Ausgangskonfiguration des Teststands. Die Tests werden mit einer waagerecht montierten Bohranlage durchgeführt. Der Antrieb (rot, mittig im Bild) treibt das Bohrgestänge an, das aus der Halle heraus auf das Testgelände ragt. © DSC, TU Clausthal
Ausgangskonfiguration des Teststands. Die Tests werden mit einer waagerecht montierten Bohranlage durchgeführt. Der Antrieb (rot, mittig im Bild) treibt das Bohrgestänge an, das aus der Halle heraus auf das Testgelände ragt.

Geothermie
Schwingungen von Bohrsystemen erkennen und vermeiden

01.06.2018 | Aktualisiert am: 13.11.2024

Gezielt, sicher und kosteneffizient Bohrungen bis in einige tausend Meter zu erreichen, ist Gegenstand des Forschungsprojektes. Um die hohen Bohrkosten zu mindern, ist eine bessere Kontrolle unerwünschter Schwingungen der Bohrausrüstung wichtig. Wissenschaftlerteams untersuchen im Forschungsprojekt systematisch das Schwingungsverhalten von Bohrstangenkomponenten mittels eines Laborverfahrens, um Art der Schwingung und Entstehungsursachen zu ermitteln. Die Ergebnisse sollen dazu beitragen, Schwingungen während des Bohrprozesses weitgehend zu vermeiden.

© DSC, TU Clausthal

Am Drilling Simulator Celle untersuchen die Projektpartner das Schwingungsverhalten von Bohrstangenkomponenten.

Projektkontext

Eine besondere Herausforderung in der Geothermie ist es, sicher den Zielbereich bei Bohrungen bis in einige tausend Meter zu erreichen. Dabei können Schwingungen des Bohrgestänges auftreten, insbesondere wenn der Bohrer durch die unregelmäßig Störungszonen im Gestein bohrt. Das kann zu Beschädigungen bis zu einem Ausfall der Bohrsysteme führen. Der Bohrfortschritt verringert sich, da der Meißel zeitweise den Kontakt zum Gestein verliert. Insgesamt verkürzt sich die Lebensdauer des Meißels, der Bohrfortschritt verlangsamt sich und es entstehen hohe Kosten.

Das Forschungsvorhaben dient dazu den Bohrfortschritt für tiefe Geothermiebohrungen zu optimieren, indem das Schwingungsverhalten von Bohrstangenkomponenten systematisch untersucht und analysiert wird.

Forschungsfokus

Ziel des Projekts ist es, Geothermiebohrungen wirtschaftlicher zu machen, indem Bohrstrangschwingungen unter Laborbedingungen untersucht werden. Im nächsten Schritt werden diese Untersuchungen zu Handlungsempfehlungen für die Industrie aufgearbeitet. Die Besonderheit ist hierbei der Einsatz eines weltweit einzigartigen horizontalen full-scale Bohrteststands. Hier können Bohrstrangschwingungen der unteren 20 Meter eines Bohrstrangs ganzheitlich unter realistischen Bedingungen untersucht werden. Die Schwingungen werden durch reale Bohrprozesse verursacht. Durch eine Erweiterung des vorhandenen Bohrprüfstands mit Aktorik und virtuellen Bohrstrangmodellen kann das Verhalten eines realen Bohrstranges (beispielsweise 4000 Meter Länge und mehr) simuliert werden.

Innovation

Der weltweit einzigartige Bohrteststand erlaubt es, unter realistischen Bedingungen zu bohren und diesen Prozess zu untersuchen. Andere Teststände vernachlässigen wesentliche physikalische und geometrische Dimensionen (beispielsweise Flow Loop Teststände, Teststände für BHA-Dynamik, etc.). Der Hardware Teststand des Drilling-Simulator-Celle (DSC) simuliert den gesamten horizontalen Bohrprozess. Schwingungen  durch das fehlende Bohrgestänge werden durch Modelle und Aktorik entsprechend simuliert. Hierzu benötigt es ein echtzeitfähiges Regelsystem, das unter anderem auch Bohrstrangdaten in Echtzeit auswerten und verarbeiten muss. Ein Autoklav ermöglicht das Bohren in Gesteinsprobekörper unter dem Einfluss von Spülung, Druck und einer realistischen Meißellast.

Ergebnisse

Es wurde eine Gesteinsprobenkammer entwickelt, in der unter entsprechendem  Druck in Gesteinsproben gebohrt werden kann. Der erste Bohrversuch in Sandstein mit einem Polycrystalline-Diamond-Compact-(PDC) Meißel fand im Februar 2018 statt. Mittlerweile sind erste Echtzeit-Bohrstrangmodelle entwickelt worden.

Tiefe Geothermie

In Deutschland spricht man von tiefer Geothermie, wenn Bohrungen geothermische Energie in einer Tiefe von über 400 Meter und einer Temperatur von über 20 Grad Celsius erschließen. Die tiefe Geothermie nutzt entweder natürliche Warmwasservorkommen oder im Gestein gespeicherte Wärme. Beide können zur Wärme- und Stromerzeugung eingesetzt werden. Aktuell gibt es in der tiefen Geothermie in Deutschland acht Kraftwerke zur Stromproduktion und fünf Heizkraftwerke zur Wärme- und Stromproduktion. (Zahlen vom Bundesverband Geothermie)