Bereits die Hälfte der örtlichen Fernwärme liefern erneuerbare Energieträger. Diese kommen zum Beispiel im hier abgebildeten Biomasse-Heizkraftwerk in Hennigsdorf zum Einsatz. © Stadtwerke Hennigsdorf
Bereits die Hälfte der örtlichen Fernwärme liefern erneuerbare Energieträger. Diese kommen zum Beispiel im hier abgebildeten Biomasse-Heizkraftwerk in Hennigsdorf zum Einsatz.

Nachhaltigkeitspreise gewonnen
Ausgezeichnet: Mehr klimaneutrale Wärme für Hennigsdorf

10.05.22 | Aktualisiert am: 30.10.2024

Bis 2023 möchte die brandenburgische Stadt Hennigsdorf den klimaneutral erzeugten Anteil der Wärme in ihrem Fernwärmenetz auf 80 Prozent ausbauen. Dazu integrieren die Stadtwerke neben Wärme aus regenerativen Brennstoffen und Solarkollektoren die Abwärme des örtlichen Stahlwerks in das Netz. Ein multifunktionaler Großwärmespeicher sorgt für die nötige Flexibilität. Dafür gibt es gleich mehrere Preise.

Gewinnerteam Stadt Hennigsdorf mit Gratulant*innen Das Gewinnerteam der "Klimaaktiven Kommune 2021" © Peter Himsel/Difu

Für seine Wärmestrategie hat das Leuchtturmprojekt „Wärmedrehscheibe“ den ZfK-Nachhaltigkeitsaward verliehen bekommen. Dieser würdigt das Engagement kommunaler Unternehmen rund um Klima- und Ressourcenschutz. Es ist bereits der zweite Preis nach der Auszeichnung „Klimaaktive Kommune 2021“. Diesen hatten das Bundesumweltministerium und das Deutsche Institut für Urbanistik ausgeschrieben.

Die Stadtwerke Hennigsdorf versorgen circa 11.090 Wohneinheiten, 39 kommunale Einrichtungen sowie 80 Gewerbe- und Industriebetriebe mit Fernwärme. Der jährliche Wärmeabsatz beträgt rund 115 Gigawattstunden, die derzeitige thermische Erzeugerkapazität 88 Megawatt. Erneuerbare Energieträger liefern bereits die Hälfte der örtlichen Fernwärme. (Mehr Informationen zur "Wärmedrehscheibe" auf Youtube.)

Für den wirtschaftlichen Betrieb eines Biomasse-Heizkraftwerks und eines Bioerdgas-Blockheizkraftwerks wurde in den Jahren 2009 und 2010 ein hydraulischer Gesamtverbund aus den ursprünglich vier Einzelnetzen geschaffen. Die Grund- und Mittellast des Verbundnetzes lassen sich so ganzjährig aus regenerativen Quellen decken.

Stadtwerke bauen klimaneutrale Wärmeversorgung aus

Jetzt möchten die Stadtwerke den Anteil an klimaneutraler Wärmeerzeugung auf 80 Prozent ausbauen. Dafür haben sie industrielle Abwärme aus einem im Versorgungsgebiet ansässigen Stahl- und Walzwerk erfolgreich in das Wärmenetz eingebunden: Bereits im Jahr 2020 erhöhte sich der Anteil CO2-neutraler Wärmeerzeugung so auf 65 Prozent. Damit dies möglich war und die Prozesse hier weiter optimiert werden, strukturieren die Stadtwerke das bestehende Fernwärmenetz kontinuierlich um und entwickeln dieses weiter. Im Rahmen dessen passen sie auch die Regel- und Betriebsweisen des Netzes an. Die Umsetzung des komplexen Projektes ist bis 2023 geplant. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler begleiten das Vorhaben messtechnisch und führen Evaluierungen durch. Das historisch gewachsene Bestandsnetz von Hennigsdorf ist typisch für eine deutsche Mittelstadt und kann damit als Vorbild für die Weiterentwicklung solcher Netze hin zu einer klimaneutralen Fernwärmeversorgung dienen.

Wärmespeicher erhöhen Flexibilität

Bereits jetzt speist eine solarthermische Anlage mit 854 m2 Kollektorfläche in das Fernwärmenetz ein. Ursprünglich war eine Erweiterung um etwa 3000 m² Kollektorfläche vorgesehen. Aber Messergebnisse zur aktuellen Abwärmenutzung aus dem Stahlwerk haben gezeigt, dass die Zielmarke „bis zu 80 Prozent klimaneutrale Fernwärmeerzeugung“ bereits mit dem Bau eines zweiten großen Wärmespeichers im Versorgungsgebiet realisiert werden könnte.

Aus dem Stahlwerk ist maximal eine thermische Leistung von etwa 8 MW für die Fernwärme nutzbar. Die Abwärme fällt allerdings unregelmäßig an. Gleichzeitig muss sich produzierte Wärme Dritter, zum Beispiel aus dezentralen Wärmequellen, jederzeit in das Netz einspeisen lassen. Für eine Entkopplung der Einspeisung voneinander und vom aktuellen Wärmeverbrauch ist ein multifunktionaler Wärmespeicher mit einem Wasservolumen von 18.600 m3 geplant. Dieser soll aktuell nicht benötigte Wärme aufnehmen, sie speichern und damit zugleich Schwankungen in der Wärmeerzeugung und den Verbrauchslastspitzen ausgleichen. Neben dem Transport von Wärme hat das Fernwärmenetz nun weitere Aufgaben: Es dient als Speicher für kurzzeitige Lastspitzen bei der Wärmebereitstellung, soll den Einsatz unterschiedlicher, auch dezentraler Wärmeeinspeisungen, optimieren und das Lastmanagement der in das Netz integrierten Wärmespeicher übernehmen. Damit wird das Fernwärmenetz zur Wärmedrehscheibe.

Netzbetrieb wird optimiert

Ende 2019 konnte die Abwärme nach vorheriger Errichtung einer Fernwärmetrasse vom Stahlwerk zum Fernwärmenetz effektiv eingebunden werden. Expertinnen und Experten haben den Großspeicher exakt auf das benötigte Wasservolumen dimensioniert. Ab 2022 soll dieser errichtet werden. Im Anschluss werden die Stadtwerke die Solarthermie nach Bedarf schrittweise ausbauen. Parallel dazu laufen aktuell die Arbeiten zur Absenkung der Netztemperaturparameter sowie zur hydraulischen und regelungstechnischen Optimierung des Netzbetriebs. Dies ist erforderlich, damit dezentral Wärme eingespeist werden kann und die Umkehr von Strömungsrichtungen im Fernwärmenetz möglich ist. (bs/pj)