Windenergie
Start-up flucto bedient Nische bei Offshore-Installationen
Die Bewegungen von Wind und Wellen sind herausfordernd, wenn es darum geht, riesige Offshore-Windenergieanlagen zu installieren. Die richtigen Zeitfenster zu kennen, um die gigantischen Rotorblätter an der Gondel anzubringen, spart somit hohe Kosten. Hier setzt flucto an.
Diesen Sommer waren die jungen Unternehmer Aljoscha Sander und Andreas Haselsteiner für ihre ersten Kunden in Taiwan. Dort haben sie den Bau eines Offshore-Windparks für Praxistests zu ihrem eingeworbenen Auftrag genutzt - der Auftraggeber: ein deutsches mittelständisches Maschinenbauunternehmen. Mit dabei hatten sie ihr Produkt, ein kleines robustes Messsystem. Die wasserdichte Box sammelt zuverlässig Daten zu den Umgebungsbedingungen - zu Wetter, Wellen und sämtlichen Bewegungen der Anlage. "Das Kernziel unserer Ausgründung ist es, ein System bereitzustellen, das dieses sehr komplexe Unterfangen einer Offshore-Windpark-Installation live vermessen und analysieren kann", berichtet Sander. Damit man ein aktuelles digitales Lagebild der laufenden Installation habe. In der Praxis sei man davon momentan noch weit entfernt: Bisher werde diese Arbeit von Menschen erledigt, die die Informationen per Funk weitergeben, um die Daten dann in Tabellen einzutragen.
System quantifiziert Erfahrungswerte und hilft beim Einparken
Das Messsystem, das flucto vertreibt, hat zwei Kompetenzen: Zum einen soll es Operationen überwachen und warnen, bevor es zu Unfällen kommt. Sander: "Das funktioniert dann wie eine Art Einparkassistent." Zum anderen soll das System dabei helfen, Erfahrungswerte zu quantifizieren. Was genau zum Beispiel mit dem Turm passiert, wenn die Wellen aus Südost kommen und der Wind eine bestimmte Stärke hat. Diese Daten müssten für jeden Park neu erhoben und für die jeweils ganz spezifische Installation genutzt werden - zu groß sind die Unterschiede zwischen den verschiedenen Standorten und Vorgehensweisen. Damit könnten Windparkbauer jedoch besser planen und kostbare Zeit einsparen: Ein Tag Installation auf See kostet rund 300.000 Euro. Egal, ob die Arbeiten voranschreiten oder pausieren.
Bildergalerie: Das Messsystem damals und heute
Daten und Messsystem als Open Source von Universitäten genutzt
Seinen Ursprung hat flucto an der Universität Bremen. Innerhalb des Forschungsprojekts SKILLS entstand der Bedarf an einem robusten Messsystem, das so auf dem Markt nicht existierte. Sander und Haselsteiner haben daher aus einfachen Sensoren, wasserdichten Boxen und Bleigelbatterien ein System entwickelt, das bei SKILLS erfolgreich offshore im Einsatz war. Schließlich entstand daraus eine groß angelegte Messkampagne, deren Daten der Forschungslandschaft frei zugänglich sind. Auch das Messsystem selbst wird von Universitäten weiterhin genutzt - als Open Source. Unter anderem kommt es im aktuellen Forschungsprojekt REFINE zum Einsatz, um die Schwingungen der Türme von Nordex-Windenergieanlagen an Land zu analysieren.
Das Start-up flucto konzentriert sich hingegen weiter auf das Offshore-Geschäft. Im November 2020 kam es zur Ausgründung. Seitdem haben die beiden Wissenschaftler ihre Hardware weiterentwickelt. "Das ist eine einfache, kleine, schuhkartongroße Messbox mit Magnet-Füßen, die Sie in den Windenergieanlagen extrem schnell und einfach positionieren können", beschreibt Sander das Design. Das Display ist vergleichbar mit dem eines E-Book-Readers, aus Stromspargründen. Die Box hat eine Batterielaufzeit von einer Woche, verfügt über einen wasserdichten Stromanschluss und wiegt 1,5 Kilogramm. Für Unternehmen könne sich die Anschaffung in jedem Fall lohnen, meint Sander: "Die Offshore-Anlagen werden mit jeder Generation immer größer. Und sie kommen auch in schwierigere Standorte, wo es ungünstigeren Seegang und weniger geeignete Wetterfenster gibt. Darum werden die Installationen einfach mehr und mehr zum absoluten Bottleneck für die Offshore-Industrie." (mb)