INTERVIEW
„Bei den Wärmepumpen müssen wir wichtige Entwicklungsschritte im Zeitraffer absolvieren“
Dr.-Ing. Matthias Wagnitz Mission Wärmewende 2045
Um die Klimaschutzziele zu erreichen, müssen vermehrt Wärmepumpen installiert werden. Wie Forschung das Handwerk hierbei unterstützen kann und wo es noch Handlungsbedarf gibt, erklärt Dr.-Ing. Matthias Wagnitz vom „Zentralverband Sanitär Heizung Klima“.
Der Wärmepumpenausbau in Deutschland soll beschleunigt werden. Gleichzeitig gibt es einen Fachkräftemangel im Handwerk. Laut Schätzung Ihres Verbandes aus dem Jahr 2021 sollen alleine im Installations- und Heizungsbauer-Bereich etwa 60.000 Monteure fehlen. Wie ist es trotzdem möglich, Wärmepumpen in hoher Stückzahl einzubauen?
Wagnitz: Es fehlen 60.000 Monteure, wenn man in Betracht zieht, dass unser Handwerk eben nicht nur Heizungen einbaut, sondern auch altersgerechte Bäder oder Raumklimageräte plant und installiert und auch im Neubau gefragt ist. Ich blicke hier lieber konstruktiv in die Zukunft: Es wäre zum Beispiel möglich, mehr Wärmepumpen pro Jahr einzubauen, wenn sich die Montagezeiten für die Anlagen verkürzen.
Wie kann die Forschung bei der Verkürzung der Montagezeiten unterstützen?
Beim Einbau von fossilen Heizgeräten hat das Handwerk jahrzehntelang Erfahrungen sammeln und entsprechende Optimierungen durchführen können. Auch deswegen sind die entsprechenden Anlagen vergleichsweise günstig. Bei den Wärmepumpen müssen wir wichtige Entwicklungsschritte im Zeitraffer absolvieren. Es geht darum, den gesamten Prozess einer Wärmepumpe zu durchleuchten. Dies beginnt beim Vertrieb und geht weiter über Planung, Auslegung, Produktgestaltung sowie Montage und Inbetriebnahme. Hier sollte gezielt geschaut werden, wo etwas optimiert sowie Zeit und Kosten eingespart werden können.
Lässt sich das Handwerk von der Forschung sagen, wie es effizienter arbeiten kann?
Das hängt ganz klar vom Ergebnis ab. Wenn das in der Forschung entwickelte Wissen in praxisnahen Schulungen vermittelt wird, gibt es genug Kolleginnen und Kollegen, die daran Interesse haben. Voraussetzung ist, dass ersichtlich wird, dass über eine andere Arbeitsweise Zeit gespart wird, also ein deutlicher Nutzen vorhanden ist. Wichtig ist, dass die einzelnen Schritte leicht umsetzbar sind und mit kleinen Änderungen viel bewirkt werden kann.
Wer eine Wärmepumpe einbauen möchte, muss auch die Vorab-Planung miteinberechnen. Wie kann man diesen Arbeitsschritt vereinfachen?
Es ist ganz klar, dass Wärmepumpen ohne eine fachmännische Planung nur sehr schlecht funktionieren. Dieses zusätzliche Arbeitspaket sind die Endkunden von fossilen Heizungsanlagen bisher nicht gewohnt. Um den Ausbau von Wärmepumpen zu forcieren, gibt es zum einen die Möglichkeit, dass Handwerksbetriebe hier mit Energieberatern, Bauplanern oder Schornsteinfegern kooperieren. Auch Normierung ist sehr hilfreich.
„Digitale Tools können unglaublich gute Hilfsmittel sein, um Fehler zu vermeiden."(Matthias Wagnitz, ZVSHK)
Ein Beispiel ist die Heizlastberechnung nach DIN EN beziehungsweise TS 12831: Die dort enthaltenen Baualterstabellen helfen dabei, die Dämmwirkung des Wandaufbaus in Gebäuden abzuschätzen. Ein komplettes Aufmaß zu nehmen, um die Heizlast zu erfassen, ist ebenfalls nicht mehr erforderlich. Damit ist die Datenaufnahme plötzlich als App umsetzbar und kann von einem eingewiesenen Mitarbeiter übernommen werden. Das spart wiederum Zeit und Ressourcen.
Wie wichtig ist die Digitalisierung für die Arbeit im SHK-Handwerk?
Allgemein gesprochen, können digitale Tools unglaublich gute Hilfsmittel sein, um Fehler zu vermeiden. Ich kann über die Digitalisierung den gesamten Inbetriebnahme-Prozess enorm vereinfachen. So ist es zum Beispiel nicht mehr erforderlich, händisch Anleitungen nach dem jeweils benötigten Schaltschema zu durchsuchen. Die Möglichkeit über das Handy die Inbetriebnahme durchzuführen, ist eine deutliche Verbesserung. Durch ein von uns mitbetreutes Software-Programm ist es ebenfalls möglich, den Planungsprozess zu straffen. Gemeinsam mit den genannten Normierungen kann so die Zeit für die Planung halbiert werden.
Wo gibt es hier in der Praxis noch Herausforderungen?
Wichtig ist, dass die digitale Bedienbarkeit so einfach wie möglich funktioniert und man zum Beispiel Dateien leicht teilen kann. Beim Energiemanagement sind aktuell noch hersteller- und produktspezifische Unterschiede ein Hindernis und verkomplizieren den Prozess. Ein Beispiel ist der Zugang zum Router: Hier müssten die Hersteller sich darauf einigen, über welchen sicheren Port man dorthin gelangt, sodass der Handwerker vor Ort nicht Detektiv spielen muss. Ein Handwerker ist kein Administrator: Bleiben IT-Probleme am Ende am Handwerker hängen, ist dieser auf Dauer überlastet oder muss zusätzliche Schulungen absolvieren. Dies bindet dann wieder Ressourcen, die zum Beispiel bei der Anlageninstallation fehlen.
Wie kann durch eine andere Produktgestaltung der Wärmepumpen die Einbauzeit verkürzt werden?
Hier gibt es viele Ansatzpunkte. Ein Beispiel ist der Pufferspeicher, der zwischen 200 und 800 Liter für ein Einfamilienhaus umfasst. Für die gesamte Installation kann man mindestens acht Arbeitsstunden ansetzen. Aktuell arbeitet die Forschung daran, wesentlich kleinere Pufferspeicher zu entwickeln. Manche Industrieprodukte haben sogar weniger als 60 Liter Volumen. Durch solche Produktanpassungen würde man auch Zeit bei der Installation sparen.
Wäre hier eine Typisierung von Gebäuden und dazu passenden Pufferspeichern hilfreich?
Typisierung ist ein schönes Stichwort. Allerdings gibt es hier wieder das Problem, dass die Hersteller keine einheitlichen Vorgaben liefern. Dies kann insbesondere bei größeren Pufferspeichern, die separat montiert werden müssen, eine Fehlerquelle sein. Eine Typisierung von Gebäuden mit einheitlichen Schaltbildern und Definitionen wäre eine große Hilfe.
Gibt es weitere Bereiche, in denen Sie eine Zusammenarbeit zwischen Handwerk und Forschung sinnvoll finden?
Ein aktuelles Beispiel ist das Thema Kältemittel. Wärmepumpen mit einer bestimmten Menge an brennbaren Kältemitteln müssen außerhalb des Gebäudes stehen. Es sei denn, die Hauseigentümer führen weitere Sicherheitsmaßnahmen durch.
„Für uns stellt sich die Frage, wie wir zukünftig mit der Regelungstechnik umgehen."(Matthias Wagnitz, ZVSHK)
Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme untersucht momentan, wie es möglich ist, mit dem natürlichen Kältemittel Propan unter zehn Gramm pro Kilowatt zu bleiben. Wäre dies möglich, könnte man im Einfamilienhaus auch bei der Verwendung dieses Kältemittels auf den Monoblock draußen verzichten und das Gerät innen aufbauen. Dies würde die Installation in bestimmten Situationen deutlich vereinfachen.
Welche Herausforderung sehen Sie in der Zukunft?
Für uns stellt sich die Frage, wie wir zukünftig mit der Regelungstechnik umgehen. Es ist ja geplant, dass die Netzbetreiber beim Strombezug für Wärmepumpen, Kälteanlagen, Ladeeinrichtungen und Batteriespeichern steuernd eingreifen können, um eine Überlastung der örtlichen Leitungen und eine Verzögerung beim Anschluss von Wärmepumpen und Ladeeinrichtungen zu vermeiden. Wie die dahinterstehende Informationsgenerierung, -weitergabe und am Ende auch die Steuerung erfolgen soll, ist für uns noch unklar. Das sind offene Fragen, bei denen wir auf Standardisierung angewiesen sind. Es gibt also noch viel zu tun, sowohl für das Handwerk als auch für die Forschung.
Das Interview führte Birgit Schneider, Wissenschaftsjournalistin beim Projektträger Jülich, Forschungszentrum Jülich GmbH.