Heizen mit Niedrigexergie
Nachhaltiges Unigebäude im klimaneutralen Campusverbund
Im Jahr 2007 hat die Leuphana Universität Lüneburg den Neubau eines Zentralgebäudes beschlossen – zeitgleich mit der Neuausrichtung als humanistische, handlungsorientierte und nachhaltige Universität für die Zivilgesellschaft des 21. Jahrhunderts. Damit einher ging auch die Entscheidung der Universität, klimaneutral zu werden. Um dieses Ziel zu erreichen, ist die nachhaltige bauliche Entwicklung des Hauptcampus Scharnhorststraße, und damit auch das Neubauprojekt, entscheidend.
Der Architekt Daniel Libeskind hat das Gebäude in Zusammenarbeit mit studentischen Seminaren und einer Summerschool entworfen. Als Niedrigexergie-Wärmeabnehmer ist es funktionaler Bestandteil der Energiesystem-Konzeption für den Campus. Begleitet wurde der Bau durch umfassendes wissenschaftliches Monitoring im Projekt. Dies gab den Forschenden die Möglichkeit, Werkzeuge und Methoden des Qualitätsmanagements in einem realen Projektkontext einzusetzen und aus den gesammelten Erfahrungen Empfehlungen für die Praxis abzuleiten. Im März 2017 wurde das neue Zentralgebäude eröffnet.
Offene Bereiche ergänzen Büro- und Veranstaltungsräume
Die Daniel Libeskind eigene Formsprache setzt sich auch am Kasernenkonversionsstandort in Lüneburg mit der Zeit des Nationalsozialismus und dem Aufbrechen starrer Strukturen auseinander, die durch die Vermeidung von rechten Winkeln zum Ausdruck gebracht werden soll. Das Gebäude soll für Seminare, Vorlesungen, Büroarbeitsplätze, ein großes Audimax und für Ausstellungen und Veranstaltungen Flächen bereitstellen. Außerdem ist eine Cafeteria und eine Maschinenhalle im Gebäude untergebracht. Aufgrund der speziellen Formgebung entstehen auch in den Regelgeschossen des mittleren Gebäudeteils, dem Forschungszentrum, offen nutzbare Bereiche, beispielsweise für spontane Besprechungen. Im fünften und sechsten Geschoss setzen sich diese als Open-Space-Bereiche für studentische Arbeitsplätze fort. Der Seminarraum im siebten und eine Terrasse im fünften Obergeschoss bieten eine Aussicht über Lüneburg.
Energiekonzept ermöglicht angenehme Temperaturen und viel Tageslicht
Das Energiekonzept orientiert sich daran, elektrische Bedarfe für Licht, Lüftung und Kühlung zu vermeiden. Hierfür wird in den fassadenseitigen Bereichen des Forschungszentrums (Einzel- und Doppelbüros) auf mechanische Lüftung und aktive Kühlung verzichtet. Öffenbare Fenster sowie die schaltbare E-Control-Verglasung sorgen zusammen mit der selbstverschattenden Fassade für erträgliche Temperaturen im Sommer. Das Gebäude-Nutzer-Interaktionssystem bietet auf Basis der Gebäudesensorik situationsgerechte Tipps zum richtigen Lüften. Dies soll die winterlichen Wärmeverluste und auch Wärmeeinträge durch offene Fenster bei höheren Außentemperaturen geringhalten.
Innenhöfe, Lichtschächte, Oberlichter und transparente Türelemente lassen das Tageslicht auch in die inneren Bereiche. Die energieeffizienten LED-Stehleuchten in den Büros werden wie die Verkehrsflächen- und Seminarraum-Beleuchtung präsenz- und tageslichtabhängig gesteuert. In innenliegenden Besprechungsräumen kommt eine PCM-Kühldecke und CO2-abhängig gesteuerte Lüftung zum Einsatz. Die Lüftung in den Bereichen Auditorium, Studierendenzentrum und Seminarzentrum ist ebenfalls CO2-abhängig gesteuert. Die Wärmeversorgung inklusive Warmwasser erfolgt auf mittlerem Temperaturniveau aus dem klimaneutral versorgten Campusnetz. Dabei kühlt eine interne Kaskadierung – in den RLT-Zentralen wird ein Temperaturniveau von 35 beziehungsweise 25 Grad Celsius genutzt – das warme Wasser bis auf 25 Grad Celsius aus, um die Anwendung von Wärmespeichern effizienter zu machen.
Interaktives Interface bindet die Nutzenden direkt ein
Untersucht wurde zudem die Einbindung der Nutzerinnen und Nutzer über ein interaktives Interface, das die Gebäudefunktionen per Smartphone oder PC bedienbar macht und zugleich Feedback zum Energieverhalten und richtigem Lüften gibt. Hierfür sind im gesamten Gebäude, auch in nicht mechanisch belüfteten Bereichen, CO2-Sensoren angebracht.
Das System wurde zunächst in Modellräumen mit verschiedenen Systemen zur Präsenzerfassung getestet. Die schaltbare Verglasung E-Control wurde erstmals in einem solchen Umfang an der Südost- und Südwestfassade eingesetzt. Damit sollte in diesen Bereichen ohne aktive Kühlung der sommerliche Komfort gesteigert werden. PCM-Klimadecken, Vakuumisolationspaneele in besonderen Bereichen, LED-Beleuchtung und die hinterlüftete Zinkfassade komplettieren das Gebäudekonzept.
Qualitätsmanagement in Bau und Betrieb
Der Bauprozess des Gebäudes wurde von der ersten Inbetriebnahme der technischen Anlagen an eng begleitet. So konnten die bereits in VDI-Richtlinien und Empfehlungen bestehenden Werkzeuge und Methoden für das Inbetriebnahmemanagement an einem realen Projekt erprobt werden. Die Erfahrungen wurden in Praxisempfehlungen festgehalten. Einen besonderen Schwerpunkt des Qualitätsmanagements bildeten das wissenschaftliche Monitoring des Gebäudes und die Betriebsoptimierung, die Teile eines Technischen Monitorings als Dienstleistung nach AMEV Empfehlung 158 enthielten, aber in Umfang und Detailtiefe deutlich über diese hinausgingen.
Die Ergebnisse zeigen, dass das Zentralgebäude seine Zielwerte weitgehend erreicht hat. Hierfür war das Monitoring eine wichtige Voraussetzung. So konnten die Anlagen auf ihren planungskonformen Betrieb überprüft und weiter optimiert werden.
Das Projekt hat gezeigt, dass nachhaltige Nichtwohngebäude mit hohen Anforderungen an die Energieeffizienz und Nutzerkomfort möglich sind und welche wichtige Rolle hierfür Methoden und Werkzeuge des Qualitätsmanagements spielen können.