteme (Flächenheizungen) als auch für Hochtemperatursysteme (Heizkörper) effizient bereitstellen kann.
Das entwickelte und mittlerweile eingebaute skalierbare Versorgungssystem durch Kombination von BHKW mit einer sehr effizienten Wärmepumpen-Technologie und PV-Anlage wurde weiter optimiert und mit innovativer Wärmelogistik ergänzt. Diese ermöglicht eine bedarfsgeführte, pulsierende Versorgung mit Warmwasser und Heizungswärme. Es wurde ein Konzept aus zentralen und dezentralen Puffern und Wohnungsübergabestationen entworfen, dass die Zirkulationsverluste deutlich reduziert. Dafür wurden verschiedene Trinkwasserverteilungskonzepte validiert und über die Erfassung des Nutzerverhaltens optimiert. So können die hygienisch zulässigen Abschaltzeiten der Zirkulation durch ein selbstlernendes System ohne Komforteinbußen ausgenutzt werden. Das Energieversorgungssystem soll neben einem hohen Eigenstrom-Nutzungsanteil auch netzdienliche Schwarmfunktionalität aufweisen. Die Skalierbarkeit des vernetzten Systems erlaubt es, das gesamte Ensemble abschnittsweise über mehrere Jahre zu modernisieren. Die Warmmiete wird sich für die Bewohner der Siedlung durch die effizienten Modernisierungsmaßnahmen nicht erhöhen.
Das Versorgungssystem wurde mit dem Planungs-, Optimierungs- und Steuerungstool auf Basis von KI ausgelegt und im Betrieb geregelt. Das Tool greift während des Betriebs auf reale Monitoringdaten zu, so dass das System direkt optimiert werden kann. Die Einbindung von Nutzerbedarfsprofilen, Strombörse und Wetterdaten in die Steuerung gestattet einen dynamischen und perspektivischen Anlagenbetrieb und kann so die Anteile der Solar- und Umweltwärme an der Energieversorgung steigern. Dafür wurde eigens eine selbstlernende KI-Steuerung für das System entwickelt. Diese ist bereits integriert und wird derzeit im laufenden Betrieb trainiert und weiter optimiert.
Ökologische Bewertung (LCA)
Um die Ökobilanz der neu entwickelten Fassadensysteme sowie des innovativen Energieversorgungssystems und dessen Energieverbrauch zu bewerten, wurde innerhalb des Projekts eine Lebenszyklus Analyse durchgeführt. Dafür wurde ein ökologischer Materialvergleich der Außenwanddämmsysteme in Bezug auf ein Referenzsystem mit Multipor-Dämmplatten erstellt. Bei der Gegenüberstellung der technischen Anlagen wurde eine Referenzanlage aus Pellet- und Gaskessel in Kombination mit PV gewählt. Die Ergebnisse zeigen, dass sich über eine Nutzungsdauer von 50 Jahren der Umstieg auf die entwickelten Systeme lohnt. Vergleicht man die Modernisierung mit der Weiternutzung des Bestands, ergibt sich ein GWP-Einsparpotential von rund 70 Prozent und damit eine ökologische Amortisationsdauer der Modernisierungsmaßnahmen von ca. 3,5 Jahren.
Performance und Optimierung
Nach Abschluss der Sanierung erfolgt ein Monitoring des Gebäudebetriebs. Erfasst werden alle Betriebsparameter und Verbrauchsdaten. Geplant ist eine weitere Optimierung des Gebäudes im laufenden Betrieb. Untersucht wird ebenfalls die Nutzerzufriedenheit.