INTERVIEW
„Die Motivation erfolgt häufig über den Wettbewerb“
Professorin Dr.-Ing. Susanne Schwickert Mission Wärmewende 2045
Wieviel Energie in einem Gebäude eingespart wird, hängt auch vom Verhalten der Nutzenden ab. Unterstützen können hier spielerische Elemente, wie das Vorhaben PassPART2 zeigt. Professorin Susanne Schwickert beschreibt, welch überraschende Erkenntnisse sie dabei im Kreishaus Lippe gesammelt hat.
Soll ein Bestandsgebäude energieeffizienter werden, rät man normalerweise zu einer Sanierung. Sie haben in Ihrem Projekt auch auf Gamification gesetzt, um Energie einzusparen. Wieso?
Schwickert: Natürlich kann Gamification keine Sanierung ersetzen. Diese hat immer oberste Priorität. Gamification ist aber in Zeiten knapper Kassen in den Kommunen eine gute und niedrigschwellige Möglichkeit, Energie einzusparen, ohne kostenintensive Sanierungen durchführen zu müssen. Das spielerische Energiesparen kann zum Beispiel die Zeit bis zur Sanierung überbrücken oder Effizienzmaßnahmen ergänzen. Ein Ziel von Gamification ist es ja, die Menschen zu erwünschtem Verhalten zu motivieren.
Sie haben von Februar 2023 bis Mai 2024 Untersuchungen in einem Verwaltungsgebäude im Kreis Lippe durchgeführt. Insgesamt haben sich 110 Angestellte vor Ort beteiligt. Welche Erkenntnisse haben Sie gewonnen?
Coronabedingt konnten wir leider, anders als geplant, unsere Untersuchungen nur im einem bereits sanierten Gebäudeteil durchführen. Dabei haben wir die Energieverbräuche flurweise erfasst: In einem Korridor beteiligten sich die Mitarbeitenden an den Gamification-Maßnahmen, in der Kontrollgruppe im anderen Flur wurden diese nicht eingesetzt. Die Ergebnisse waren eindeutig: Im Vergleich zur Kontrollgruppe hat die Gamification-Gruppe 30 bis 60 Prozent weniger Energie verbraucht.
Zusätzlich gab es eine Gruppe, in deren Räumen ein intelligentes Raumwärme-Management-System eingesetzt wurde. Wie hat diese im Vergleich zur Gamification-Gruppe abgeschnitten?
Die Energieverbräuche waren in beiden Gruppen ähnlich. In der Praxis sind es letztlich finanzielle oder strukturelle Aspekte, die darüber entscheiden, welcher Ansatz sinnvoller ist. Hier kommt es zum Beispiel auf die Art und Häufigkeit der Raumbelegung im jeweiligen Gebäude an. Der Gamification-Ansatz ist eher personenbezogen, kann aber auch über den Raum hinaus wirken. Das heißt, im optimalen Fall übernimmt die Person die Energiespar-Denkweise und setzt sie auch an anderen Orten um – dies kann ein anderes Büro oder auch das heimische Wohnzimmer sein. Das Raumwärme-Management wirkt raumbezogen. Es kann so eingestellt werden, dass kaum oder wenig genutzte Räume weniger geheizt werden als solche, die viel genutzt werden. Auch dadurch können Kommunen Kosten sparen.
Wie haben Sie es geschafft, die Mitarbeitenden zum Mitmachen zu motivieren?
Eine gewisse digitale Affinität müssen die Teilnehmenden schon mitbringen. Wenn sie über die entsprechende App angemeldet sind, funktioniert die Motivation häufig über den Wettbewerb, den man in Minispielen erlebt. Man kann durch gutes Verhalten Abzeichen, Orden oder Auszeichnungen erwerben und sieht immer, wo man gerade im Ranking steht.
Wärmeverbräuche der verschiedenen Korridore: In einer Gruppe fanden Gamification-Maßnahmen statt (grün), in der zweiten Gruppe wurde ein intelligentes Raumwärme-Management installiert (pink gestrichelt bzw. durchgezogene Linie). Darüber hinaus gab es eine Kontrollgruppe ohne Maßnahmen (lila).
Das Besondere an Ihrem Projekt war, dass es im normalen Arbeitsalltag der Menschen und nicht in einer Laborsituation stattfand. Sind dabei auch unvorhergesehene Dinge passiert?
Unsere Untersuchungen erfolgten zum Teil während intensiver Sanierungsmaßnahmen. Einmal wurde ein Messgerät von einem Handwerker versehentlich unter einer nicht revisionierbaren Abhangdecke eingebaut. Ein andermal wurde ein Stromkasten versetzt, sodass die Funkverbindung zwischen Sensor und Speichereinheit unterbrochen war. Aber diese Probleme konnten wir zum Glück nach kurzer Zeit wieder beheben.
Sie haben Ihre Untersuchungen in einem Verwaltungsgebäude der Stadt durchgeführt. Wo sehen Sie weitere Einsatzfelder?
Momentan bin ich bereits im regen Austausch mit verschiedenen Kommunen. Das Interesse am Thema ist auf jeden Fall vorhanden. Ich sehe zum Beispiel Schulen als mögliche zukünftige Einsatzfelder von Gamification. Hier besteht ein relativ gut vorhersagbarer Energiebedarf zu festen Zeiten. Schülerinnen und Schüler sind digital affin und haben sicherlich Interesse an solchen Spielen. Zum Beispiel könnten verschiedene Klassen eine Art Wettbewerb veranstalten. Die Kinder und Jugendlichen werden so für das Thema Energiesparen sensibilisiert und übertragen es im besten Fall auch auf andere Lebensbereiche außerhalb der Schule.
Das Interview führte Birgit Schneider, Wissenschaftsjournalistin beim Projektträger Jülich, Forschungszentrum Jülich GmbH.