Photovoltaik
Perowskit/Silizium-Tandemsolarzellen auf dem Weg vom Labor in die Produktion
Eine am Helmholtz Zentrum Berlin (HZB) errichtete Clusteranlage ermöglicht Wafer mit Perowskit/Silizium-Tandemsolarzellen im Vakuum herzustellen; ausreichend groß, um eine industrielle Produktion abzubilden. Diese weltweit einzigartige Anlage trägt dazu bei, neue industrienahe Prozesse, Materialien und Solarzellen zu entwickeln.
Mit einem Anteil von 92 Prozent dominieren Siliziumsolarzellen weltweit den Photovoltaikmarkt. Momentan erreichen industriell hergestellte Zellen Wirkungsgrade zwischen 22 und 24 Prozent. Diesen Wert weiter zu steigern, erfordert technisch sehr aufwändige Prozesse. Hinzu kommt, dass das theoretisch und technisch realisierbare Maximum bei etwa 26 bis 27 Prozent liegt. Es ist also an der Zeit, Ausschau nach weiteren massenmarkttauglichen Alternativen zu halten, um geringere Stromerzeugungskosten zu erzielen. Eine vielversprechende Technik sind sogenannte Tandemsolarzellen. Diese bestehen aus zwei übereinander angeordneten Solarzellen, die aus unterschiedlichen Halbleitermaterialien bestehen, beispielsweise aus Metallhalogenid-Perowskit und Silizium.
Perowskit-Tandemsolarzellen: vielversprechende Technologie auf der Roadmap für die Photovoltaik der Zukunft
Seit 2008 ist die Materialklasse der „Metallhalogenid-Perowskite“, kurz Perowskit, in den Fokus vieler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gerückt. Diese Halbleiterverbindungen lassen sich ideal mit Silizium-Solarzellen zu Tandemzellen kombinieren. Die Perowskit-Solarzelle wandelt vor allem das kurzwellige Licht und die Siliziumzelle das langwellige Licht im roten und nahen infraroten Bereich in Strom um. Daher ergänzen sich diese Materialien und können zusammen das Lichtspektrum effizienter nutzen. Sie lassen sich mit unterschiedlichen Prozessen, beispielsweise nasschemisch oder wie hier, mit einer Vakuumbedampfungsanlage, relativ einfach und kostengünstig herstellen. Deshalb könnten sich Perowskit-Tandemzellen für einen künftigen Massemarkt und den Ersatz von Siliziumzellen sehr gut eignen.
Mit Perowskit-Tandemzellen ist es innerhalb weniger Jahre gelungen, den Wirkungsgrad deutlich über jenen von Siliziumzellen zu steigern. Im November 2021 haben Wissenschaftsteams vom HZB mit einer komplett in-house hergestellten Laborzelle einen offiziell zertifizierten Welt-Rekordwert von 29,8 Prozent erreicht. Das zeigt, die 30-Prozent-Marke rückt in greifbare Nähe.
Neue Beschichtungsanlage steht für industrienahe Forschung bereit
Ziel der Wissenschaftsteams in den Vorhaben Koala und Koala+ ist es, die Lücke zwischen Forschung und Industrie zu schließen. Dazu haben sie eine neue Anlagentechnologie aufgebaut, um industrieartige Perowskit/Silizium-Tandemsolarzellen mit einem Wirkungsgrad von zunächst 26 Prozent zu entwickeln und herzustellen. Die weltweit einmalige Vakuum-Verdampfungsanlage (technologisch umgesetzt mit den Industriepartnern: Von Ardenne und MBraun/CreaPhys) dampft die aus verschiedenen Materialien bestehende Perowskitabsorberschicht gleichzeitig aus vier oder mehr Quellen homogen und vollflächig auf Siliziumwafer auf. Alle weiteren Kontaktschichten werden in eigenen Prozess-Kammern entwickelt. Das Besondere: Alle Prozesse laufen vollautomatisch und reproduzierbar innerhalb der Anlage - ohne Vakuumbruch - ab. Zudem erlaubt die Clusteranlage, Tandemsolarzellen auf produktionsüblichen Wafergrößen herzustellen und damit die Prozesse vom Labor auf Industriemaßstab zu skalieren. So besteht für Hersteller die einmalige Gelegenheit, gemeinsam mit dem HZB Tandemzellen mit industrieartigen Methoden und Prozessen zu entwickeln, basierend auf Silizum (Bottom) Zellen.
„Tandem-Solarzellen mit Perowskiten sind momentan die attraktivste für den künftigen Photovoltaik-Massenmarkt verfügbare Technologie. Bis es soweit ist, gilt es weitere Untersuchungen durchzuführen, um die Kenntnisse insbesondere hinsichtlich Skalierbarkeit, Stabilität und Umweltverträglichkeit von Perowskiten voranzubringen“, so Professor Bernd Stannowski, der das Koala Projekt HZB leitet. „Perowskite sind gegenüber hohen Temperaturen, Feuchtigkeit und UV-Strahlung sehr empfindlich. Zudem enthalten die für Tandemzellen einsetzbaren Perowskite geringe Mengen giftiges Blei, welches nicht in die Umwelt gelangen darf“ erläutert Stannowski weiter. Dazu müssen die Module sicher verkapselt und entsprechende Recyclingverfahren entwickelt werden. Hierzu laufen am HZB intensive Forschungsarbeiten.
Zusammen mit den bereits bestehenden Referenzlinien für Silizium-Heterojunction und CIGS-Solarzellen am Photovoltaik Kompetenzzentrum (PVcomB) verfügt das HZB nun über eine weitere Anlage, um großflächige Tandemsolarzellen zu entwickeln und die Technologie in die Industrie zu transferieren. (mm)