Das Dampfturbinenkraftwerk Lausward in Düsseldorf ist seit 2017 mit einem Fernwärmespeicher ausgestattet, der die Flexibilität des Heizkraftwerks zusätzlich erhöht. © www.sie­mens.com/pres­se
Das Dampf­tur­bi­nen­kraft­werk Laus­ward in Düs­sel­dorf ist seit 2017 mit einem Fern­wär­me­spei­cher aus­ge­stat­tet, der die Fle­xi­bi­li­tät des Heiz­kraft­werks zu­sätz­lich er­höht.

Ther­mi­sche Kraft­wer­ke
Tur­bo­ma­schi­nen auch in kli­ma­neu­tra­ler Welt un­ver­zicht­bar

08.12.2022 | Ak­tua­li­siert am: 13.11.2024

Weg von fos­si­len Brenn­stof­fen hin zu Flüs­sig­gas, Bio­gas oder syn­the­ti­schen Gasen wie Was­ser­stoff: Ther­mi­sche Kraft­wer­ke sol­len in Zei­ten der En­er­gie­wen­de auch be­zie­hungs­wei­se vor allem mit die­sen Brenn­stof­fen oder Brenn­stoff­ge­mi­schen ef­fi­zi­ent und emis­si­ons­arm ar­bei­ten. Zudem müs­sen die Kraft­wer­ke schnell, ver­läss­lich und ef­fi­zi­ent Strom pro­du­zie­ren, wenn die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht weht. Das stellt Gas­tur­bi­nen vor große Her­aus­for­de­run­gen. Hier un­ter­stützt das Ver­bund­vor­ha­ben ECO­Flex­Tur­bo, indem es Ver­bren­nungs­sys­te­me er­forscht und für die nächs­te Gas­tur­bi­nen­ge­nera­ti­on wei­ter­ent­wi­ckelt.

Ef­fi­zi­en­te Tur­bo­ma­schi­nen fle­xi­bel be­trei­ben

Der ste­ti­ge Aus­bau er­neu­er­ba­rer En­er­gien er­for­dert von Gas­kraft­wer­ken zu­neh­men­de Fle­xi­bi­li­tät hin­sicht­lich Be­trieb und Brenn­stoff. Dabei be­an­spru­chen ins­be­son­de­re häu­fi­ge Starts und Über­gän­ge in den Teil­last­be­trieb sowie der Be­trieb mit Ge­mi­schen aus Erd­gas und Was­ser­stoff bis hin zu rei­nem Was­ser­stoff die Le­bens­dau­er der Tur­bi­nen und ihrer Kom­po­nen­ten. Zudem wer­den für län­ge­re Pha­sen mit un­zu­rei­chend Strom aus Wind­ener­gie oder Pho­to­vol­ta­ik in den Kraft­werks­pro­zess in­te­grier­te Spei­cher­ka­pa­zi­tä­ten be­nö­tigt. Hier spielt grü­ner Was­ser­stoff, der zu Zei­ten von Strom­über­schüs­sen aus er­neu­er­ba­ren En­er­gien per Elek­tro­ly­se pro­du­ziert und zur spä­te­ren Rück­ver­stro­mung in Power-​to-Gas-Anlagen zwi­schen­ge­spei­chert wer­den soll, eine wich­ti­ge Rolle.

Das For­schungs­pro­jekt ECOFLEX-​Turbo fo­kus­siert dar­auf, die Fle­xi­bi­li­tät, Ef­fi­zi­enz und Le­bens­dau­er für neue und be­stehen­de An­la­gen zu stei­gern. Die ein­ge­setz­ten Kom­po­nen­ten und Tech­no­lo­gien müs­sen noch ro­bus­ter wer­den, um einen best­mög­li­chen Wir­kungs­grad bei lan­ger Le­bens­dau­er und gleich­zei­tig nied­ri­gen Emis­sio­nen zu er­rei­chen.

Dazu ge­hört, die An­la­gen prä­zi­se zu über­wa­chen. Bei­spiels­wei­se über re­gel­mä­ßi­ge Auf­nah­men des Ist-​Zustands ein­zel­ner Bau­tei­le, um die Rest­le­bens­dau­er und War­tungs­in­ter­val­le zu er­mit­teln. So ent­wi­ckeln Pro­jekt­teams Di­gi­tal Twins, um den Be­trieb vor­aus­schau­end zu über­wa­chen (con­di­ti­on bases mo­ni­to­ring) und ab­wei­chen­de Be­triebs­zu­stän­de on­line be­wer­ten zu kön­nen. Dies wird teil­wei­se durch di­gi­ta­le Ver­fah­ren, wie künst­li­che In­tel­li­genz und Machine-​Learning-Prozesse, un­ter­stützt.

Ver­bren­nungs­sys­te­me für hö­he­ren Wir­kungs­grad und fle­xi­ble Brenn­stof­fe fit ma­chen

Die Ent­wick­lungs­vor­ga­ben für hö­he­re Wir­kungs­gra­de und Brenn­stoff­fle­xi­bi­li­tät füh­ren zu teil­wei­se ge­gen­sätz­li­chen An­for­de­run­gen bei den Ver­bren­nungs­sys­te­men. Bei­spiels­wei­se lässt sich der Tur­bi­nen­wir­kungs­grad über eine hö­he­re Tur­bi­nen­ein­tritts­tem­pe­ra­tur er­hö­hen. Da­durch bil­den sich aber ver­mehrt gif­ti­ge Stick­oxi­de, die ge­sund­heits­schäd­lich sind und zu sau­rem Regen, Smog und Kli­ma­er­wär­mung bei­tra­gen. Daher gel­ten welt­weit so­wohl für die Au­ßen­luft als auch für Ab­ga­se aus Ver­kehr und Kraft­wer­ken Grenz­wer­te, die un­be­dingt ein­zu­hal­ten sind. Maß­nah­men, um den Wir­kungs­grad bei ge­rin­gen Stick­oxid­emis­sio­nen zu op­ti­mie­ren, kön­nen sich wie­der­um ne­ga­tiv auf die Ver­bren­nungs­sta­bi­li­tät aus­wir­ken und zu ther­mo­akus­ti­schen Schwin­gun­gen füh­ren. Da­durch re­du­ziert sich die Le­bens­dau­er aller Kom­po­nen­ten der Gas­tur­bi­ne. Gleich­falls führt der Ein­satz fle­xi­bler Brenn­stof­fe dazu, dass die ef­fi­zi­en­ten und schad­stoff­ar­men Ver­bren­nungs­sys­te­me nicht mehr auf einen ein­zi­gen Brenn­stoff, son­dern auf einen grö­ße­ren Be­triebs­be­reich op­ti­miert wer­den müs­sen. Auch diese Ver­fah­rens­wei­se kann Emis­sio­nen er­hö­hen und/oder den Ver­bren­nungs­pro­zess de­sta­bi­li­sie­ren.

Daher ar­bei­ten Wis­sen­schafts­teams des Ver­bund­pro­jekts ECOFlex-​Turbo an Ver­bren­nungs­sys­te­men für die nächs­te Gas­tur­bi­nen­ge­nera­ti­on, um ein Pareto-​Optimum der kon­kur­rie­ren­den An­for­de­run­gen zu fin­den. Das ist ein Zu­stand, bei dem die Pa­ra­me­ter der Tur­bi­nen zum Bei­spiel op­ti­mal für den Ein­satz fle­xi­bler Brenn­stof­fe mit einem va­ria­blen An­teil von Was­ser­stoff aus­ge­legt sind.

Ther­mo­akus­ti­sche Schwin­gun­gen ver­ste­hen und kon­trol­lie­ren

Der kon­ti­nu­ier­li­che Ver­bren­nungs­pro­zess er­zeugt Strö­mungs­ge­räu­sche, wel­che sich über Schwan­kun­gen des Luft­drucks mit der Flam­me kop­peln. Die­ses Ver­hal­ten kann zu einer in­sta­bi­len Ver­bren­nung - die Flam­me schwingt mit - füh­ren, auch Ther­mo­akus­tik ge­nannt. Schwan­kun­gen tre­ten in allen Fre­quenz­be­rei­chen auf. Er­rei­chen diese hohe Am­pli­tu­den, weil sie sich bei­spiels­wei­se selbst ver­stär­ken oder mit Ei­gen­mo­den der Brenn­kam­mer oder an­de­rer Bau­tei­le kop­peln, kön­nen Kom­po­nen­ten früh­zei­tig be­schä­digt wer­den und kos­ten­in­ten­si­ve Schä­den auf­tre­ten. Der Ein­satz fle­xi­bler Brenn­stof­fe kann ther­mo­akus­ti­sche Pro­ble­me aus­lö­sen, da sich je nach Was­ser­stoff­an­teil bei­spiels­wei­se die Flam­men­po­si­ti­on und Flam­men­län­ge än­dert.

Hier setzt das Vor­ha­ben ECOFLEX-​Turbo an. Pro­jekt­teams aus In­dus­trie (MAN En­er­gy So­lu­ti­ons, MTU Aero En­gi­nes, Sie­mens En­er­gy und Rolls Royce Deutsch­land) und For­schungs­ein­rich­tun­gen (Tech­ni­sche Uni­ver­si­tät Mün­chen, Deut­sches Zen­trum für Luft- und Raum­fahrt) haben ver­schie­de­ne Aspek­te un­ter­sucht, um ein de­tail­lier­te­res Ver­ständ­nis der zu­grun­de­lie­gen­den Pro­zes­se zwi­schen ver­schie­de­nen, sich än­dern­den Ver­bren­nungs­be­din­gun­gen und un­ter­schied­li­chen Brenner-​Designs zu ge­ne­rie­ren. Dies be­inhal­tet bei­spiels­wei­se den Ein­fluss kür­ze­rer Ver­weil­zei­ten der Ver­bren­nungs­pro­duk­te in der Brenn­kam­mer als auch die Stu­fung der Brennstoff-​Luft-Eindüsung in die Brenn­kam­mer. Das be­deu­tet: In der Brenn­kam­mer be­fin­den sich die Flam­men an un­ter­schied­li­chen Po­si­tio­nen, die un­ab­hän­gig von­ein­an­der ge­steu­ert wer­den kön­nen, um so auf fle­xi­ble Brenn­stof­fe ad­äquat re­agie­ren zu kön­nen.

Ther­mo­akus­ti­sche Sta­bi­li­tät be­wer­ten

In einem wei­te­ren Ar­beits­pa­ket haben die Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler ein Ver­fah­ren ent­wi­ckelt, um in Brenn­kam­mern die Dämp­fung akus­ti­scher Schwin­gun­gen zu be­rech­nen. Dazu haben sie erst­ma­lig einen La­bor­bren­ner unter Hoch­druck be­trie­ben und va­ria­ble, brenn­stoff­ge­stuf­te Flam­men mit un­ter­schied­li­chen Emis­si­ons­wer­ten er­zeugt und per Laser be­rüh­rungs­los ver­mes­sen. Die er­ziel­ten Mess­ergeb­nis­se die­nen als Grund­la­ge für De­sign­tools, um Emis­sio­nen und Schwin­gun­gen vor­her­zu­sa­gen und so die Brenn­kam­mern zu ver­bes­sern.

Fer­ner haben die Wis­sen­schafts­teams Ver­fah­ren ent­wi­ckelt, um die ther­mo­akus­ti­sche Sta­bi­li­tät von Bren­nern zu be­wer­ten. Diese sol­len dazu bei­tra­gen, zu­künf­ti­ge Brenn­kam­mern für un­ter­schied­li­che Kon­di­tio­nen aus­zu­le­gen. Dazu haben sie die Kam­mern hin­sicht­lich ihrer dämp­fen­den Ei­gen­schaf­ten er­forscht und an­schlie­ßend die neuen Me­tho­den er­folg­reich über­prüft.

Dar­ge­stellt ist die 3D-​Simulation der Druck­ver­tei­lung für eine Ei­gen­mo­de in­ner­halb eines Gasturbinen-​Brenners. Die Farb­ska­la re­prä­sen­tiert dabei die Stär­ke der Schwin­gung von klein (blau) nach stark (rot).

Die er­ziel­ten Er­geb­nis­se leis­ten einen we­sent­li­chen Bei­trag, um den Ein­fluss von Gasen mit bei­gemisch­tem Was­ser­stoff auf die Ther­mo­akus­tik mo­der­ner Gasturbinen-​Verbrennungssysteme zu ver­ste­hen. Dar­auf ba­sie­rend haben die Wis­sen­schafts­teams be­reits wei­te­re AG Turbo-​Teilprojekte mit Schwer­punkt „Was­ser­stoff“ ge­star­tet, deren Er­geb­nis­se Ende 2023 er­war­tet wer­den.