Insbesondere im Nachlauf emittieren Windenergieanlagen die meisten Geräusche.  Eine ENERCON Windenergieanlage auf einem Hügel diente als Testanlage. © WRD GmbH – Tanja Stüttchen
Insbesondere im Nachlauf emittieren Windenergieanlagen die meisten Geräusche.  Eine ENERCON Windenergieanlage auf einem Hügel diente als Testanlage.

Windenergie
Tool simuliert Schallausbreitung in komplexem Gelände

13.09.2022 | Aktualisiert am: 22.11.2024

Geräusche technisch einwandfreier Windenergieanlagen gehen ab einer Entfernung von circa 750 Metern in Hintergrundgeräusche über. Sie können gehört werden, aber nicht vordergründig. Zu diesem Fazit kommen Forschungsarbeiten zur Schallausbreitung. Ergebnis ist ein Simulationstool, welches die Planung von Windparks erleichtert.

Im Norden Deutschlands wird die Fläche für neue Windenergieanlagen bereits knapp. So rückt der Fokus in Richtung Süden und damit in bergiges, hügeliges Gelände. Schalleffekte lassen sich hier nur ungenau vorhersagen. Es fehlt Simulationssoftware, welche die für komplexes Gelände typischen böigen und turbulenten Windregime sowie die Schallausbreitung berücksichtigt. Daher war es Ziel der Forschenden im Vorhaben Schall_KoGe, kurz für „Schallausbreitungsmodellierung an Windenergieanlagen im komplexen Gelände“, ein zuverlässiges Modell zu entwickeln, welches in einfachem sowie komplexem Gelände für Einzelanlagen und Windparks möglichst genaue Schallprognosen liefert. So lässt sich sowohl die Akzeptanz für Windenergieparks erhöhen als auch das Risiko bei deren Planung minimieren.

Struktur von Windenergieanlagen und Gelände beeinflussen den Schall

Windenergieanlagen verursachen Geräusche, die beispielsweise vom Windfeld abhängig sind, welches auf die Anlage trifft. Dieses ist nicht beeinflussbar, die meteorologischen und topografischen Gegebenheiten des Standorts bestimmen die Art und Stärke des Feldes. Daher haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Strömungssimulationen im bergigen Perdigão in Portugal und im flachen Harsewinkel in Deutschland durchgeführt, um Informationen über Windfelder in unterschiedlichen Höhen zu erhalten. Die gewonnen Daten haben sie für das neue Schallausbreitungsmodell verwendet.

Daneben spielen auch bauteilbedingte Eigenschaften eine Rolle, wie Blattgeometrie und Turmhöhe, sowie spezielle Anbauteile am Rotorblatt, die den Ertrag der Windenergieanlage steigern sollen. Die Projektteams haben diese Blattbauteile, sogenannte Wirbelgeneratoren, aerodynamisch simuliert und aeroakustisch untersucht. Die Erkenntnisse helfen ihnen, den Zusammenhang zwischen höherem Ertrag und Geräuschentwicklung besser vorherzusagen. Die Ergebnisse fließen ebenfalls in das Simulationstool ein.

Weniger Geräuschemissionen als erwartet

Gängige Prognoseverfahren definieren Windenergieanlagen als Punktschallquelle. Diese Annahme haben die Forschungsarbeiten im Vorhaben Schall_KoGe widerlegt. Die Wissenschaftsteams konnten zeigen, dass in Rotorebene, also quer zur Anlage, weniger Schall emittiert wird als im Vor- oder Nachlauf. Insbesondere im Nachlauf emittieren die Windenergieanlagen die meisten Geräusche.

Bei weiteren Schallmessungen haben sich die Forschenden auf diesen Bereich konzentriert. Die Ergebnisse im Abstand von circa 500 und 1.000 Metern haben gezeigt, dass deutlich weniger Geräusche emittiert werden, als erwartet. Alle nach den gesetzlichen Vorschriften (TA Lärm) genehmigungsrelevanten Schalldruckpegel wurden an den Messpositionen unterschritten. „Die Anlage hob sich von den lokalen Geräuschen am Messort, wie leises Windrascheln in Bäumen, nur geringfügig ab“, berichtet Tanja Stüttchen, Projekteiterin bei Enercon. “Diese Erkenntnisse sollten zukünftig in der Normgebung berücksichtigt werden.“

Die Grafik zeigt das Schallfeld in Bodennähe (4 Meter über Grund) in komplexem Gelände, hier der Bergrücken in Perdigão. Die Abschattungseffekte durch kleinere Hügel und die Pegelabnahme mit der Entfernung sind gut zu erkennen.

Modell zur Schallausbreitung entwickelt

Die Forschungsarbeiten haben gezeigt, dass es für den Immissionsort wichtig ist, in welcher Richtung zur Anlage sich dieser befindet. Dabei handelt es sich um den Standort des Empfängers - beispielsweise ein Wohnhaus. Liegt dieser Standort größtenteils quer zur Rotorebene, ist die Geräuschbelästigung geringer als in anderen Richtungen. Der Einfluss dieser Richtwirkung der Schallquelle ist für den Immissionsort wichtiger, als eine hochaufgelöste Beschreibung der einzelnen Schallquellen der Windenergieanlagen. Ebenso haben der Nachlauf und andere Strömungseffekte im Gelände Einfluss auf das Schallfeld, welches mit den herkömmlichen Berechnungsmethoden nur pauschal betrachtet wird.

Das entwickelte Modell Aku_KoGe berechnet den Schalldruck in Abhängigkeit der zuvor beschriebenen Einflussgrößen, wie Meteorologie, Gelände und Anlageneigenschaften. Weitere Forschungsarbeiten sollen das Modell für den kommerziellen Einsatz vorbereiten. (mm)