(v.l.n.r.) Dr. Dietrich Schmidt vom Fraunhofer-Institut IEE, Dr. Stefanie Tafelmeier vom ZAE Bayern, Fabian Hüsing vom Institut für Solarenergieforschung und Prof. Dr. Hans-Martin Henning, Leiter des Fraunhofer-Instituts ISE. ©Projektträger Jülich/Forschungszentrum Jülich GmbH
(v.l.n.r.) Dr. Dietrich Schmidt vom Fraunhofer-Institut IEE, Dr. Stefanie Tafelmeier vom ZAE Bayern, Fabian Hüsing vom Institut für Solarenergieforschung und Prof. Dr. Hans-Martin Henning, Leiter des Fraunhofer-Instituts ISE.

Im Video
Wie Forschende die Wärmewende voranbringen

27.10.2022 | Aktualisiert am: 15.11.2024

 Welche Lösungen werden unsere klimafreundliche Wärmeversorgung künftig prägen und woran wird jetzt besonders intensiv gearbeitet? Das haben wir Expertinnen und Experten auf der FVEE-Jahrestagung in Berlin gefragt. Sie erklären, warum Wissenschaft und Praxis Hand in Hand gehen.

Die Energieforschung beschäftigt sich schon lange mit dem Thema Wärme: Wie sieht der Weg von fossilen Brennstoffen wie Gas und Öl hin zu klimaneutralen Energieträgern aus? Und was muss noch passieren, damit diese flächendeckend eingesetzt werden können? Mit der aktuellen Situation an Gasmarkt gewinnen diese Forschungsfragen weiter an Bedeutung.

Auch die Jahrestagung des ForschungsVerbunds Erneuerbare Energien in Berlin beschäftigte sich in diesem Jahr mit der Wärmewende. Im Zuge der Veranstaltung haben wir mit vier Expertinnen und Experten gesprochen: Prof. Dr. Hans-Martin Henning, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE und Mitglied im Expertenrat für Klimafragen der Bundesregierung, Fabian Hüsing vom Institut für Solarenergieforschung, Dr. Stefanie Tafelmeier vom ZAE Bayern und Dr. Dietrich Schmidt vom Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE.

Im Video sprechen sie über ihre Arbeit an unterschiedlichen Technologien, offenen Fragen rund um die Wärmewende und die Bedeutung der Forschung für eine klimafreundliche Zukunft.

Anmoderation: Der Winter steht vor der Tür und die Energiekosten steigen. Die Wärmeversorgung rückt also gerade immer mehr in den Fokus von Politik, Medien und Öffentlichkeit. In der Energieforschung ist Wärme und vor allem die Wärmewende schon lange ein Thema. Denn um fossile Brennstoffe durch klimafreundliche Alternativen zu ersetzen, sind neue Lösungen gefragt. Einige der Menschen, die diese Lösungen entwickeln, sind heute hier in Berlin. Auf der Jahrestagung des ForschungsVerbunds Erneuerbare Energien. Wir wollen von Ihnen wissen, an welchen Technologien Sie arbeiten und warum die Energieforschung so wichtig für die Wärmewende ist.

Voice-Over: Prof. Dr. Hans-Martin Henning sitzt im Expertenrat für Klimafragen der Bundesregierung. Für ihn gehen Forschung und Praxis Hand in Hand.

Prof. Dr. Hans-Martin Henning: Die Frage, ob wir noch Forschung brauchen oder jetzt die Umsetzung nicht viel wichtiger wäre, würde ich beantworten: Wir brauchen beides tatsächlich. Natürlich brauchen wir die Umsetzung. Ehrlich gesagt brauchen wir auch für die Umsetzung Forschung. Das ist ein Forschungsaspekt. Aber wir brauchen auch weiterhin Forschung klassisch: an den Komponenten, an den Systemen-Fragestellungen. Um nur ein Beispiel zu machen. Wir sprechen jetzt ganz viel über Wärmepumpen. Wärmepumpen mit klassischen Kältemitteln, die eben ein Treibhaus-Potenzial haben, teilweise auch andere toxische Wirkungen haben, wenn sie freigesetzt werden, sollen tatsächlich abgelöst werden durch Wärmepumpen mit Kältemitteln, die diese Problematik nicht haben. Dafür brauchen wir Forschung und Entwicklung.

Voice-Over: Wärmepumpen sind das Forschungsthema von Fabian Hüsing. Bis diese flächendeckend eingesetzt werden können, sieht er ebenfalls noch Forschungsbedarf. Denn je nach Einsatzort tun sich neue Fragen auf.

Fabian Hüsing: Etabliert man kalte Nahwärme- oder Quellwärme-Netze für Wärmepumpen in Stadtteilgebieten, erschließt man Abwärme, Aktiviert man die Fassade des Gebäudes? Es gibt viele Technologie-Bausteine und die Frage, welches ist der wirtschaftlichste und sinnvollste Weg, es zu machen, die ist, glaube ich, noch nicht abschließend beantwortet. Und da müssen Technologien weiterentwickelt und vergleichend evaluiert werden. Dafür braucht es Forschung.

Voice-Over: Wenn diese Fragen geklärt sind, könnten Wärmepumpen jedoch eine der wichtigsten Zukunftstechnologien sein.

Fabian Hüsing: Also grundsätzlich erwarten wir auf Basis der Szenarien, die wir kennen und auf Basis der Rückmeldungen, die wir aus der Industrie haben, dass Wärmepumpen sicherlich in einem Anteil von 70, 80, vielleicht sogar 90 Prozent der Wohngebäude sinnvoll eingesetzt werden können. Es gibt verschiedene Engpässe. Also sowohl der Bezug von Rohstoffen, um diese zu bauen, als auch Planer und Handwerker, die vertraut mit der Technik sind, um das umzusetzen. Das sind Herausforderungen.

Voice-Over: Eine Herausforderung ist es auch, Wärme zu speichern. Das ist besonders wichtig, wenn zukünftig mehr davon aus erneuerbaren Energien erzeugt wird. Dr. Stefanie Tafelmeier arbeitet deshalb an Wärmespeichern.

Dr. Stefanie Tafelmeier: Wärmespeicher sind wichtig für die Zukunft des Energiesystems, weil sie in der Lage sind, Angebot und Bedarf zu verknüpfen und das sowohl thermische als auch elektrischer Natur. Auf die Frage, wie sich Wärme am besten speichern lässt, gibt es keine einfache Antwort, weil einfach Wärmespeicherung ganz klar von dem Temperaturbereich, in dem man arbeiten muss, abhängt. Und daher konzentriert sich auch die Forschung nicht auf ein festes Feld, sondern zum Glück gibt es da ein sehr weites Forschungsfeld mit unterschiedlichen Forschungsinstituten, die auch im FVEE enthalten sind. Da ist sowohl Hochtemperatur dabei, als auch Niedertemperatur und auch verschiedene Speichertechnologien, ob thermochemisch, latent oder sensibel, wird damit abgedeckt.

Voice-Over: Neben Wärmepumpen und Wärmespeichern gibt es noch zahlreiche andere Technologien, die ihren Teil zur Wärmewende beitragen, unter anderem Wärmenetze und Geothermie. Wie verschiedene Lösungen in Städten zusammenkommen können, erforscht Dr. Dietrich Schmidt. Er hat unter anderem an internationalen Forschungsprojekten mitgearbeitet und Erfahrungen aus anderen Ländern gesammelt.

Dr. Dietrich Schmidt: Ich glaube, dass wir von anderen Ländern relativ viel lernen können. Und das ist immer gut, einen internationalen Austausch zu haben, um von Erfahrungen aus anderen Ländern, anderen Kulturkreisen zu lernen. Wenn wir nach Norden schauen, zum Beispiel in Dänemark die gesamte Fernwärmeentwicklung dort und auch die gesetzlichen Regelungen, wo es darum ging, Gaskessel oder gerade Ölkessel im Wesentlichen erst mal zu verbieten. Oder auch die Wärmepumpen-Integration zum Beispiel in Schweden und die anderen Energiesysteme auch in Norwegen kann man sich da angucken. Länder, die uns eigentlich vorgemacht haben, wie man das anders lösen kann, nicht nur auf der technischen Ebene, sondern auch gerade auf der organisatorischen Ebene.

Voice-Over: Wie könnte also eine klimaneutrale Wärmeversorgung in Deutschland zukünftig aussehen?

Dr. Dietrich Schmidt: Ich hoffe, dass wir die Wärmewende zeitnah umsetzen. Dass wir mit den Maßnahmen, den Rahmenbedingungen, die auch jetzt gerade alle treiben. Also weg aus dem Thema Erdgas, dass wir weiter an Energieeffizienz arbeiten, dass wir Gebäude sanieren, dass wir die Bedarfe runter bekommen, effizienter in der Anlagentechnik werden, dass wir eben Wärmenetze ausbauen und dort wo es nicht möglich ist, natürlich auf das Thema Wärmepumpe setzen. Aber natürlich auch Großwärmepumpen potenziell für den Betrieb von Wärmenetzen einsetzen. Also da im Prinzip den Shift hinbekommen. Ich glaube, dass die Zeit dafür jetzt richtig ist.

Prof. Dr. Hans-Martin Henning: Letztlich auch an der Stelle ist die Wärme eine wichtige Komponente, aber eben längst nicht alles. Und deshalb denke ich, dass neben all dem, was wir hier auf der Tagung jetzt sehr intensiv behandeln, technischen Lösungen, systemtechnischen Fragestellungen, letztlich auch soziale Innovationen eine wichtige Rolle spielen werden. Also wie können wir unser Leben so organisieren, dass wir von vornherein erst mal auch weniger Energie brauchen, weniger Energie Dienstleistungen brauchen und trotzdem gut leben, vielleicht sogar besser.