Elektrochrome Beschichtung
Smarte Folie spart Energie an Membranfassaden und überspannten Dächern
Forschende im Projekt FLEX-G haben ein Folienelement entwickelt, dessen Lichtdurchlässigkeit elektrisch steuerbar ist – es kann also bei Bedarf verdunkelt werden. Den Strom liefern integrierte Solarzellen. Ein Gebäude mit Folienarchitektur könnte seinen Kühlenergiebedarf so um rund 20 Prozent senken.
Natürliches Licht spielt in der modernen Architektur eine zentrale Rolle. Ob Bürogebäude, Flughafen oder Fußballstadion: Große Fassaden- und Dachflächen mit transparenten oder lichtdurchlässigen Elementen prägen vielerorts das Bild. Neben Glas hat sich der Einsatz von Folien, beispielsweise aus Ethylentetrafluorethylen (ETFE), etabliert. Diese sind flexibel, leicht und langzeit-witterungsstabil, was sie für außergewöhnliche Formen oder überspannte Konstruktionen im Membranbau besonders attraktiv macht. Ein prominentes Beispiel für Folienarchitektur ist die Allianzarena in München, die rundum mit Folienkissen verkleidet ist.
Lichtdurchlässigkeit steuern und Energie sparen
Wo viel natürliches Licht in ein Gebäude gelangt, entsteht vor allem im Sommer viel Hitze. Hier haben die Forschenden im Projekt FLEX-G angesetzt und eine ETFE-Folie entwickelt, deren Licht- und Wärmedurchlässigkeit je nach Witterung elektrisch gesteuert werden kann. Möglich wird dies durch elektrochrome (EC) Materialien, mit denen die Folie beschichtet wird. Ebenfalls integrierte organische Solarzellen liefern den benötigten Strom.
„Die EC-/OPV-Folie kann so nicht nur den Energiebedarf für die Klimatisierung des Gebäudes senken, sondern auch zur dezentralen Energiegewinnung an bisher ungenutzten Flächen beitragen. Da die Folienelemente direkt in die Membranarchitektur integriert werden, können sie auch an runden oder gewellten Konstruktionen flexibel zum Einsatz kommen.“Dr.-Ing. Cindy Steiner vom Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik (FEP)
Im Projekt untersuchten die Forschenden vor allem die Anwendung von ETFE für Membrandachelemente und Lichtbänder, also großflächige Dachfenster, von Industriedächern. Das Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik (FEP) hat das Vorhaben koordiniert.
Die Herausforderung: ETFE-Folie dehnt sich bei Hitze relativ stark aus. Um die elektrochromen Elemente trotzdem aufbringen zu können und Risse zu vermeiden, musste die Technik angepasst und optimiert werden. Dass die Beschichtung von Folien mit solchen optoelektronischen Materialien möglich ist, wurde bereits auf Polyethylenterephthalat (PET) gezeigt. ETFE überzeugt bereits in der Baupraxis mit guter Witterungsbeständigkeit und langer Lebensdauer.
Simulationen zeigen großes Energieeinsparpotenzial
Dass die Verdunkelung von Fassaden und Dächern per Knopfdruck großes Potenzial hat, zeigten die Forschenden mit einer Simulation an einem Gebäudemodell am Standort Stuttgart: Der Gesamtenergiebedarf kann hier im Jahr um rund 20 Prozent reduziert werden. Grund dafür ist vor allem, dass weniger Energie für die Kühlung des Gebäudes gebraucht wird. Dieses Ergebnis kann von Gebäude zu Gebäude je nach Größe der verfügbaren Fläche, Lage oder klimatischen Bedingungen variieren. Organische Solarzellen auf Folienbasis können zudem bisher ungenutzte Flächen für die Energiegewinnung aktivieren.
Die erste Herausforderung für die Projektpartner war es, eine geeignete ETFE-Folie zu finden. Denn am Markt verfügbare Produkte haben nicht die Eigenschaften, die für die Aufbringung elektrochromer Elemente optimal wären. Mit einer im Membranbau häufig verwendeten ETFE-Folie der Firma Nowofol konnten die Expertinnen und Experten schließlich erste Versuche durchführen. Um die Technologie weiterzuentwickeln, empfehlen die Forschenden, dass auch Folienhersteller ihre Produkte entsprechend anpassen.
Beschichtung im industriellen Maßstab möglich
Um die Eigenschaften verschiedener Materialien und Techniken zu erproben und zu optimieren, stellten die Projektpartner mehrere Laborzellen sowie großflächige EC-Folien per Rolle-zu-Rolle-Verfahren her. Die Folie wird dabei kontinuierlich von einer auf eine andere Rolle geführt und mit den gewünschten Materialien beschichtet. Das Verfahren ist kostengünstig, da große Mengen schnell verarbeitet werden können, und eignet sich ideal für die Skalierung im industriellen Maßstab. Im Projekt konnte die Technik erfolgreich vom Labormaßstab (220 mm Folienbreite) auf einen Pilotmaßstab (500 mm Folienbreite) überführt werden.
Für die Ionenspeicherschicht der EC-Zelle setzten die Forschenden nach Versuchen mit verschiedenen Materialien Preußisch Blau (PB) ein. Die PB-Schicht konnte sowohl auf PET als auch auf ETFE abgeschieden werden und eignete sich für die Rolle-zu-Rolle-Beschichtung. Als Gegenstück zur Ionenspeicherschicht nutzten die Projektpartner ein in früheren Projekten entwickeltes neuartiges EC-Polymer. Auch dieses konnte erfolgreich im Rolle-zu-Rolle-Verfahren auf ETFE eingesetzt werden. Beide Halbzellen (PB und EC-Polymer) zeichnen sich durch gute Eigenschaften im Hinblick auf Verarbeitung und Farbgebung aus. Eine EC-Zelle aus EC-Polymer und PB ist im hellen Zustand farbneutral und im dunklen Zustand tiefblau.
Verdunkelung erfolgreich auf ETFE-Folie gezeigt
Den Forschenden gelang es, elektrochrome Zellen auf ETFE aufzubringen, die nicht nur funktionsfähig waren, sondern auch mit ihren elektrischen und optischen Eigenschaften überzeugten. Die Werte einer EC-Zelle auf ETFE-Folie sind vergleichbar mit der bereits erprobten Anwendung auf PET Folien, die bisher als Träger für elektrochrome Zellen genutzt wurden. Der g-Wert der ETFE-Zelle in einem Membrankissen liegt zwischen 18 Prozent im dunklen und 31 Prozent im hellen Zustand. Zum Vergleich: Bei einem modernen Fenster mit Dreifachverglasung liegt der g-Wert bei rund 55 Prozent. Trotzdem gibt es noch weiteren Entwicklungsbedarf: Die im Rolle-zu-Rolle-Verfahren hergestellten Folien waren nicht immer durchgängig schaltbar. Qualität und Langzeitstabilität müssten für die Anwendung in der Praxis noch weiter erhöht werden.
Solarzellen am Demonstrator erprobt
Auch für die Integration organischer Photovoltaik (OPV) konnten die Forschenden die Grundlage schaffen. Sie führten alle notwendigen Prozessschritte auf den ETFE-Folien durch. Allerdings konnten diese nicht die Performance von Referenzzellen auf Glas oder PET erreichen. Grund dafür ist unter anderem die Qualität der Folie selbst. Da sich die Technologie prinzipiell als funktionsfähig erwiesen hat, wurden die integrierten Solarzellen an einem Demonstrator unter realen Bedingungen erprobt – um die Durchführbarkeit auf PET in einem ETFE Folienkissen gewährleisten zu können.
Die Projektpartner installierten insgesamt sechs Membrankissendemonstratoren: fünf mobile Geräte (jeweils 1x1 m2) mit verschiedenen optoelektronischen Technologien in der Mittellage und ein r Aufbau (3x1 m2) mit zwei funktionalen OPV-Modulen und einem aus drei Teilen bestehenden EC-Element. Das dreilagige Kissen der stationären Anlage ist luftgespült, das heißt, getrocknete Luft fließt ständig ins Innere und ein Auslassventil regelt den Überdruck. So kann das Membrankissen auf äußere Faktoren wie Temperatur, Lichteinstrahlung oder Luftfeuchte reagieren, ohne dass Druck oder Temperatur im Inneren zu hoch werden. Im Messmonat April lag die Leistung der Module bei Einstrahlungswerten von 0 bis etwa 1200 Watt pro Quadratmeter (W/m²) zwischen 0 und etwa 35 Watt. Der Zusammenhang der beiden Werte war nahezu linear: Je höher die Einstrahlung, desto höher auch die Leistung der mit OPV funktionalisierten Folie.
Auch Gewächshäuser oder Parkplätze können profitieren
Die Forschenden haben während des Projektes ihr Verständnis für die Beschichtung von ETFE-Folie sowohl wissenschaftlich als auch technisch vertieft. Die Erkenntnisse sollen in der Forschung und bei den Industriepartnern zukünftig zum Einsatz kommen und weiterentwickelt werden. Die erfolgreiche Integration einer elektrochromen Folienlage in ein luftgespültes Membrankissen ist vielversprechend.
Potenzial sehen die Projektpartner etwa für die Integration von Solarzellen und schaltbaren Verschattungen in ETFE-Kissenstrukturen bei großen öffentlichen Gebäuden oder Parkplatzüberdachungen. Auch die Nachrüstung bestehender Gebäude mit funktionalisierten Folien ist denkbar. Dass die Forschenden es geschafft haben, die Kontaktschichten erfolgreich auf ETFE aufzubringen, liefert außerdem eine Grundlage für weitere Anwendungen auf der Folie, wie etwa flexible Solarzellen oder andere elektrische Bauteile.
„Die Erfahrungen aus FLEX-G können auf ganz unterschiedliche Bereiche übertragen werden – auch außerhalb der Architektur. Vor allem die Beschichtungsverfahren und die Erfahrungswerte zur Integration von elektronischen Bauelementen ist für viele technische Textilien oder Membranen interessant.“Dr.-Ing. Cindy Steiner vom Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik (FEP)
So könnte die Technologie aus FLEX-G auch in Gewächshäuern, für Bauwerkintegrierte Solarzellen oder bei Leichtbauelementen genutzt werden. Um die Technologie auf ETFE voranzutreiben, sind aber vor allem Verbesserungen am Ausgangsmaterial seitens der Folienhersteller entscheidend. (ks)