CO2-Kreislauftechnologien
Kohlendioxid aus der Zement- oder Stahlproduktion wird hochwertiger Rohstoff
Dr. Torsten Brinkmann Mission Energiesystem 2045
Im Projekt MemKoWI forschen Fachleute aus Wissenschaft und Industrie an mehrstufigen Membranverfahren. Mit diesen soll CO2 und H2 aus Industrieprozessgasen abgetrennt werden. Im Interview erläutert Projektleiter Dr. Torsten Brinkmann, wie eine jahrelange strategische Forschungsausrichtung das Projekt nun auf die Zielgerade gebracht hat — nämlich ein stabiles, einfach zu skalierendes und sich Prozessdynamiken schnell anpassendes Verfahren zu entwickeln, das auf andere Standorte und Branchen übertragbar ist.
Herr Brinkmann, wofür steht MemKoWI?
Bei MemKoWI geht es darum, CO2 aus Industriegasströmen abzutrennen, und zwar mit Membranverfahren. Wir wollen es aber nicht bei CO2 belassen, deshalb heißt unser Forschungsvorhaben ja auch MemKoWI. Das Ko steht für Kohlendioxid und das W für Wasserstoff. Viele Prozessketten enthalten auch Wasserstoff, etwa in der Stahlindustrie. Den würden wir ebenfalls gern aus den Prozessgasen zurückgewinnen. CO2 und Wasserstoff sind ein ideales Paar, um eine Kohlendioxidnutzung durchzuführen. Damit trägt unsere Forschung auch zur Sektorkopplung und zu einer vernetzten Industrie bei.
Wie läuft das mehrstufige Membranverfahren konkret ab?
In der ersten Prozessstufe wird das Prozessgas mit etwa 15 bis 20 Prozent CO2-Anteil abgetrennt. Das variiert, je nachdem, woher wir das Gas nehmen. Eine Membran schafft es, zwischen 50 bis 70 Prozent CO2 abzutrennen. Der so gewonnene CO2-Gasanteil ist schon sehr stark angereichert, aber wir benötigen es in möglichst reiner Form. Daher nehmen wir das Gas aus dieser ersten Stufe, verdichten es wieder und geben es auf die zweite Membranstufe. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Membranmodule miteinander zu verschalten. So können zum Beispiel Polymermembranen mit Keramikmembranen kombiniert werden oder gezielt teilweise aufbereitete Ströme rezirkuliert werden, um das gewünschte Trennergebnis bei möglichst geringem energetischem und apparativem Aufwand zu erreichen. In MemKoWI wollen wir die für den jeweiligen Anwendungsfall günstigste Verschaltung suchen, und zwar sowohl mit Pilotanlagen als auch mit Modellierung und Simulation.
Welche Forschungsschwerpunkte gibt es neben der Suche nach den optimalen Verschaltungen?
Wir haben in MemKoWI auch verschiedene Membran-Materialien im Fokus. Hier in Geesthacht am Helmholtz-Zentrum Hereon forschen wir an Polymermembranen. In den dichten Polymerfilmen löst sich das CO2 wie Zucker in Wasser. Das CO2-Molekül kann sich gut durchschlängeln und der Stickstoff bleibt zurück.
Was sind die Vorteile von Polymer-Membranen?
Sie sind günstig und können in großen Maßstab produziert werden. Außerdem sind sie einfach konfektionierbar. Aber sie sind nicht ganz so temperaturbeständig und vielleicht auch nicht so beständig gegen verschiedene Nebenkomponenten wie Stickoxide oder Schwefeloxide im Vergleich zu anorganischen Membranwerkstoffen. Das wissen wir noch nicht genau und das müssen wir uns anschauen.
Gibt es Alternativen?
Die Jülicher Partner bringen als Alternative Keramikmembranen ein. Das sind poröse Keramikrohre, die funktionalisiert werden, beispielsweise durch spezielle Trennschichten, etwa aus Kohlematerial. Konkret: Man hat einen porösen Keramikfilter und auf dessen Oberfläche trägt man dann Komponenten auf, die ein Kohlendioxid-Molekül greifen und durch die Porenstruktur durchleiten können. Die Keramikmembranen vertragen höhere Temperaturen und sind stabiler als die Polymermembranen. Ziel des Projekts ist es auch, beide Membrantypen zu vergleichen und zu schauen, welche Membranart sich wo am besten einsetzen lässt.
Sie fangen nicht von Null an, richtig?
Nein, die Entwicklung von CO2-selektiven Membranen reicht schon lange zurück. Das ging in den 1980er Jahren los, allerdings lag damals der Fokus auf der Abtrennung von CO2 aus Erdgasströmen. Mitte der 2000er Jahre floss das Thema Membrane und Membranprozesse in die Forschungsförderung ein. Der Schwerpunkt lag damals auf den fossil gefeuerten Kraftwerksprozessen. Seit 2010 sind wir in der Forschung in diesem Bereich aktiv. In den 2020er Jahren kam dann die politische Entscheidung, dass Kohlekraftwerke bis 2038 abgeschaltet werden. Insofern war für diesen Anwendungsbereich die Forschung nicht mehr unbedingt relevant. Unser Ansatz im aktuellen Forschungsprojekt ist es, die gewonnenen Erkenntnisse aus den Vorgängerprojekten auf andere Industriezweige zu übertragen.
Das heißt, der lange Förder-Atem der Bundesregierung hat sich gelohnt?
Auf jeden Fall. Die Forschungsförderung war das Fundament, auf dem über die Jahre die Membranen, die Verfahren und die Anlagentechnologie auf den Stand heute entwickelt worden sind. Dazu gehört auch das Entwickeln von Simulationswerkzeugen zur Anlagenauslegung. Im Folgeschritt generieren wir jetzt Interesse auf Seite der Industrie. Ein Beispiel ist unser neuer Lizenznehmer, der die Membranen nun aufgrund der guten Forschungsergebnisse der letzten Jahre im größeren Maßstab herstellen möchte.
Was gibt es für weitere Arbeitspakete in MemKoWI?
Wir schauen uns fünf unterschiedliche Gasströme und die jeweils entstehenden Nebenprodukte genau an. Im Stahlwerk der Dillinger Hüttenwerke analysieren wir das Koksgas. Das enthält hohe Anteile an Wasserstoff. Diesen Wasserstoff möchten wir auch gern zurückgewinnen, und zwar mit Hilfe von wasserstoffselektiven Membranen. Dafür baut das Betriebsforschungsinstitut der Eisen- und Hüttenleute eine neue Anlage auf, in der wir dann sowohl Membranen vom Helmholtz-Zentrum Hereon als auch vom Forschungszentrum Jülich einsetzen.
Wie kann man sich die Abtrennanlagen vorstellen?
Die drei Membrananlagen sind in See-Containern montiert. Diese stellen wir vor Ort bei den Partnern auf. Die Partner setzen uns ein Ventil an ihre Gasleitung und wir können dann das Abgas oder Prozessgas abzapfen. Wir haben zwei unterschiedliche Anlagen für die CO2-Abtrennung. Eine der beiden Anlagen wird neu gebaut für die Forschungsarbeiten am Zementwerk. Außerdem haben wir eine Anlage aus Vorgängerprojekten. Diese bauen wir derzeit für den Einsatz im Dillinger Stahlwerk um. Dort möchten wir aus dem Gichtgas CO2 abtrennen. Das ist ein Gas, das Wasserstoff, Kohlenmonoxid und Kohlendioxid enthält. Wasserstoff und das Kohlenmonoxid sind Gase, aus denen Chemiegrundstoffe hergestellt werden können. Die Anlage wird aber auch am Hüttengaskraftwerk des Stahlwerks und in einem weiteren Kraftwerk betrieben werden, um CO2 aus dem Rauchgasstrom abzutrennen.
Waren die Industriepartner schnell gefunden?
Die Industrie ist sehr daran interessiert, Lösungen für ihre CO2-Emissionen zu finden. Die Lösungen werden hier in Deutschland gebraucht, lassen sich aber auch gut auf den Weltmarkt exportieren. Ein Unternehmen wie unser Projektparner thyssenkrupp Polysius baut unter anderem Zementwerke. Dafür ist es natürlich gut zu wissen, wie das unvermeidbar anfallende CO2, abgetrennt und genutzt werden kann, damit die Firma das Angebot in ihr Technologie-Portfolio aufnehmen kann.
Sie machen aber nicht nur Untersuchungen und Forschung vor Ort, sondern auch durch Simulationen.
Genau. Dadurch wollen wir sicherstellen, dass wir keine Insellösungen, etwa für Stahl und Zement, schaffen, sondern anpassungsfähige Technologie-Know-how, das auf andere Einsatzorte übertragbar ist. Wenn beispielsweise ein Chemieunternehmen interessiert ist, diese Technologie einzusetzen, dann können wir deren Optionen vorausberechnen. Denn nicht jeder Stahl-Standort und damit auch nicht jedes Abgas aus jedem Stahlstandort ist genau gleich. Unsere Simulationstools erlauben es, auf Basis der Randbedingungen eines anderen Industriesektors oder auch nur eines anderen Standorts den Einsatz im Voraus zu berechnen. Wenn man diese ganzen Optionen im Versuch ausprobieren würde, wäre das sehr teuer. Dazu braucht man die die Simulationstools.
Wann könnte die Technologie am Markt sein?
Ich könnte mir vorstellen, dass die Technologie 2027/2028 am Markt für Großanlagen verfügbar sein wird.
Das Interview führte Ilse Trautwein, Wissenschaftsjournalistin beim Projektträger Jülich.