
Intelligentes Lastmanagement
Wie die Industrie zukünftig zur Netzstabilität beitragen kann
Wie kann ein Getränkeabfüller auf die Stromverfügbarkeit vor Ort reagieren? Die Forschenden von DESPRIMA arbeiten an einem Demand-Side-Managementsystem, mit dem sich der Stromverbrauch in der Produktion zeitlich flexibler abstimmen und erneuerbare Energien effizienter einbinden lassen.
Strom soll zukünftig vermehrt aus erneuerbaren Quellen stammen. In 2020 deckten sie bereits 43 Prozent des Bruttostromverbrauchs in Deutschland. Jedoch schwankt die Verfügbarkeit unter anderem saisonal oder wetterbedingt, etwa durch Windspitzen und -flauten. Um die Stromversorgung flexibler gestalten und stabil halten zu können, müssen Netzbetreiber auch die Verbraucher miteinbeziehen — So auch die Industrie, denn mittel- bis langfristig bieten Industrieunternehmen große Flexibilitätspotenziale.
Demand-Side-Management stabilisiert Stromversorgung und reduziert Netzverluste
Diesen Flexibilitätspotenzialen widmet sich das Team des Forschungsprojekts DESPRIMA. Die Forschenden entwickeln darin ein Demand-Side-Managementsystem (DSM), das den Stromverbrauch eines Getränkeabfüllers an die verfügbare Energiemenge anpasst. Ziel ist es, lokal erzeugten Strom unmittelbar zu nutzen und Lastflüsse zu entfernteren Orten zu vermeiden. Dies spart rund drei bis sieben Prozent an Netzverlusten ein.
Einen entscheidenden Beitrag zum DSM soll die Flexibilisierung der Produktionskette leisten: Ist die Produktionsplanung miteinbezogen, können einzelne Anlagen auf geringerer Last laufen, sobald es zu Stromengpässen kommt. Damit muss der Netzbetreiber weniger Regelenergie zur Verfügung stellen, was steigenden Netzkosten vorbeugt. Ist dagegen viel Strom verfügbar, kann der Betrieb alle Produktionsschritte vollumfänglich hochfahren. Die Anpassung des Stromverbrauchs kann der Getränkeabfüller dem Netzbetreiber als sogenannte Systemdienstleistung anbieten. In beiden Fällen sind Strom-Nachfrage und -Verfügbarkeit ausgeglichen und die Netzstabilität gewährleistet.
In DESPRIMA entwickeln und untersuchen die Forschenden nun ein umfassendes Modell für die Prozesskette beim Projektpartner Brandenburger Urstromquelle. Dabei haben sie erkannt, dass sich rund 20 Prozent des Gesamtenergiebedarfs flexibilisieren lassen.

Bei etwa 650 Getränkeproduktionsanlagen mit rund 1.650 Produktionslinien in Deutschland bedeutet das: Am Strommarkt ist ein jährlicher Beitrag von 3,7 bis 6,2 Terawattstunden Energie zu erwarten. Dies entspricht 0,6 bis 1,1 Prozent des Gesamtstrombedarfs der Bundesrepublik. Die Weite der Spanne berücksichtigt die verschiedenen Nennleistungen und Wirkungsgrade der Produktionslinien, die hierbei jedoch nur geschätzt werden können.
Energiemonitoring und -prognose sind wesentliche Voraussetzungen für DSM
Um Energieflüsse flexibel steuern und dabei die nötigen Qualitätsvorgaben in der Produktion erfüllen zu können, müssen detaillierte Informationen aller Produktionsschritte vorhanden sein. Daher haben die Forschenden von DESPRIMA ein Energiemonitoring eingesetzt und dieses mit dem Modell der Prozesskette verknüpft.
Unter Berücksichtigung von festgelegten Mindestanforderungen haben sie mögliche Prognose- und Flexibilitätsszenarien abgeleitet. Das bisherige Ergebnis: die Energielasten in Abfüll-, Etikettier- und Verpackungsstationen sowie bei Transportbändern können flexibel gesteuert werden. Die Spritzgieß- und Streckblasmaschinen lassen sich gut für die Primärregelung beziehungsweise für die Sekundärreserve einsetzen, während sich die Produktionslinien für die Minutenreserve eigenen.
In diesem Zusammenhang kommen die Werkzeuge der Regelungstechnik hinzu, die das Produktionsmanagementsystem und das Demand-Side-Managementsystem miteinander verknüpfen. Eine dafür wesentliche Voraussetzung ist es, die Produktionslinien zu digitalisieren und Kommunikationsschnittstellen zwischen den Produktionsanlagen und dem Netzbetreiber zu schaffen.
DESPRIMA will DSM in die breitere Anwendung bringen
Flexibilitätspotenziale finden sich nicht nur in der Getränkeindustrie, sondern in diversen Produktionsbetrieben auf. Die in DESPRIMA entwickelten Systeme sollen daher auf verschiedene produktionstechnische Anlagen übertragbar sein. So können Industrieunternehmen aktiv mit Netzbetreibern zusammenarbeiten und die Netzintegration von erneuerbaren Energien fördern. Ihr Vorteil: Regelbare Lasten werden vom Netzbetreiber vergütet. Strombedarf und Stromverfügbarkeit sind somit durch die Zusammenarbeit von Industrie und Netzbetreibern optimal aufeinander abgestimmt. (ln)