Bestand in Deutschland statistisch erfasst
Datenbank schließt Wissenslücke über Nichtwohngebäude
Vom einfachen Lager bis zum hochautomatisierten Industriegebäude: Unter dem Begriff Nichtwohngebäude sammeln sich verschiedenste Gebäudearten. Doch wie viele davon gibt es überhaupt? In welchem Zustand sind sie? Und wie hoch ist deren Energieverbrauch? Antworten liefert ab sofort eine neue Datenbank, von der Wirtschaft, Wissenschaft und Politik profitieren können.
Neu, erstmalig, einzigartig: Diese Superlative verbindet man in der Regel nicht mit trockener Statistik. Doch im Fall der „Forschungsdatenbank Nichtwohngebäude“ treffen sie alle zu. Die Forschenden im Projekt DataNWG haben es geschafft, den Bestand an Nichtwohngebäuden in Deutschland in einheitlicher Weise und als repräsentative Stichprobe zu erfassen. „Es gab bisher keine hinreichend validen Daten über die Nichtwohngebäude (NWG) in Deutschland, etwa über deren Anzahl, Größe, Baualter oder Zustand. Es fehlt eine amtliche Statistik zu diesen sogenannten Strukturdaten. Angesichts der mutmaßlich großen volkswirtschaftlichen Bedeutung dieses Sektors, ist das erstaunlich. Die Datenbank ENOB:dataNWG wird zum ersten Mal statistisch valide Angaben machen können“, erklärt der Verbundkoordinator Micheal Hörner vom Institut Wohnen und Umwelt in Darmstadt IWU (hier geht es zum kompletten Interview).
In Deutschland gibt es insgesamt rund 21 Millionen Nichtwohngebäude, die die Wissenschaftsteams im Forschungsprojekt DataNWG nun repräsentativ erfasst haben. Mit der Datenbank lässt sich unter anderem nach beheizten und gekühlten Nichtwohngebäuden, die in vollem Umfang unter das Gebäude-Energie-Gesetz (GEG) fallen, differenzieren. Das GEG dient dazu, die Einsparung von Energie und die Nutzung erneuerbarer Energien zur Wärme- und Kälteerzeugung in Gebäuden zu regeln. Hierunter fallen in Deutschland rund zwei Millionen Nichtwohngebäude.
Trotz hoher Bautätigkeit nur geringe Modernisierungsrate
Mehr als ein Drittel der erfassten Nichtwohngebäude in Deutschland sind Produktions-, Werkstatt-, Lager- oder Betriebsgebäude. Demgegenüber stehen sogenannte Dienstleistungsgebäude: Sie umfassen etwa Büro-, Verwaltungs- oder Amtsgebäude (rund 12 Prozent) sowie Schulen, Kindertagesstätten und sonstige Betreuungsgebäude (rund fünf Prozent). Bei den NWG überwiegen mit rund 58 Prozent die Altbauten, die 1978 oder früher, also vor der 1. Wärmeschutzverordnung, erbaut wurden.
Ein erster Blick auf die energetische Qualität stimmt zunächst positiv: So haben 40 Prozent aller Außenwandflächen von NWG bereits Wärmedämmschichten. Dieser Wert ist fast genauso hoch wie der von Wohngebäuden. Allerdings ist dies nicht ausreichend: „Die Dämmrate bei den Altbauten liegt aber nur bei etwa 0,9 Prozent der Außenwandflächen pro Jahr. Eine deutliche Erhöhung erscheint notwendig, um die Klimaschutzziele im Gebäudebereich zu erreichen“, so Hörner. Es finde zwar insgesamt eine hohe Bautätigkeit an den Außenwänden statt. Diese werden angestrichen, verputzt, verkleidet, allerdings nur in geringem Maße mit Dämmung nach modernem Standard versehen.
Schaut man hinter die Fassade, zeigt sich: Bei über 83 Prozent der Nichtwohngebäude werden nach wie vor Heizkessel mit Brennstoffen genutzt, um Wärme zu erzeugen. Die Anzahl von elektrischen Wärmepumpen im Neubau ist auffallend gering und liegt deutlich unter der von Wohngebäuden. „Der Energieträgerwechsel zwischen 2010 und 2014, weg von fossilen Brennstoffen, war für eine erfolgreiche Wärmewende unzureichend“, so der Projektkoordinator Hörner. Die Erkenntnisse aus DataNWG können nun dazu beitragen, dies zu ändern.
Daten helfen, Entscheidungen für die Zukunft zu treffen
Die Untersuchungen aus DataNWG liefern einen riesigen Datenschatz. Doch wer profitiert davon? „Die Daten werden für die Energie- und Gebäudeforschung, für die Einschätzung von Marktchancen in der Bau- und Immobilienwirtschaft beziehungsweise im Maschinen- und Anlagenbau und bei Entscheidungen in Wirtschafts-, Klimaschutz- und Energiepolitik wichtige Beiträge leisten“, so Hörner im Interview.
Wie dies konkret aussehen kann, erklärte Christian Stolte von der Deutschen Energie-Agentur auf der Abschlusstagung "Forschungsdatenbank Nichtwohngebäude" (hier gelangen Sie zum Videomitschnitt der Veranstaltung sowie weiteren Informationen). So kann zum Beispiel durch den Fokus auf Regionen und NWG-Gebäudetypologien eine gezieltere Förderung erfolgen. Dies können Anreize für Schulen und Hochschulen zur Installation von raumlufttechnischen (RLT) Anlagen sein oder zur Optimierung von RLT-Anlagen in Bürogebäuden, Gastronomie und Produktionsgebäuden. Weiterhin können auf bestimmte Eigentümergruppen zugeschnittene Maßnahmen durchgeführt werden. So ist es unter anderem möglich, nutzbare Photovoltaik-Potenziale auf Dach und Fassade zu ermitteln.
Neben Wirtschaft und Wissenschaft profitiert auch die Politik von der neuen „Forschungsdatenbank Nichtwohngebäude“. Denn das Tool kann als Basis genutzt werden, um Trends zu identifizieren und Szenarien zu entwickeln. Eine fundierte Datenbasis kann bei politischen Entscheidungen hilfreich sein. Auch müssen die Klimaschutzziele ein regelmäßiges Monitoring durchlaufen. Mit der neuen Datenbank kann nun geprüft werden, ob der Bestand an Nicht-Wohngebäuden beim Klimaschutz auf Kurs ist und bleibt.
Zugriff auf die Datenbank
Interessierte Kreise aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik können ab sofort auf die Ergebnisse der Erhebungen zugreifen und tabellarische Auswertungen erstellen. Dabei gibt es drei Optionen: Fernrechnen via Tabellenkonfigurator des Instituts für Wohnen und Umwelt (IWU), Fernrechnen via R-Skript oder über einen Zugang als GastwissenschaftlerIn am IWU. Nähere Informationen finden Sie auf der Homepage des IWU. (bs)