Das DAWN-Heliostatenfeld, das die Sonnenstrahlung für die Produktion des synthetisches Kerosins in Jülich einfängt. © Synhelion
Das DAWN-Heliostatenfeld, das die Sonnenstrahlung für die Produktion des synthetisches Kerosins in Jülich einfängt.

Solarthermie
Weltweit erste industrielle Demonstrationsanlage für Solartreibstoff

Patrick Hilger Mission Energiesystem 2045

31.07.24 | Aktualisiert am: 29.10.2024
PATRICK HILGER IM INTERVIEW

In Jülich steht die weltweit erste industrielle Demonstrationsanlage für Kerosin, das mittels Sonnenenergie erzeugt wird. Warum gerade hier? Das erklärt Patrick Hilger, Geschäftsführer der Firma Synhelion Germany GmbH und Projektleiter des Forschungsvorhabens SolarFuels, im Interview.

Herr Hilger, Deutschland hat zwar sonnenreiche Tage, aber Länder wie Spanien oder Portugal haben davon erheblich mehr. Warum steht die Pilotanlage in Deutschland?

Wir haben in Jülich dieselbe Sonnenstrahlungsqualität, nur die Sonnendauer ist geringer. Für uns aber viel ausschlaggebender: Wir haben in Deutschland eine herausragende Förderlandschaft. Und wir haben hier vor Ort hervorragende Kooperationspartner. Die Fachhochschule Aachen und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt sitzen gerade um die Ecke. Das DLR hat zudem hier in Jülich einen Forschungsstandort, an dem wir unsere Technologie testen können. Und wir haben viele Industrieunternehmen und Gewerbebetriebe in der Umgebung, die uns bei Bedarf schnell und unkompliziert mit ihren Dienstleistungen unterstützen.

Auf dem DLR-Gelände am Multifokusturm Jülich haben Sie mehrere Monate Tests an Schlüsselkomponenten durchgeführt. Welche Erkenntnisse haben Sie dort gewonnen, die für den Aufbau und die Inbetriebnahme der Anlage wichtig waren?

Auf dem Multifokusturm des DLR hatten wir die Möglichkeit, unsere Kernkomponenten für die Herstellung von Solartreibstoffen auf einem bestehenden Solarturm in industrieller Größe gekoppelt zu testen. 2022 haben wir dann dort zum ersten Mal solares Synthesegas im industriellen Maßstab hergestellt. Dies stellte den letzten entscheidenden technischen Meilenstein für die industrielle Produktion von nachhaltigen Treibstoffen dar. So konnten wir wichtige Erkenntnisse für den Betrieb unserer eigenen Solartreibstoffanlage gewinnen.

Zur Produktion des solaren Kerosins wird Kohlenstoffdioxid benötigt. Woher werden Sie dieses beziehen?

Wir verwenden RED-II-zertifiziertes Rohbiogas als CO2-Quelle. Das Rohbiogas wird aus RED II-konformen biogenen Abfällen durch anaerobe Vergärung erzeugt. RED-II ist eine Nachhaltigkeitszertifizierung für Biomasseherstellung von der Europäischen Union. Für DAWN beziehen wir das Rohbiogas von lokalen Lieferanten. Es kommt in komprimierter Form als Biomethan und Bio-CO2 auf die Anlage.

Welche Synthesegasart produzieren Sie in Jülich?

In der Jülicher Anlage im Brainergy Park werden wir als Zwischenprodukt ein Synthesegas produzieren, eine Mischung aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid. Daraus stellen wir in der Fischer-Tropsch-Anlage ein synthetisches Rohöl her. Dieses wird als nachhaltiges Ausgangsprodukt an die Raffinerien geliefert und dort zu Kerosin, Diesel oder Benzin weiterverarbeitet.

Ihre Mutterfirma Synhelion mit Sitz in der Schweiz plant nach eigenem Bekunden, bis 2033 rund 1 Million Tonnen nachhaltige Solartreibstoffe zu produzieren.

Das ist richtig. Momentan nehmen wir unsere erste industrielle Demonstrationsanlage in Betrieb, um bald mit der Treibstoffproduktion zu starten. Ab 2025 startet der Bau der ersten kommerziellen Produktionsanlage in Spanien.

Gibt es mit Fluggesellschaften bereits Abnahme-Gespräche oder -Verträge?

Wir haben eine enge Zusammenarbeit mit der Lufthansa Group und ihrer Tochtergesellschaft Swiss. Diese unterstützen uns beispielsweise bei der Markteinführung unserer Solartreibstoffe. Die Swiss wird zudem die erste Airline sein, die unser Solarkerosin nutzen wird.

Haben Sie die Anlagentechnik patentieren lassen?

Der Gesamtansatz ist schwer patentierbar. Aber wir haben die einzelnen Schlüsseltechnologien, wie etwa unseren Receiver, weltweit patentieren lassen.

Das Interview führte Ilse Trautwein, Wissenschaftsjournalistin beim Projektträger Jülich.