Geothermie
Thermalwasser als Lithiumquelle: Geothermieanlagen zur Rohstoffproduktion nutzen
Für den Ausbau der E-Mobilität ist Lithium als Bestandteil wieder aufladbarer Batterien essenziell. Wissenschaftsteams untersuchen, wie der begehrte Rohstoff aus Thermalwässern in Deutschland gewonnen werden kann.
Die weltweite Nachfrage nach Lithium wird sich laut einer Studie der Deutschen Rohstoffagentur bis 2025 verdoppeln oder gar verdreifachen. Ein wesentlicher Treiber dieser Entwicklung ist die steigende Nachfrage nach Lithium-Akkus, insbesondere für Elektro-Fahrzeuge. Auch die Bundesregierung fördert die Elektrifizierung des Verkehrs und sieht im Ausbau der E-Mobilität einen wichtigen Hebel für den Klimaschutz. Denn allein der Verkehrssektor verursachte 2021 nach vorläufigen Schätzungen knapp 20 Prozent der gesamten Treibhausgas-Emissionen in Deutschland. Um den wachsenden Bedarf an Lithium zu decken, ist Deutschland – als Hochtechnologie-Standort ohne eigene Lithiumproduktion – bisher jedoch ausschließlich auf Importe angewiesen.
Vielversprechende Lithium-Potenziale in Deutschland
Forschungsteams arbeiten daher an Möglichkeiten, Lithium auch im Inland zu gewinnen. Denn in einigen Regionen Deutschlands gibt es vielversprechende Potenziale für die Förderung des Rohstoffs aus dem tiefen Untergrund. So wurden im Norddeutschen Becken – einem großen Sedimentationsgebiet, das sich von England über Norddeutschland bis an die Ostgrenze Polens erstreckt – in einer Tiefe von ca. 4.500 Meter bis zu 350 Milligramm Lithiumgehalt pro Liter in heißen Tiefenwässern der Rotliegend Formation gemessen. Auch im Oberrheingraben – zwischen Basel und Frankfurt am Main – wurden mit bis zu 200 Milligramm pro Liter deutlich erhöhte Lithiumgehalte in hydrothermalen Fluiden festgestellt.
Einen erfolgversprechenden Ansatz, um diese Vorkommen in Zukunft zu nutzen, verfolgen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den Forschungsvorhaben UnLimited und Li+Fluids. Sie untersuchen, wie beim Planen und Ausbauen von Geothermieanlagen, zusätzlich zur Strom- und Wärmegewinnung auch die Produktion von Lithium berücksichtigt werden kann. Die Vorteile liegen auf der Hand: Zum einen ließe sich der Rohstoff – als Nebenprodukt der Strom- und Wärmeproduktion – klimaschonend und umweltfreundlich gewinnen und die Wirtschaftlichkeit der Geothermie durch die effizientere Nutzung des Thermalwassers erhöhen. Zum anderen würde die starke Abhängigkeit von Importen verringert.
Gesucht: Grundlagen für eine wirtschaftliche Lithiumproduktion
Im Verbundvorhaben UnLimited arbeiten Wissenschaftsteams unter Koordination der EnBW Energie Baden-Württemberg daran, wichtige Grundlagen für die Lithiumproduktion aus heißen Tiefenwässern in Deutschland zu schaffen. In verschiedenen Teilprojekten untersuchen und bewerten die Forschenden hierzu die standortspezifische und regionale Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit der Lithiumproduktion. Ihre Untersuchungen schließen das Norddeutsche Becken sowie den Oberrheingraben ein.
Ein Fokus in dem Vorhaben liegt auf der Auswahl geeigneter Adsorbentien, mit denen das Lithium aus den Thermalwässern gewonnen werden kann. Adsorbentien sind Stoffe, die aufgrund ihrer porösen Oberfläche dazu geeignet sind, bestimmte Komponenten aus Gasen oder flüssigen Mischungen zu binden. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entwickeln zu diesem Zweck ein auf einzelne Standorte zugeschnittenes Monitoringsystem für verschiedene, die Extraktion betreffende Indikatoren. Neben den stofflichen Eigenschaften interessieren sich die Forschenden auch dafür, wie die Adsorbtionsmaterialien umweltverträglich hergestellt, verwendet und später entsorgt beziehungsweise recycelt werden können.
Am Geothermiekraftwerk Bruchsal – zwischen Karlsruhe und Heidelberg im Oberrheingraben – werden die Adsorbentien, die sich besonders für die Lithiumextraktion eignen, schließlich in der Praxis getestet. Hierzu nutzen die Forschenden eine Pilotanlage, die an das Kraftwerk – mit dem die EnBW bereits Strom und Wärme erzeugt – angeschlossen ist.
Entscheidungshilfe beim Planen von Geothermieanlagen
Auch im Verbundvorhaben Li+Fluids beschäftigen sich Forschende mit der Lithiumproduktion an Geothermieanlagen. Sie erstellen unter Koordination der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) eine umfassende Studie zu den Potenzialen der Lithiumgewinnung aus hydrothermalen Fluiden in Deutschland. Die Ergebnisse sollen dazu beitragen, eine Strategie zu entwickeln, die zukünftig als Entscheidungshilfe beim Planen von Geothermieanlagen mit Strom- und Wärmeproduktion sowie zusätzlicher Rohstoffgewinnung dienen kann.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchen insbesondere mehrere Standorte im Norddeutschen Becken, an denen bereits Geothermieanlagen betrieben werden oder der Betrieb aus geologischer Sicht in Zukunft sinnvoll erscheint. Ziel ist es, ein Verfahren zu entwickeln, mit dem Lithiumvorkommen systematisch und flächendeckend bewertet werden können. Die gewonnenen Daten sollen künftig zur Standortauswahl genutzt werden. Neben der Geologie betrachten die Forschungsteams dabei insbesondere die ökologischen und ökonomischen Aspekte der Lithiumförderung. Auch bewerten sie die Nachhaltigkeit der Produktion an den Forschungsstandorten im Vergleich zur konventionellen Lithiumgewinnung.
Am Standort Horstberg – zwischen Celle und Uelzen – geht es dann in die Praxis. Dort nutzen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine Forschungsbohrung der BGR, um in ersten technischen Versuchen Lithium in Norddeutschen Becken abzutrennen.
Projektübergreifende Kooperation
Um die Lithiumproduktion an deutschen Geothermieanlagen effektiv voranzutreiben, arbeiten die Wissenschaftsteams von UnLimited und Li+Fluids darüber hinaus eng zusammen. Bereits in der Vorbereitung der Projekte tauschten sich die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler intensiv aus. In Statusseminaren und Workshops präsentieren sie regelmäßig die erzielten Ergebnisse und diskutieren diese projektübergreifend mit ihren Kolleginnen und Kollegen. (lh)