3D-Emissionsmonitoring
Bedarfsgerecht gesteuerte Raumluft sorgt für sichere und energieeffiziente Fabriken
Im Projekt 3Demo haben Forschende ein System entwickelt, das raumlufttechnische Anlagen möglichst effizient steuert. Mit Echtzeitmessungen und Simulationen wird die Luftqualität in der Produktion exakt bestimmt und geregelt. Im Praxistest sparte ein Projektpartner so rund 20 Prozent Energie ein.
Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Emissionen, Strömungsgeschwindigkeit: Die Umgebungsbedingungen sind in Industriebetrieben ein wichtiger Faktor – nicht nur für die Qualität der Produkte, sondern auch für die Arbeitssicherheit. Um eine gute und konstante Luftqualität in Produktionshallen zu gewährleisten, werden raumlufttechnische Anlagen (RLT-Anlagen) eingesetzt. Sie lüften, heizen oder kühlen, be- oder entfeuchten die Luft und filtern Emissionen heraus. Der Betrieb von RLT-Anlagen ist jedoch energieintensiv und macht je nach Branche einen erheblichen Teil des Energiebedarfs aus. Hinzu kommt, dass die Anlagen in der Praxis meist wesentlich über den tatsächlichen Bedarf hinaus betrieben werden.
Insgesamt acht Projektpartner wollten die Steuerung von RLT-Anlagen in Produktionshallen optimieren und so den Energiebedarf senken. Im Forschungsvorhaben 3Demo haben sie deshalb ein 3D-Emissionsmonitoring und die entsprechenden technischen Komponenten entwickelt und erprobt. Das Monitoring dient als Grundlage für Dienstleistungskonzepte, die sich mit dem energieeffizienten Betrieb von RLT-Anlagen und weiteren Elementen der technischen Gebäudeausrüstung (TGA) befassen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat das Vorhaben mit rund zwei Millionen Euro gefördert.
„In mehreren Industrie- und Verbundforschungsprojekten mussten wir feststellen, dass ein großer Anteil der RLT-Anlagen in Produktionsumgebungen erfahrungsbasiert betrieben wird“, erklärt Dr. Max Juraschek von der TU Braunschweig, die das Projekt koordiniert hat. „Da diese Anlagen auch die Sicherheit für Mitarbeitende und die Produktqualität direkt beeinflussen können und im Betrieb selbst oftmals wenig Transparenz über die Raumluftqualität besteht, werden sie häufig überdimensioniert. Daraus ist die Vision für das Projekt 3Demo entstanden. Die von uns entwickelte ergänzende Kombination von realer Messtechnik mit digitalen Simulationsmodellen ermöglicht einerseits den Energiebedarf der RLT-Anlagen zu senken und gleichzeitig die Sicherheit der Produktionsbedingungen zu steigern.“
Echtzeitmessungen können Veränderungen der Raumluft genau lokalisieren
Zu dem 3Demo-Gesamtkonzept gehören mehrere in der Fabrikhalle verteilte drahtlose Sensoren. Diese erfassen verschiedene Parameter der Raumluft und sind jeweils auf die Bedürfnisse der Produktion abgestimmt. Zusammen bilden die Sensoren sogenannte Sensorknoten, die ihre Informationen per Funk an ein cloudbasiertes System übertragen. Dort werden die Daten – in Echtzeit und durch Gebäudesimulationen unterstützt – analysiert und visualisiert. So entstehen dreidimensionale Karten für jeden betrachteten Emissionsfaktor, mit denen sowohl räumliche als auch zeitliche Zusammenhänge dargestellt werden.
Die Daten lassen sich nun in zweierlei Hinsicht nutzen: Sind RLT-Anlagen und andere Gebäudetechnik ebenfalls mit dem System verbunden, können diese automatisch bedarfsgerecht gesteuert werden und die konditionierten Luftmengen auf ein notwendiges Maß reduziert werden. Das Einbinden bisher nicht vernetzter Anlagen aus dem Bestand in sich stetig verändernden Produktionshallen in das digitale Gesamtsystem war einer der Forschungsaspekte in 3Demo. Zudem lassen sich aus den Messdaten Informationen für das Lastmanagement ableiten und damit eine energieflexible Betriebsweise der Anlagen umsetzen.
Mehr als 20 Prozent Energie im Praxisbetrieb eingespart
Das entwickelte System haben die Forschenden zunächst in der Batterieforschungseinrichtung „Battery LabFactory“ der Technischen Universität Braunschweig praktisch erprobt. Dort steht eine Pilotlinie im Industriemaßstab, an der Materialien, Komponenten und das Recycling von Batterien und Energiespeichern erforscht werden. Einige Prozesse finden dabei in einem speziellen Trockenraum statt, dessen Raumluft über RLT-Anlagen reguliert wird. Diese sind für bis zu 80 Prozent des Gesamtenergiebedarfs der Einrichtung verantwortlich. Ziel war es, eine geeignete Balance zu finden: zwischen dem Energiebedarf und damit dem Luftmassenstrom der RLT-Anlage einerseits und der Temperatur und Luftqualität im Trockenraum andererseits. Dabei galt es, Grenzwerte, die etwa die Luftfeuchtigkeit beeinflussen, nicht zu unterschreiten. Um das zu schaffen, haben die Forschenden verschiedene Regelalgorithmen erarbeitet und getestet. Die Ergebnisse waren so vielversprechend, dass die Algorithmen in den Realbetrieb übernommen wurden. So konnten die Forschenden in der Praxis bereits über 20 Prozent an Energie einsparen.
„Ein wichtiger Baustein für die Nutzbarmachung von Forschungsergebnissen und den Transfer in die breite Anwendung ist die Publikation der erarbeiteten Ergebnisse“, sagt Juraschek. „Mit der frei zugänglichen Veröffentlichung der zentralen Erkenntnisse als Fachartikel und insbesondere auch der entwickelten Algorithmen in entsprechenden Repositories wird die weitere Anwendung und Übertragbarkeit deutlich erleichtert.“
„Ich möchte alle dazu ermutigen, sich unseren Beitrag anzusehen und zu versuchen, ihn auf ihre Anwendungsfälle anzuwenden“, sagt Marcus Vogt, der die eingesetzten Regelalgorithmen maßgeblich mitentwickelt und implementiert hat.
Industrielle Anwendung zeigt großen Nutzen des 3D-Emissionsmonitorings
Nach den Erfolgen an der TU Braunschweig haben die Anwendungspartner INVENT, Volkswagen und B+T die Messtechnik in ihren Werken installiert. Insgesamt montierten die Forschenden 58 Sensorknoten in verschiedenen Produktionshallen.
Folgeprojekt soll breitere Anwendung ermöglichen
Die Erkenntnisse aus 3Demo werden auch nach Projektende weiterverfolgt. So sind die Sensorknoten bei den Projektpartnern weiterhin im Einsatz. Im Folgeprojekt 6Demo entwickelt ein Team zudem die Sensorik und das Gesamtsystem weiter. Dabei steht vor allem der Wissenstransfer von der Forschung in die industrielle Praxis im Vordergrund. Unter anderem wollen die Forschenden eine modulare Plattformtechnologie entwickeln, die unter verschiedensten Produktionsbedingungen eingesetzt werden kann. Dies soll die Übertragbarkeit der Technologie auf möglichst viele Branchen und Unternehmen begünstigen. „Für den Praxistransfer ist es besonders wichtig, dass robuste, skalierbare und flexible Lösungsvarianten für die Kombination aus geeigneter Sensorik und Simulationsmodellen passend zum jeweiligen Anwendungsfall einfach generiert werden können“, betont Juraschek. „Es wird quasi ein Baukastensystem benötigt, welches auch direkt die Verbindung an bestehende Systeme und geeignete Betriebsmodelle enthalten muss.“
Darüber hinaus will das 6Demo-Team mit seinem Ansatz nicht nur den laufenden Betrieb optimieren, sondern auch die Unterstützungsmöglichkeiten bei der Planung untersuchen. Weitere Punkte sind die Reduzierung des Simulationsaufwands und die Anzahl der einzusetzenden Sensorknoten sowie deren Herstellungskosten. (ks)