Städtische Wärmeplanung
Geografisches Wärmeinformations- und Simulationssystem
Strategische Wärmeplanung und Stadtentwicklung müssen verzahnt werden, damit Klimaschutzpotenziale ausgereizt und Ressourcen mit hoher Kosteneffektivität eingesetzt werden können. Diesem Ziel dient die Entwicklung eines Wärmeinformations- und Simulationssystems für die Hansestadt Hamburg. Es soll städtebauliche Entwicklungen berücksichtigen und damit die strategische Wärmeplanung der Kommune unterstützen.
Um Klimaschutzpotenziale zu nutzen und Ressourcen mit hoher Kosteneffektivität einzusetzen, entwickeln zwei Hamburger Universitäten zusammen mit Forschungspartnern ein Geodaten basiertes Wärmeinformations- und Simulationssystem. Es soll die Auswirkungen städtebaulicher Entwicklungen auf das lokale Wärmeversorgungssystem untersuchen und damit die strategische Wärmeplanung der Kommune unterstützen. Am Beispiel Hamburgs geht es dabei um die Prognose der Wärmebedarfsentwicklung bis 2050.
Strategische Wärmeplanung und Stadtentwicklung müssen verzahnt werden, damit Klimaschutzpotenziale ausgereizt und Ressourcen mit hoher Kosten-Effektivität eingesetzt werden können. Offensichtlich kann dabei nicht von der räumlichen Verortung von Gebäudebestand und Wärmeversorgung abstrahiert werden. Veränderungen städtischer Flächen sollten auf lokal vorhandene Wärmequellen abgestimmt werden. Umgekehrt muss vor allem die netzgebundene Wärmeversorgung mit Blick auf die Besonderheiten des Gebäudebestands geplant und ausgebaut werden. Ziel des Forschungsprojekts GEWISS ist die Entwicklung eines Wärmeinformations- und Simulationssystems für die Hansestadt Hamburg auf Basis eines Geoinformationssystems. Mit Hilfe des Simulationssystems und des Informationswerkzeuges soll eine strategische Wärmeplanung unterstützt werden - unter Berücksichtigung städtebaulicher Entwicklungen wie Nachverdichtung, Umnutzung, Abriss und Sanierung von Gebäuden. In ihrer Wirkung auf das Wärmeversorgungssystem sollen kommunale politische Entwicklungen, externe Rahmenbedingungen und sozio-demografische Aspekte untersucht werden. Dabei zeigen die Forscher Wege zum möglichst effizienten Umgang mit Wärme auf und vergleichen verschiedene Effizienzmaßnahmen miteinander. Hinzu kommt die Einbindung erneuerbarer Energien für die Wärmeerzeugung und Maßnahmen der Kopplung von Wärme- und Stromerzeugung.
Fokus
Schwerpunkt des Forschungsprojekts ist die Entwicklung eines Geografischen Wärme-Informations- und Simulations-Systems, das die strategische Wärmeplanung der Freien und Hansestadt Hamburg unterstützen wird. Das Simulationssystem bildet die in Hamburg vorhandenen Wärmenetze sowie den Gebäudebestand ab - im Ist-Zustand sowie in Varianten möglicher Entwicklung, inklusive räumlich verorteter Nachverdichtung, Umnutzung, Abriss und Neubau sowie der Sanierung von Gebäuden. Daneben geht es den Forschern um die Einbindung der unterschiedlichen Akteure im Wärmesektor - Wohnungsbaugesellschaften, Energieversorger, Politik und Bürger - und ihrer spezifischen Sichtweisen und Interessen. In gemeinsamen Workshops mit diesen Akteuren sollen Zukunftsszenarien entwickelt und Simulationsergebnisse diskutiert werden. Im Idealfall könnten Ansätze für Synergien aufgezeigt werden, die ohne ihre Partizipation nicht oder nur schwer erkennbar und umsetzbar wären. Besondere Bedeutung kommt dabei der Frage zu, welche Instrumente für die Umsetzung des geplanten städtischen Wärmekonzepts genutzt oder geschaffen werden sollten - beispielsweise eine mögliche Öffnung der Wärmenetze für die Einspeisung.
Zum Projekt-Konsortium gehören Hamburger Behörden und Landesbetriebe, Planungs- und Beratungsunternehmen sowie Hochschulinstitute. Die Forschungsaufgaben werden in folgender Arbeitsteilung wahrgenommen:
Behörde für Umwelt und Energie der Hansestadt Hamburg:
Erarbeitung von Wärmekonzepten unter Berücksichtigung ökonomischer, (ordnungs-)rechtlicher und ökologischer Aspekte, Klärung institutioneller und ordnungspolitischer Rahmenbedingungen für die Wärmeversorgung in Hamburg, zukünftig Nutzer des GEWISS-Tools.
Landesbetrieb Geoinformation und Vermessung der Hansestadt Hamburg:
Betrieb und Pflege des Amtlichen Liegenschaftskataster-Informationssystems (ALKIS), Bereitstellung GIS-basierter Daten zur Gebäude-Wärmebedarfsberechnung, zukünftig Administrator des GEWISS-Tools.
Our Common Future Consulting:
Partizipative Modellierung, Partizipationsforschung, Problem- und Konfliktbearbeitung, in GEWISS: Einbindung von Stakeholdern des Wärmesystems und partizipative Szenarienentwicklung.
Ecofys Germany GmbH:
Beratungsunternehmen für Erneuerbare Energien, Energie- und CO2-Effizienz, Energiesysteme und –märkte sowie Energie- und Klimapolitik, Expertise hinsichtlich Datenanalyse, Auswertung mit Geographischen Informationssystemen und Verarbeitung von Informationen in Geodatenbanken sowie ausgeprägte Kenntnisse zum Hamburger Gebäudebestand, in Gewiss: Methodenentwicklung zur Abbildung des Wärmebedarfs und der Wärmebedarfsentwicklung von Nichtwohngebäuden.
GEF Ingenieur AG:
Dienstleistungsunternehmen für Forschungs- und Entwicklungsvorhaben im Bereich der Energie- und Versorgungskonzeption mit Schwerpunkt Fernwärme, in GEWISS: Modellierung und Simulation der Wärmenetze.
sumbi INGENIEURE Energieberatungs- und Planungsgesellschaft mbH:
Ingenieurbüro für Energieberatung und Energiemanagement, in GEWISS: Datenerhebung, Entwicklung von Quartierskonzepten.
Metropol Grund GmbH:
Entwicklung nachhaltiger Quartierskonzepte, Projektsteuerung, in GEWISS: Datenerhebung, Entwicklung von Quartierskonzepten.
Arrhenius consult GmbH, Institut für Energie- und Klimapolitik:
Expertise im Bereich Kopplung von Strom- und Wärmemärkten, Energiemarktdesign, Systemanalysen zum Zusammenwirken erneuerbarer Energien, in GEWISS: Analyse und Bewertung der Liberalisierung der Wärmeversorgung in Hamburg, Wirtschaftlichkeitsberechnung und Möglichkeiten der Sektorenkopplung.
HafenCity Universität Hamburg (HCU):
Arbeitsgruppe unter der Leitung von Prof. Irene Peters, Ph.D.:
Stadtmodellierung und –simulation, mit Fokus auf dem Gebäudesektor und seinen Nutzern, Stadttechnik und Kommunalwirtschaft, mit besonderer Berücksichtigung von Umwelt- und Nachhaltigkeitsbelangen, in GEWISS: Datenerhebung und –integration, Stadtentwicklung, Mikrosimulation soziodemografischer Daten zur Ableitung der Einflüsse auf die Quartiersentwicklung.
Arbeitsgruppe unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Jochen Schiewe:
Geovisualisierung, Geoinformatik und Fernerkundung, in GEWISS: Anforderungsanalyse, Konzeption und Implementierung eines Visualisierungssystems.
Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg:
Arbeitsgruppe unter Leitung von Prof. Dr. rer. nat Wolfgang Renz:
Verteilte und selbstorganisierende Systeme sowie Multiagentensysteme und Simulation mit Schwerpunktthema Smart Grids, Demand Side Integration, in GEWISS: Technische Entwicklung des Simulationswerkzeugs, Aufbau und Implementierung eines Datenbanksystems, Schnittstellen-Definition, Support des Simulationswerkzeugs. Intelligente Regelung der Verbraucherseite als Komponenten von Smart Grids und virtuellen Kraftwerken, Demand Side Management, Modellbildung und Simulation von verteilten Energiesystemen, in GEWISS: Abbildung des Wärmebedarfs und der Wärmebedarfsentwicklung von Wohngebäuden. Methodenentwicklung zur Abbildung von Mischnutzung, Modellierung von Wärmeerzeugern.
Meilensteine und Erfolge
Stand der Forschungsarbeiten: GEWISS-Planungstool als Prototyp
Momentan erfolgt die Entwicklung des Planungstools als Prototyp. Dazu berechnen die Forscher im ersten Schritt den Wärmeverbrauch gebäudescharf für den gesamten Gebäudebestand. Für Wohn- und Nichtwohngebäude wurden zwei verschiedene Wege gewählt.
Im Zentrum der Wärmeverbrauchsberechnung für Wohngebäude steht das Planungsinstrument SimStadt, das im Rahmen des EnEff:Stadt Projekts "SimStadt, Energiesimulation von Stadtquartieren" zur Planung, Betriebsoptimierung und Szenarienrechnung von innovativen Energie- und Gebäudekonzepten mit Netzausbaustrategien entwickelt wurde. Im Rahmen von GEWISS werden die weitreichenden Funktionalitäten von SimStadt für die Berechnung der Wärmebedarfe (gem. DIN 18599) für Wohngebäude genutzt und ggf. für die Anwendung auf die Hansestadt Hamburg modifiziert - beispielsweise durch das Einlesen von Hamburger Klimadaten. Als Basis der Wärmebedarfsberechnung mit SimStadt dienen 3D-CityGML-Datensätze im Detaillierungsgrad Level of Detail 1 (LoD1), die flächendeckend für die Stadt Hamburg verfügbar sind. Sie enthalten geo-referenzierte Informationen zur Gebäudegeometrie und Gebäudenutzung. Anhand realer Verbrauchsdaten erfolgt eine Validierung der Berechnungsergebnisse.
Für Nichtwohngebäude wird eine Wärmeverbrauchskennwert-Typologie mit 15 in Hamburg typischen Nichtwohngebäuden genutzt. Die Typologie enthält Nutzflächen-bezogene Verbrauchskennwerte - jeweils für fünf definierte Sanierungszustände. Anhand der Kennwerte erfolgt eine flächenbasierte Berechnung des Wärmeverbrauchs. Die Auswahl der 15 Nichtwohngebäude-Typen basiert auf einer in 2009 im Auftrag der Behörde für Stadtentwicklung Hamburg erstellten Gebäudetypologie. Neben der Festlegung der Verbrauchskennwerte werden Branchen-spezifische Kennzahlen zum Prozesswärmebedarf und zu Abwärmepotenzialen gebildet. Zusätzlich sollen Lastprofile für 15 Typ-Nichtwohngebäude generiert werden. Auch hier erfolgt eine Validierung der berechneten Wärmeverbräuche und Lastprofile anhand realer Verbrauchsdaten.
Prognose der Wärmebedarfsentwicklung bis 2050
Um die zukünftige Wärmebedarfsentwicklung bis zum Jahr 2050 abzubilden, erfolgt die Entwicklung des prototypischen Planungswerkzeugs auf Basis verschiedener Sanierungsstufen. Mithilfe der GIS Agent-based Modeling Architecture (GAMA) werden Agenten für Flurstücke und Gebäude erstellt. Jeder Flurstückagent repräsentiert beispielsweise dessen Besitzer, der entscheidet, was mit Gebäude und Flurstück passiert. Die erste Version des Prototyps realisiert ein einfaches Gebäudesanierungsszenario auf Basis der IWU-Gebäudetypologie. Diese stellt dafür verschiedene Heizwärmebedarfs-Kennwerte für den ursprünglichen Zustand eines Gebäudes eines bestimmten Typs sowie für jeweils zwei Sanierungsstufen zur Verfügung.
In dieser Sanierungsstufen-basierten Zukunftssimulation prüft der Flurstückagent zwei Bedingungen:
"Die Sanierungsstufe ist noch nicht die maximale Sanierungsstufe."
"Das Gebäude wurde innerhalb der letzten zehn Jahre nicht saniert."
Wenn diese zwei Bedingungen erfüllt sind, saniert er sein Gebäude mit einer der Sanierungsrate entsprechenden Wahrscheinlichkeit, d.h. die Sanierungsstufe des Gebäudes wird um eine Stufe erhöht.
Die Abbildung des aktuellen und zukünftigen Wärmebedarfs sowie der Komponenten der Wärme- und Stromerzeugung erfordert die Integration und den Abgleich zahlreicher Datenquellen. Sie werden unter Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Anforderungen analysiert, entsprechende Aggregationsmöglichkeiten werden entwickelt. Für darüberhinaus bestehende Datenlücken wird die Methode der räumlichen Mikrosimulation angewandt, die in der Sozial- und Gesundheitspolitik gebräuchlich ist. Die Mikrosimulation erfolgt auf Basis des Mikrozensus auf Ebene statistischer Gebiete (Erfassung von ca. 2.000 Personen).
Nächste Arbeitsschritte
- Einbeziehung von Nichtwohngebäuden in die Bedarfsberechnungen.
- Erhebung von Wärmeverbrauchsdaten zur Ergebnisvalidierung und zur Methodenentwicklung beim Abgleich des tatsächlichen Wärmeverbrauchs mit dem theoretisch berechneten Wärmebedarf.
- Zukunftsszenarien unter Berücksichtigung technischer und wirtschaftlicher Machbarkeit sowie der sozio-demographischen Entwicklung und politischer Randbedingungen.