
Künstliche Intelligenz in der Glasindustrie
Hochauflösende Kamera macht Nickelsulfide im Glas sichtbar
Spontanbrüche im Einscheibensicherheitsglas (ESG) entstehen durch eingeschlossene Nickelsulfide, die bisher über energieintensive Heißlagerungstest ausgeschlossen werden. Dieses Verfahren könnte bald von einem energieeffizienteren mit hochauflösender Kamera und Künstlicher Intelligenz abgelöst werden.
Im Forschungsprojekt ProDeNiSE will ein Forscherteam einen industriell einsetzbaren Demonstrator entwickeln und bauen, der in die Produktionskette integriert und modellhaft für die Glasindustrie erprobt wird. Er soll Glasscheiben scannen und die Nickelsulfideinschlüsse zuverlässig erkennbar machen.
So könnte der energie-, zeit- und kostenintensive Heißlagerungstest überflüssig werden. Das bedeutet: Bei einer Produktion von circa 16,6 Millionen Quadratmetern vorgespanntem Glas im Jahr könnten mit dem zu entwickelnden Detektionsverfahren etwa 57 Millionen Kilowattstunden Primärenergie eingespart werden.
Glasverarbeitung: bisheriger Heißlagerungstest ist energieintensiv
Zu den vorgespannten Gläser zählen Einscheibensicherheitsglas (ESG) und Teilvorgespanntes Glas (TVG): Sie sind bruchfester und damit sicherer als andere Glasvarianten. Wenn sie brechen, zerfallen sie in viele kleine, fast regelmäßige Glasstücke ohne scharfe Ränder. Deshalb werden sie zum Beispiel im Bau oder in der Automobilbranche eingesetzt.

Allerdings kommt es vor, dass vorgespannte Gläser spontan und ohne äußere Einwirkungen zerspringen. Das liegt an eingeschlossenen Nickelsulfiden, die schon vor der Herstellung zum vorgespannten Glas im Basisglas vorhanden sind. Sie können sich über längere Zeiträume ausdehnen und so in Sicherheitsgläsern lokale, innere Spannungen bis zum Bruch erzeugen.
Um die Nickelsulfideinschlüsse im Glas vorab zu erkennen, wird Sicherheitsglas über mehrere Stunden einem Heißlagerungstest bei Temperaturen zwischen 280 bis 320 Grad Celsius unterzogen. Sind entsprechende Nickelsulfide im Glaskörper, bricht die Scheibe und gelangt nicht in den Markt. Hier entstehen Mehrkosten für den Hersteller, denn die Scheiben müssen neu produziert werden. Scheiben, die den Heißlagerungstext überstehen heißen ESG-H. Bei ihnen ist das Restbruchrisiko sehr gering, aber nicht gleich Null.
Unterschied erkennen: Nickelsulfide oder andere Verunreinigungen

Im Forschungsprojekt ProDeNiSE setzen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein hochauflösendes Kamerasystem ein, das bei der Glasverarbeitung vor dem Vorspannprozess das Glas scannt. Die Aufnahmen werden ausgewertet, eingeschlossene Nickelsulfide erkannt und automatisiert ausgeschnitten.
Hier setzen die Forschenden auch Methoden der künstlichen Intelligenz (KI) beziehungsweise des maschinellen Lernens ein. Neben einer präzisen Tiefenbestimmung der Einschlüsse, sind vor allem das Unterscheiden von Nickelsulfid-Einschlüssen und anderen Verunreinigungen oder Luftblasen eine große Herausforderung.
Für das in der Entwicklung befindliche Verfahren bereitet das Forschungsteam eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ, National) und Europäisch Technische Bewertung (ETA, International) vor. Denn perspektivisch kann das Verfahren nur mit solchen Zulassungen im Markt eingesetzt und in der Produktion künftig auf den energieintensiven Heißlagerungstest verzichtet werden.
In den Bau des Demonstrators fließen die Ergebnisse der vorangegangenen Forschungsprojekts DeNiSE ein. (az)