Testfeld bei den Stadtwerken München: Hier testen die Forschenden aus SuperLink ein 150 Meter langes Hochtemperatursupraleiter-Kabel für den Einsatz in der Großstadt. © Fotograph im Auftrag der SWM
Testfeld bei den Stadtwerken München: Hier testen die Forschenden aus SuperLink ein 150 Meter langes Hochtemperatursupraleiter-Kabel für den Einsatz in der Großstadt.

Stromwende in der Großstadt
Mit Hochtemperatursupraleitung zu einem effizienteren Energiesystem

Dr. Robert Prinz, Stadtwerke München Mission Stromwende 2045

14.10.24 | Aktualisiert am: 29.11.2024

Hochtemperatursupraleiter (HTSL) können Energie sehr effizient transportieren und brauchen wenig Platz. Wie die Technologie im urbanen Raum eingesetzt werden kann, wird im Projekt SuperLink erforscht. Im Interview erklärt Projektleiter Dr. Robert Prinz worauf es dabei ankommt und welche Möglichkeiten HTSL für die Energiewende eröffnen.

Herr Prinz, welche Rolle wird die Hochtemperatursupraleitung (HTS) für das Stromsystem der Zukunft spielen – insbesondere im urbanen Raum?

Hochtemperatursupraleiter haben den Vorteil, dass sie bei geringem Raumbedarf eine hohe Energiemenge übertragen können und das auch noch ressourcenschonend. Wir haben bei der Energieübertragung im Prinzip keine Verluste durch Wärme, sodass wir dadurch sogar Energie einsparen können. Der geringe Platzbedarf ist vor allem in der Stadt ein sehr wichtiger Aspekt, weil in dicht besiedeltem Gebiet insgesamt wenig Platz zur Verfügung steht.

In großen Städten wie etwa München, Frankfurt oder Berlin wird auch der Energiebedarf künftig steigen – etwa aufgrund der Elektrifizierung des Verkehrs- und des Wärmesektors. In unserem Forschungsprojekt SuperLink wollen wir es schaffen, mit dem HTSL-Kabel bis zu 500 Megawatt elektrische Energie zu übertragen. Vereinfacht gesagt, ist das vergleichbar mit der halben Leistung eines großen Kraftwerks.  Das zeigt wie groß das Potenzial der HTSL-Technologie ist und welche wichtige Rolle sie einnehmen könnte.

Die Entwicklung der HTSL-Technologie selbst ist weit fortgeschritten. Was ist jetzt nötig, um die Integration im Energiesystem und in der Stadt erfolgreich zu erproben und auch weiter zu validieren?

In unserem SuperLink-Projekt lag der Fokus sehr stark auf dem Funktionieren der elektrischen Ebene – Kabeldesign, Endverschlüsse, Muffen. Was auf jeden Fall noch genauer betrachtet werden muss, ist das Thema Kühlung. Im Prinzip geht es darum, eine Wärmeisolierung (Kryostat) bauen zu können, die einen Betrieb über die angedachte Strecke von 15 Kilometern auch effizient und stabil möglich macht. Hier sind noch weitere Entwicklungen notwendig.

Zu lösen sind auch noch weitere Herausforderungen: Wie kann im Fehlerfall zum Beispiel ein beschädigtes Stück Kabel ausgetauscht werden? Wie lässt sich ein beschädigter Kryostat austauschen? Das gilt es zu klären, um das System wieder Vakuum-dicht zu bekommen. Da gibt es also schon ein paar Bereiche, in denen noch Forschung und Entwicklung notwendig sind. In dem Zusammenhang ist dann auch eine entsprechende Förderung wichtig, um das Thema voranzubringen.

Die Stadtwerke München sind einer von sechs Projektpartnern bei SuperLink. Aus Sicht eines städtischen Energieversorgers: Welche Bedeutung hat die Hochtemperatursupraleitung für die Planung der Energieinfrastruktur?

Natürlich verändert das Randbedingungen in unseren Planungen, wenn es dieses HTSL-Kabel gibt. Mit einem Kabel, das viel mehr Leistung übertragen kann, wird eine effizientere Energieversorgung möglich, die wir Stand heute – mit herkömmlichen Kabeln - nicht umsetzen können. Wir erweitern mit dieser Technologie nochmal unsere Möglichkeiten – ein klarer Vorteil für zukunftsfeste Energienetze.

Zum Thema Praxistransfer: Was für Herausforderungen und Erfolge gab es bislang bei SuperLink und wie sieht es mit der Umsetzung in die Praxis aus?

Wir haben sehr viele Erfolge in dem Projekt verzeichnen können. Ein Beispiel sind die supraleitenden Bänder: Hier hat unser Projektpartner THEVA bei der Herstellung sehr viel in der Entwicklung optimieren können und herausgefunden, wie die Produktion der supraleitenden Bänder noch stabiler werden kann. Unser Projektpartner NKT, der die Kabel herstellt, hatte insbesondere bei dem Freiluft-Endverschluss sehr viele Herausforderungen zu bewältigen. Hier kommen zwei Extreme aufeinander: Auf der einen Seite muss das Kabel an den beiden Enden mit der konventionellen Freilufttechnik gekoppelt und die Stromeinspeisung gewährleitet werden. Und zum anderen gibt es dort den Übergang der supraleitenden Materialien aus einem minus 190 Grad kalten Medium in die Umgebungstemperatur. Das war der schwierigste Punkt im Projekt und hat auch einiges an Zeit gekostet. Aber wir haben es geschafft und dementsprechend sind wir auch zuversichtlich, dass wir weiterhin Fortschritte machen. Es gibt nun keine großen Hürden mehr, sodass wir die restlichen Projektinhalte voraussichtlich wie geplant durchführen können.

Wie sehen Sie das Thema Hochtemperatursupraleitung im Zusammenhang mit der Gesellschaft und der Akzeptanz der Einwohnerinnen und Einwohner in München?

Die gesellschaftliche Akzeptanz ist an der Stelle eigentlich zweifach gegeben. Die Stadt München ist durch viele Baumaßnahmen sehr belastet. Wenn wir diese Hoch-Energie-Verbindungen zwischen Menzing und Isartalstraße bauen möchten und mit dem neuen Kabel nur ein Kabel – und nicht wie sonst fünf Kabel – verlegen müssen, dann ist das eine deutlich kleinere Baumaßnahme. Das kommt in der Gesellschaft gut an. Zum anderen sind die HTSL-Kabel durch ihren supraleitenden Schirm nahezu frei von elektromagnetischen Feldern außerhalb des Kabels. Auch das Thema Verlustwärme ist hier ein Punkt: Standardkabel erwärmen durch ihre ohmschen Verluste das umliegende Erdreich auf – bei HTSL-Kabeln entsteht diese Verlustwärme nicht. Somit gibt es also keinerlei zusätzliche Belastungen für Umwelt und Bürgerinnen und Bürger.

Weniger ist mehr: Nur ein Kabel anstatt fünf

Mit herkömmlichen 110kV-Hochspannungskabeln (Standardmäßig mit einem Querschnitt von 500 Quadratmillimetern) ist eine Leistungsübertragung von rund 100 Megawatt möglich. Das entwickelte Hochtemperatursupraleiter-Kabel aus dem Forschungsprojekt SuperLink kann die fünffache Leistung übertragen. Daher könnte ein HTSL-Kabel fünf Standard-Kabel ablösen.

In Bezug auf die Mission Stromwende im neuen Energieforschungsprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz: Welche Rolle spielen HTSL für die Stromwende?

Der Supraleiter spielt seine Stärken aus, wenn sehr viel Energie oder besser gesagt sehr hohe Ströme übertragen werden müssen. Er kann das sehr effizient auf sehr kleiner Fläche, sofern die tiefe Kühlung gewährleistet ist. Das kann ebenso bei der Anbindung von großen Solarparks als auch in großen Städten wie München von Interesse sein. Laut aktuellen Zahlen und Planungen aus dem SuperLink-Projekt würden wir mit dieser 15 Kilometer langen Strecke im Vergleich zu einem konventionellen fünf Kabel-System rund 32 Prozent der der Installations-Kosten einsparen und die Betriebskosten um rund 15 Prozent reduzieren. Das liegt zum einen daran, dass ein HTSL-Kabel einen deutlich geringeren Bauraum benötigt und dadurch viel weniger Tiefbaukosten anfallen und zum anderen, dass das Kabel keine ohmschen Verluste aufweist. Die Hochtemperatursupraleitung stellt also durchaus eine Ersparnis dar und birgt große Potenziale für die Energiewende.

Das HTSL-Kabel in München ist seit Oktober 2024 in Betrieb. Von den Anfängen der HTSL-Forschung bis jetzt zur Anwendung, was bedeutet ein solcher Meilenstein und wie kann die Erfolgsgeschichte weitergehen?

Die Inbetriebnahme des Testfelds im Projekt stellt einen wichtigen Meilenstein dar. Es beweist, dass ein 110kV HTS-Kabel unter realen innerstädtischen Bau-Bedingungen eingesetzt werden kann. Nach einem erfolgreichen sechs monatigen Testbetrieb startet die Planung für die erste HTS-Kabelverbindung im 110kV Netz der Stadtwerke München.

Das Interview führte Leona Niemeyer, Wissenschaftsjournalistin beim Projektträger Jülich.