Der Solarturm Jülich des Deutschen Zentrums für Luft und Raumfahrt. © DLR (CC-BY 3.0)
Der Solarturm Jülich des Deutschen Zentrums für Luft und Raumfahrt.

Solarthermische Kraftwerke
10 Jahre Forschung am Solarturm Jülich

28.08.2019 | Aktualisiert am: 13.11.2024

Anders als in kommerziell betriebenen solarthermischen Kraftwerken ist die Stromproduktion am Solarturm Jülich nicht das zentrale Anliegen.

Im August 2009 wurde der Solarturm Jülich offiziell eingeweiht, seit 2011 wird er vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) als Versuchskraftwerk betrieben. Was den Turm auszeichnet, ist dass er komplett in der Hand einer Forschungseinrichtung ist: „Das bedeutet, dass wir Zugriff auf alle Komponenten des Kraftwerks haben – das Heliostatfeld, den Receiver, die Kraftwerkstechnik, den Wärmespeicher sowie die Steuerungssysteme“, so Felix Göhring, der die Anlage als Verantwortlicher beim DLR betreut. So können die Forschenden an allen Stellen des Kraftwerks, an denen es etwas zu optimieren gibt, tätig werden. Dabei kann anders als in den kommerziellen Anlagen eine Forschungsebene auf halber Höhe des Turms genutzt werden, die ausschließlich für Experimente zur Verfügung steht.

Zum Betrieb des Kraftwerks wird das Sonnenlicht über die so genannten Heliostate, Spiegel die der Sonnenbewegung nachgeführt werden, gebündelt. Anschließend wird das konzentrierte Licht auf den Receiver, das ist der Strahlungsempfänger an der Spitze des Turms, geworfen. Dort wird es in Wärme umgewandelt. Mit der so gewonnenen Wärme wird dann in einem Kessel Dampf erzeugt und eine Turbine angetrieben. Mithilfe eines Generators wird schließlich Strom erzeugt. Überschüssige Wärme kann in einen Wärmespeicher abgegeben werden. Bei geringerer Sonneneinstrahlung, etwa wenn eine Wolke vorbeizieht, kann die gespeicherte Wärme wieder in den Kessel eingespeist werden. So kann das Kraftwerk ohne Unterbrechung betrieben werden.

Forschungsschwerpunkt Receivertechnologie

In der Forschung wurde in den vergangenen Jahren am Solarturm Jülich unter anderem ein Fokus auf die Verbesserung der Technologie des Luftreceivers gelegt, die auch Gegenstand des aktuell laufenden Projekts VORWAiRTS ist. Von dieser Technologie, die im Gegensatz zu Receivern mit Dampf- und Salzschmelze noch nicht kommerziell im Einsatz ist, versprechen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler insbesondere hohe Prozesstemperaturen und Wirkungsgrade.

Neben der Weiterentwicklung des Luftreceivers wird in Jülich auch in vielen anderen Bereichen geforscht. So konnte zum Beispiel mit einer Temperatur von 900 Grad bei einem getesteten Partikelreceiver ein Meilenstein erreicht werden. Zum Vergleich: In kommerziell betriebenen Kraftwerken, die in der Regel mit Salzschmelzereceivern arbeiten, werden Temperaturen um die 560 Grad erreicht. Neben dem verbesserten Wirkungsgrad sind die hohen Temperaturen insbesondere für die solare Verfahrenstechnik, etwa die solare Brennstofferzeugung, von großer Bedeutung.

Technologie für die Exportmärkte

Auch für die Industrie ist der Turm wichtig. So liegt den Projekten in der Regel ein konkretes Interesse eines Industriepartners zugrunde. „Der Turm ist eine Art Keimzelle, um den sich ein ganzer Standort entwickelt hat“, so Göhring. Das zeigt sich auch in zahlreichen Ausgründungen aus dem Institut, die sich beispielsweise auf Steuerungssysteme, die Vermarktung einzelner Komponenten oder Messtechnik spezialisiert haben.

Dabei wird die Technologie, die am Standort Jülich entwickelt wird, in Deutschland aufgrund der geringen jährlichen Sonneneinstrahlung nie kommerziell Anwendung finden. „Erst südlich des 35. Breitengrads wird es wirklich interessant“, erklärt Peter Schwarzbözl, der sich beim DLR mit der Technologie des Luftreceivers befasst. Kommerzielle Anlagen finden sich deswegen beispielsweise in Marokko, China, den USA oder Chile. Zwar sind die Lieferanteile von deutschen Firmen für solarthermische Kraftwerke im Ausland bereits heute sehr hoch, der potenzielle Lieferanteil könnte aber bei nahezu 100 Prozent liegen. „Das heißt, man könnte mit deutscher Technik ein komplettes Kraftwerk bauen“, so Schwarzbözl. Die Technologien, die in Jülich gemeinsam mit der Industrie entwickelt werden, sind daher nicht zuletzt auch potenzielle Exportartikel.

Voraussetzungen für mehr Forschung schaffen

Für die Zukunft erwarten die Verantwortlichen weitere spannende Forschungsthemen am Standort. Neben der schon laufenden Weiterentwicklung einzelner Komponenten, wie etwa der Heliostate und der weiteren Erforschung der verschiedenen Receivertechnologien, erhoffen sich die Wissenschaftler  in Zukunft auch Fortschritte beim Herstellen von grünen Treibstoffen, wie solar erzeugtem Wasserstoff für den Straßenverkehr oder solarem Kerosin für die Luftfahrt. Auch soll am Standort Jülich in den kommenden Jahren mit intelligenten Steuerungssystemen ein weitestgehend automatisiertes Solarkraftwerk demonstriert werden.

Um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, wird der Standort aktuell um einen zweiten Turm, den sogenannten Multifokusturm, erweitert. Dieser wird drei zusätzliche Versuchsebenen umfassen, anders als der alte Turm aber keine Kraftwerkstechnik zur Stromerzeugung enthalten. Damit wird es möglich, deutlich mehr wissenschaftliche Experimente – auch parallel – durchzuführen und in Zukunft durchgängiger zu arbeiten und die verfügbare Solarstrahlung noch besser zu nutzen.

Speicher für stabile Energieversorgung

Für die nachhaltige Energieversorgung der Zukunft sehen die Beteiligten eine wichtige Rolle solarthermischer Kraftwerke. Ein großer Vorteil der Technologie ist die Speicherfähigkeit. So kann in Zeiten, in denen mehr Energie vorhanden ist als abgenommen wird, ein Wärmespeicher beladen werden. In Zeiten, in denen weniger Energie zur Verfügung steht, kann dieser dann wieder entladen werden. „Das ist technisch sehr gut umzusetzen und unterscheidet diese Technik deutlich von Windenergieanlagen und Photovoltaik, die zwar mittlerweile sehr kostengünstig sind aber stark fluktuieren mit dem Angebot von Sonne und Wind“, so Schwarzbözl. Anlagen wie die in Jülich haben wie Dampfkraftwerke richtige Turbinengeneratoren. Daher können sie gezielt die Last im Netz halten und so die gleichen Netzdienstleistungen anbieten wie beispielsweise ein Kohlekraftwerk.

Darüber hinaus wird es nach Ansicht der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Zukunft viele weitere Anwendungen für solarthermische Anlagen geben. Insbesondere in industriellen Prozessen, wie  in der Verfahrenstechnik zur chemischen Umwandlung bestimmter Stoffe, oder der direkten thermischen Nutzung, etwa für Trocknungsprozesse, könnten sie aufgrund der hohen erzeugten Temperaturen eine wichtige Rolle spielen.