Optimierung von raumlufttechnischen Anlagen
„Das ist keine Raketenwissenschaft“
Dr. Thomas Bernard Mission Stromwende 2045, Mission Transfer
Von etwa 10.000 untersuchten raumlufttechnischen (RLT) Anlagen werden über 90 Prozent nicht nach dem Energieeinspargesetz betrieben* – und verschwenden so unnötig Energie. Wie sich das ändern ließe, erklärt Dr. Thomas Bernard vom Fraunhofer IOSB. Tools und Leitfaden zum Thema sind jetzt online verfügbar.
Welche Konsequenzen hat es, wenn RLT-Anlagen nicht optimal eingestellt sind?
Bernard: Wir hatten im Projekt vier Demonstrator-Liegenschaften, und bei den von uns optimierten Altanlagen konnten wir den Energiebedarf für Strom im Durchschnitt um 30 Prozent reduzieren. In einer Liegenschaft ist es uns sogar gelungen, durch eine bedarfsgerechte Reduzierung des Zuluft-Volumenstroms 88 Prozent Energie einzusparen. Mit optimal eingestellten Anlagen lässt sich der Energieverbrauch also erheblich verringern. Das wirkt sich natürlich positiv auf die Kosten aus. Bei großen RLT-Anlagen liegen die Einsparungen sehr oft zwischen 10.000 Euro und 50.000 Euro pro Jahr.
Wenn solch hohe Energieeinsparungen möglich sind: Woran hakt es dann in der Praxis?
Oft fehlt es schlicht an Fachwissen, das Voraussetzung ist, um insbesondere große Altanlagen zu warten und richtig einzustellen. Dazu benötigen viele Betreiber wie Krankenhäuser, Verwaltungsgebäude oder Produktionsbetriebe externe Dienstleister, die wiederum Geld kosten und von denen es zu wenige am Markt gibt.
Was sind typische Fehlfunktionen in den Anlagen?
Die größten Hebel sind die Reduktion des Volumenstroms und die Anpassung der Anlage an die Betriebszeiten im Gebäude. So kann man den Außenluft-Volumenstrom zum Beispiel nachts beziehungsweise bei geringer Belegung herunterfahren und entsprechende Sollwerte reduzieren. Grundlegend ist natürlich auch, dass alle Ventilatoren und Antriebe gut funktionieren.
Energiekosten und Einsparpotenzial im Jahr durch Regelungsoptimierung nach DIN EN 15232/ISO 52120, Quelle: Fraunhofer IOSB
Welche Lösungen gibt es, damit auch „Laien“ Optimierungen vornehmen können?
Wir haben in unserem Forschungsprojekt RLT-Opt verschiedene Tools erarbeitet, die dabei unterstützen, die Anlagen energieeffizienter zu betreiben. Dies ist, gerade bei den einfacheren Tools, keine Raketenwissenschaft. Beispielsweise kann man hier zunächst die Nutzungsart der Räume definieren. So gibt es etwa für Werkstätten, Labore oder einen OP-Raum Lüftungsbedarfe, die in DIN-Normen festgelegt sind. Das Tool berechnet dann den notwendigen Gesamtvolumenstrom. Unsere Entwicklungen sind vor allem für Liegenschaften mit zentralen, großen Lüftungsanlagen interessant.
Angenommen, ich leite einen mittelständischen Produktionsbetrieb und möchte die von Ihnen entwickelten Tools anwenden. Was wären die ersten Schritte?
Zunächst beginnt man mit der Erstinspektion und der Erfassung der Anlagen. Dabei geht es darum zu klären, was die einzelnen Aggregate sind. Außerdem müssen die Luftaufbereitungsstufen, die Entfeuchtung, Befeuchtung, verschiedene Filteranlagen, Ventilatoren und so weiter erfasst werden. Schwachstellen und Einsparpotenziale werden identifiziert. Im nächsten Schritt werden dann mobile Messungen durchgeführt, um die Anlage im Betrieb zu testen. Spätestens hier braucht man die Zuarbeit der Mitarbeitenden vor Ort. Dies kann der Elektromeister, das Facility Management oder auch der für die automatisierte Datenerfassung zuständige IT-Manager sein.
Sie haben Ihre Anwendungen auch in der Praxis getestet. Was waren typische Herausforderungen vor Ort?
In manchen Fällen wich die real existierende Anlage von den Planungsunterlagen ab. Das heißt, sie wurde gar nicht so umgesetzt wie geplant. Auch wurden Wartungen oder Maßnahmen an der Lüftung nicht dokumentiert. Die Identifikation von geeigneten Messstellen, die man auch für das spätere Monitoring benötigt, ist teilweise schwierig, da es entweder keine oder lediglich eine unvollständige Dokumentation dazu gibt.
In der Regel hat man bei kleineren Liegenschaften nur einen Ansprechpartner, der den kompletten Überblick hat. Das macht die Zusammenarbeit meist einfacher als bei größeren Unternehmen, in denen sich die Verantwortung auf verschiedene Personen verteilt. Will man ein belastbares Monitoring der RLT-Anlage durchführen, ist es in manchen Fällen ratsam, relevante Sensoren nachträglich zu installieren. Die Messwerte werden dann digital erfasst und ausgewertet.
Sie haben gerade schon das Thema Monitoring angesprochen, also die langfristige Erfassung und Auswertung der Betriebsdaten der RLT-Anlage. Welche Vorteile bringt dies den anwendenden Liegenschaften?
Dadurch, dass sie ihre Anlagen kontinuierlich überwachen, können sie diese laufend optimieren, falls erforderlich. Damit ersparen sie sich größere Reparaturen, die oftmals anfallen, wenn eine Anlage nach mehreren Jahren Betrieb auf einmal nicht mehr richtig funktioniert. So sendet das Monitoring-Tool beispielsweise einen Alarm, wenn ein bestimmter Kennwert im kritischen Bereich ist. Zum Beispiel weist unser System frühzeitig darauf hin, dass ein Filterwechsel ansteht. Dies erfolgt nicht, wie bisher, standardisiert nach einem bestimmten Zeitzyklus, sondern erst, wenn ein kritischer Differenzdruck erreicht ist. Auch hier können also Effizienzvorteile genutzt werden.
Das Interview führte Birgit Schneider, Wissenschaftsjournalistin beim Projektträger Jülich, Forschungszentrum Jülich GmbH.
*Diese Erkenntnis sammelte insbesondere der in der Gebäudeoptimierung tätige RLT-Opt-Projektpartner IBDM GmbH durch Auswertung seiner langjährigen praktischen Erfahrung.