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CO2-arme Energieversorgung
Leitfaden für Planung von Energienetzen erschienen

18.09.2019 | aktualisiert am: 20.11.2024

Energieversorger müssen die Energienetze der Zukunft langfristig planen. Forscher haben im Projekt HYPV deshalb einen Leitfaden erarbeitet, der den Weg für CO₂-arme Strom- und Wärmenetze aufzeigt. Er ermöglicht straßengenaue Zielvorgaben und Kostenprognosen.

Das Ziel ist klar: Um mindestens 80 Prozent sollen die deutschen CO2-Emissionen laut Klimaschutzplan der Regierung sinken. Um das bis 2050 zu erreichen, müssen die Energienetze in den Städten neu geplant werden. Wie genau, das haben sich Forscherinnen und Forscher im Projekt "HYPV" angeschaut – kurz für "Hybrides Planungsverfahren zur energieeffizienten Wärme- und Stromversorgung von städtischen Verteilnetzen".

Nun ist der Leitfaden zur strategischen Planung von städtischen Energienetzen erschienen. Damit endet das vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte Projekt, das sich mit wichtigen Fragen beschäftigte: Welche Versorgungskonzepte helfen, CO2-Ziele zu erreichen? Welche Stadtteile brauchen welche Technologie? Und für welche Übertragungsleistungen müssen die Wärme-, Gas- und Stromnetze in den jeweiligen Straßenabschnitten ausgelegt sein?

Antworten darauf lassen sich mit den Methoden finden, die HYPV entwickelt hat. Sie ermöglichen straßengenaue Zielvorgaben für den langfristigen Umbau der Versorgungsnetze, eine Aussage über Leistungs- und Energiebedarf in den Strom-, Gas- und Wärmeleitungen und damit auch eine Prognose der Netzkosten in den jeweiligen Straßenabschnitten.

Beschreibung des Bildinhalts © RZVN / HYPV
Ein Modell des Forschungsprojektes HYPV zeigt, wie Wärmenetze künftig gestaltet sein könnten: Fernwärme versorgt zentrale Wohnungen, Gas wird zu einer Lösung für entlegene Gebäude.

Denn die Optimierungsfrage stellt sich in allen Städten: Welche Kombination aus dezentralen Gebäudetechnologien, Strom-, Fernwärme- und Gasnetzen, Kraftwerken, Strom- und Gaserzeugungsanlagen ist nötig, um vorgegebene CO2-Ziele zu erreichen? Und das bei möglichst niedrigen gesamtwirtschaftlichen Kosten?

Passgenaue Energienetze für jede Stadt

Um diese umfassende Gleichung zu lösen, haben die Forscher von Universität Konstanz und Hochschule Konstanz unter der Federführung der Düsseldorfer Rechenzentrum für Versorgungsnetze Wehr GmbH (RZVN) nicht nur Modelle erstellt, sondern auch beispielhaft Daten aus drei Städten einfließen lassen: Aus Düsseldorf, Konstanz und Sindelfingen. "Natürlich brauchen unterschiedliche Städte unterschiedliche Konzepte – aber vielerorts gibt es Möglichkeiten, die Emissionen sehr günstig zu senken", erklärt RZVN-Geschäftsführer Dr. Piet Hensel.

Trotz der sehr unterschiedlichen Größe der drei untersuchten Städte zeigte sich: Es gibt Ergebnisse, die sich auf die meisten deutschen Städte anwenden lassen. Denn die Verteilung und die Häufigkeit der Wärmebedarfsdichten, bezogen auf die Stadtflächen, sind relativ ähnlich. "Dies könnte als Basis für eine Übertragung der Erkenntnisse aus dieser Studie auf andere Städte genutzt werden", schreiben die Autoren des Leitfadens.

Energie sparen mit optimalen Technologiekombinationen

"Wir wollen Stadtwerken dabei helfen, langfristige Investitionen besser planen zu können", erklärt Hensel. "Investitionen in die Energienetze tätigt man manchmal für 50 - 100 Jahre. In dieser Zeit können sich aber politische Wünsche und ökonomische Faktoren ändern." Als Beispiel nennt Hensel Erdgasheizungen, die zwar aktuell sehr günstig sind, aber langfristig nicht mit den Klimazielen vereinbar.

Die Forscher entwickelten deshalb Methoden zur Modellierung von Energienetzen, mit denen der Umfang der Energieeinsparung, die Kombination dezentraler Strom- und Wärmeerzeugung und auch die Netzdimensionierung bestimmt werden können. Und das in Abhängigkeit vom CO2-Einsparpotenzial.

Testrechnungen zu einzelnen Stadtteilen zeigen, dass es durchaus günstige Technologiekombinationen gibt, die auch ambitionierte Klimaziele erreichbar machen. Ob es sich dabei um Photovoltaik, Solarthermie, Blockheizkraftwerke, Wärmepumpen oder Fernwärme handelt, hängt von den Zielen, aber auch von der Besiedelung ab.

Eine hohe Wärmebedarfsdichte und gleichzeitig verschärften Anforderungen im Gebäudebestand könnten zum Beispiel gerade in Innenstädten der Fernwärme den Weg ebnen. Das Szenario für einen solchen Stadtteil in Konstanz zeigt, dass eine CO2-Reduzierung von 80 Prozent die jährlichen Energiekosten nur um zwei Prozent anhebt, wenn die Stadtplaner auf Fernwärme setzen. Dezentrale Wärmepumpen als Energiequelle würden die Jahreskosten hingegen um 13,6 Prozent steigen lassen. Beides gilt allerdings nur nach Umsetzung der Dämmungspotenziale.

Langfristige Investitionen in Netze

Patentrezepte für jede Stadt kann Hensel nicht versprechen, da gerade in der Wärmeversorgung lokal Lösungen notwendig sind. Beispiele seien etwa die Nutzung lokaler Abwärmequellen und Umweltwärme. Da aber alle Netzbetreiber und städtischen Versorgungsunternehmen ihre Emissionen deutlich senken müssen, stehen Änderungen in der Vertriebs- und Netzstrategie an. Ohne Zielnetzplanungen können Fehlinvestitionen in den Anlagen der Kunden und in ihren Netzen entstehen.

"Wir richten uns aber auch an Politiker, die die Rahmenbedingungen für die Versorger schaffen", erklärt Hensel. Politiker können die Privatwirtschaft einbinden, auf anderen Wegen mit den Bürgern kommunizieren – und am Ende auch beispielsweise einen Anschlusszwang durchsetzen. Ein positives Beispiel hierfür sei die Schweiz, welche die Kommunen verpflichtet, lokale Energie- und Klimakonzepte zu erarbeiten.

Leitfaden für Stadtwerke und Politik

Die Planungs- und Optimierungsmethoden des HYPV-Leitfadens liefern kostenoptimierte Vorschläge für die zukünftige Wärme- und Stromerzeugung in städtischen Versorgungsgebieten mit den zugehörigen Ausbauoptionen und Belastungen der Strom-, Gas- und Wärmenetze. Das macht sie zur Grundlage für eine darauf aufbauende detaillierte Zielnetzplanung der Netze.

Den Leitfaden können Sie hier herunterladen.