Die Ingenieurinnen und Ingenieure bereiten die Versuchsanlage des NEMOS-Wellenkraftwerks im Hafen von Ostende auf die Versuche vor. © NEMOS
Die Ingenieurinnen und Ingenieure bereiten die Versuchsanlage des NEMOS-Wellenkraftwerks im Hafen von Ostende auf die Versuche vor.

Wasserkraft und Meeresenergie
Innovatives Wellenkraftwerk in der Nordsee getestet

30.10.2019 | Aktualisiert am: 13.11.2024

Das Wellenkraftwerk NEMOS produziert mitten im Meer Strom. Es ist die erste Anlage, die technisch und wirtschaftlich erfolgreich abschneiden soll.

Vom Prototyp des Wellenkraftwerks NEMOS ist nur der 2 mal 8 Meter große Schwimmkörper sichtbar. Dessen Funktion wird aktuell im belgischen Ostende auf die Probe gestellt. Der Schwimmkörper ist einer von zwei Hauptkomponenten der Anlage. Er ist mit Flachriemen aus Stahlseilen in einer Kunststoffmatrix an einer ebenfalls freischwimmenden Untergrundstruktur befestigt – letztere 16 Meter lang. Beide Elemente werden per Anker an Ort und Stelle gehalten. Durch die Wellen bewegt sich der Schwimmkörper stärker als das untere, vergleichsweise träge Element. Die Flachriemen sind mit einer Feder vorgespannt. Damit übertragen sie diese relative Bewegung auf den Generator, der dadurch Strom produziert. Ein einfaches System, das erfolgversprechend ist. Als erstes Wellenkraftwerk könnte dieses zukünftig auch wirtschaftlich erfolgreich sein.

NEMOS – Wellenenergieanlage mit großem Potenzial

„Die freischwimmende Anlage hat sich als die beste Lösung herausgestellt – nicht nur wirtschaftlich, auch technisch“, berichtet Dr. Alexander Martha, Betriebsleiter des gleichnamigen Unternehmens NEMOS, von den Ergebnissen des dazugehörigen Forschungsprojekts. So seien etwa die Lasten, die durch das Meer auf die Untergrundstruktur einwirken, geringer als bei einem festen Einbau. Auch seien Installation und Wartung des Wellenkraftwerks deutlich einfacher – und somit günstiger. Das vom BMWi geförderte Projekt mit dem Kurztitel NEMOS geht mit dem Praxistest der Großanlage im offenen Meer seinem Ende entgegen. Seit 2012 hat das Unternehmen gemeinsam mit Projektpartnern aus Forschung und Industrie das innovative Kraftwerkskonzept entwickelt und praxistauglich gemacht. Zigfache Tests im Wellenkanal oder auch Tests kleinerer Anlagen in offenen Gewässern gingen dem Versuch mit der Großanlage voraus.

Das Wellenkraftwerk besteht aus Schwimmkörper und Untergrundstruktur, die durch Flachriemen miteinander verbunden sind. © NEMOS
Das Wellenkraftwerk besteht aus Schwimmkörper und Untergrundstruktur, die durch Flachriemen miteinander verbunden sind.

Nun liegt der Prototyp des Wellenkraftwerks 500 Meter von der Hafeneinfahrt Ostendes entfernt im Wasser, das Meer ist dort circa 9 Meter tief. Der erste Monat Testbetrieb ist überstanden, die Ergebnisse entsprechen den Erwartungen. „Die ersten Wochen prüfen wir zunächst das grundsätzliche Verhalten von Anlage und Einzelkomponenten“, berichtet Martha. Je nach Wetterlage werde Woche für Woche entschieden, die Anlage ins Wasser zu setzen. Einzelne Testphasen dauern zwischen drei und fünf Tagen. Ans Stromnetz angeschlossen ist das Kraftwerk noch nicht. In den kommenden Monaten werten die Ingenieurinnen und Ingenieure von NEMOS die Ergebnisse der Nordseeversuche aus. Parallel entwickeln sie die für die Großanlage erforderlichen Komponenten weiter. Ziel der Arbeiten ist der vollmaßstäbliche Prototyp mit Netzanschluss.

Kraftwerkparks aus mindestens 16 Einzelanlagen

Einsatzort der Technologie wird auf Dauer wahrscheinlich nicht die Nordsee sein. Zu groß ist der Unterschied zwischen normalem Wellengang und extremen Wetterlagen mit entsprechend hohen Wellen. Die Anlage müsse dafür unverhältnismäßig robust dimensioniert werden, was nur begrenzt wirtschaftlich sei, so Martha. Atlantik und Pazifik kommen infrage, konkret bieten die Küste Portugals oder die Kanaren passende Bedingungen. Die dann gebauten Anlagen sollen vier Mal so groß sein wie der nun getestete Prototyp. Zudem sollen die Kraftwerke in Parks von mindestens 16 Einzelanlagen an das Netz angeschlossen werden. „Wir denken hier im Megawattbereich, vergleichbar zu den Windparks der Offshore-Industrie“, so Martha.