In Workshops konnten sich die Kongress-Teilnehmenden über ihre Erfahrungen, Ideen und Wünsche für die zukünftige angewandte Energieforschung austauschen. © PtJ/ks
In Workshops konnten sich die Kongress-Teilnehmenden über ihre Erfahrungen, Ideen und Wünsche für die zukünftige angewandte Energieforschung austauschen.

Energieeffizienzforschung für Industrie und Gewerbe
Die Energieeffizienz ist ein wesentlicher Baustein für die Energiewende

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01.08.2022 | Aktualisiert am: 15.11.2024

Beim Kongress Energieeffizienzforschung für Industrie und Gewerbe haben sich Expertinnen und Experten aus Forschung, Industrie und Politik ausgetauscht. Die Redaktion von energieforschung.de hat einige der Rednerinnen und Redner zum Weg von der Forschung in die Praxis, zu Innovationspotenzialen und zur Forschungsförderung befragt.

Rund 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben am 17. und 18. Mai 2022 am Kongress im Tagungswerk Berlin und digital teilgenommen. Die Hybrid-Veranstaltung, die vom Projektträger Jülich und der Begleitforschung EE4InG im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) organisiert wurde, sollte vor allem den Austausch zwischen Forschung, Politik und Praxis ermöglichen.

In verschiedenen Vorträgen, Podiumsdiskussionen und Workshops konnten die Teilnehmenden ihre Projekterfolge vorstellen, neue Forschungsansätze diskutieren und ihre Anregungen für die Zukunft der Forschungsförderung einbringen. Die Redaktion von energieforschung.de hat insgesamt acht Rednerinnen und Redner genauer befragt.

Welche Rolle spielt die Energieeffizienz in Industrie und Gewerbe für die Energiewende?

„Rund die Hälfte unserer elektrischen Energie wird im Bereich Industrie und Gewerbe eingesetzt. Energieeffizienz ist der einzige Ansatzpunkt, der kurzfristig umsetzbar ist, da oft auch schon ohne aufwändige Planungs- und Investitionsaktivitäten Einsparungen möglich sind."

Prof. Dr.-Ing. Prof. h. c. Eberhard Abele, PTW / TU Darmstadt

„Die Energieeffizienz ist der erste – und oftmals kostengünstigste – Hebel, Klimagasemissionen zu mindern. Zugleich kann damit der notwendige Bedarf am Ausbau von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien begrenzt werden.“

Prof. Dr. Hans-Martin Henning, Fraunhofer Institute for Solar Energy Systems (ISE)

„Die Energieeffizienz ist ein wesentlicher Baustein für die Energiewende. Erneuerbare Energien werden in ihrer Verfügbarkeit und den Kosten eine Herausforderung für unsere Gesellschaft und die Industrie darstellen. Wir müssen alles daransetzen, die Effizienz des Energieeinsatzes weiter zu erhöhen. An diesem Ziel arbeiten wir als Unternehmen seit Jahrzehnten. Wir müssen und werden diese Anstrengungen auch in Zukunft weiter vorantreiben.“  

Dr. Hildegard Römer, Direktorin und stellvertretende Leiterin der Corporate R&D, SCHOTT AG

„Ohne Energie geht es nicht, aber die Energieeffizienz war bisher nicht der entscheidende Faktor für die Maschinenauslegung oder die Prozessführung. Für das Forschungsfeld Tribologie lässt sich sagen, dass über 20 Prozent des Energieaufwandes für die Überwindung von Reibung und Verschleiß aufgewendet werden. Etwa 40 Prozent davon ließe sich durch Einführung tribologischer Maßnahmen einsparen.“

Dr.-Ing. Volker Weihnacht, Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik (IWS)

Wo sehen Sie aktuell den drängendsten Forschungs- und Entwicklungsbedarf, um die Energiewende in Industrie und Gewerbe voranzubringen?

„Man muss erkennen, dass Energiewende mehr ist als nur die Elektrifizierung von einigen Prozessen. Technologieoffenheit und ein vernünftiger CO₂-Preis sind wichtig. Auch die Kräfte des Marktes müssen eingesetzt werden.“

Dr. Joachim G. Wünning, WS Wärmeprozesstechnik GmbH

„Ich halte die Entwicklung von Wärmepumpen für unterschiedlichste Temperaturbedingungen und Leistungsklassen für sehr wichtig, um dort, wo dies machbar ist, einen Energieträgerwechsel hin zu Strom zu ermöglichen. Ein weiteres zentrales Thema betrifft Ressourcen-effiziente Produktionsverfahren, um zugleich Energieaufwände zu reduzieren und mit Materialien schonend umzugehen.“

Prof. Dr. Hans-Martin Henning, Fraunhofer Institute for Solar Energy Systems (ISE)

„Rund drei Viertel der Energie wird in der Industrie für Wärme aufgewandt. Nach meiner Erfahrung und persönlichen Einschätzung kann der Aufwand für Wärme halbiert werden. Es bedarf aber dringend der Forschung und Entwicklung von Hochtemperatur-Abwärme-Pumpen oder geschlossenen Lösungen für effiziente Strom-Wärme zwischen 100°C und 600°C. Ein nachfolgender zweiter Innovationsschritt besteht in der Applikation der Querschnittstechniken und im technisch-wirtschaftlichen Fähigkeitsnachweis im Rahmen von Pilotprojekten. Nur durch einen kooperativen Entwicklungs- und Planungsansatz — zwischen Chemie-, Prozess und Verfahrensingenieuren einerseits und den Systemlieferanten andererseits — werden neue hocheffiziente innovative Lösungen ihre Anwendung finden.“

Dr.-Ing. Bernd Müller, Bosch Rexroth AG

„Es wird viel von Sektorenkopplung gesprochen, aber zu wenig die Sektoren integriert. Beispiel Elektromobilität und Gebäudeelektrifizierung: In jedem rein elektrisch betriebenen Fahrzeug steckt ein relativ großer Energiespeicher, der meist in einem Tag nicht gebraucht wird. Die Aufladung kann in Stillstandszeiten im Sommer über die Sonne erfolgen und ein Großteil der Batterieladung in der Nacht in Gebäuden verwendet werden - technisch wohl möglich, in Deutschland blockiert. Ähnlich verhält es sich bei der Flexibilisierung der Bezugskosten durch erzeugungsgerechte Stromtarife bei gleichzeitiger intelligenter Steuerung der Verbraucher in Industrie und Gewerbe, aber auch in der Gebäudetechnik. Hier fehlen sichere Datenstrukturen und Steuer- und Regelmöglichkeiten.“

Dr.-Ing. Wolfgang Reiser, Vision Electric Superconductors GmbH

Was muss Ihrer Meinung nach passieren, damit Forschungsergebnisse auch in der breiten Anwendung erfolgreich sind?

„Der primäre Treiber für Energieeffizienz wird auch in Zukunft „Kostenersparnis“ sein. Insofern muss Forschung ab dem Technology Readiness Level [kurz: TRL]  vier auch die Kostenersparnis und Wirtschaftlichkeitsvorteile aufzeigen.“

Prof. Dr.-Ing. Prof. h. c. Eberhard Abele, PTW / TU Darmstadt

„Wir haben jahrzehntelang daran gearbeitet, den finanziellen Fußabdruck unseres Ressourcenbedarfs zu optimieren und minimieren — ein guter Aspekt des „Kapitalismus“ im positiven Sinne, dessen Ziel Vermeidung von „Verschwendung“ ist. Aber wir müssen diesbezüglich „Effizienz“ weiterdenken: die zukünftigen Kosten von Ressourcenverbräuchen „einpreisen“ beziehungsweise entsprechende langfristige Anreize schaffen. Dazu braucht es nicht nur die Basisforschung auf niedrigem TRL, sondern auch den Langfristeinsatz im Feld. Wir brauchen eine Erweiterung der Förderlandschaft nicht nur auf Forschungsprojekte, sondern anschließend auch auf Umsetzungsprogramme.“

Prof. Dr. Tabea Arndt, Direktorin Supraleitende Magnettechnologie, Karlsruher Institut für Technologie (KIT)

„Es bedarf neben der Forschungsförderung im Bereich der Grundlagen auch eine Forschungsförderung im TRL fünf bis neun. Hier spielen neben Forschungs- und Entwicklungs-Förderung vor allem auch Investitionsförderung und Betriebskostenförderung eine große Rolle. Nur wenn wir es schaffen, neue Technologien im Dauereinsatz unter Produktionsbedingungen zu betreiben, wird es gelingen, technische Reife, Robustheit, Effizienz, Betriebsstabilität und damit Akzeptanz und Wirtschaftlichkeit für neue Technologien zu erzielen.“

Dr. Hildegard Römer, Direktorin und stellvertretende Leiterin der Corporate R&D, SCHOTT AG

„Wichtig ist, sich bei der Forschungsfeldarbeit nicht in Einzelthemen zu verlieren, sondern immer auf die Verbreiterungseffekte zu achten. Ein echter Game-Changer sind aber erst gesetzgeberische Regularien, die eine Umstellung auf energieeffizientere Technologien belohnen beziehungsweise das Gegenteil bestrafen. Eine deutliche Erhöhung der Energiepreise würde grundsätzlich auch zu einer verstärkten Umsetzung entsprechender Forschungsergebnisse führen, hätte aber grundsätzlich negative Effekte auf die Wirtschaft.“

Dr.-Ing. Volker Weihnacht, Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik (IWS)

Welche Rolle spielt die Forschungsförderung für Sie?

„Wir profitieren von der Forschungsförderung in vielfacher Hinsicht: Durch die strukturierte Entwicklung, die Zusammenarbeit mit Hochschulen, die Rekrutierung von Nachwuchs und die Motivation von Mitarbeitern. Es fällt durch die Förderung außerdem leichter, den Kaufmann im Unternehmen für neue Projekte zu begeistern.“

Dr. Joachim G. Wünning, WS Wärmeprozesstechnik GmbH

„Ohne die Forschungsförderung ist es nahezu unmöglich, die „kritische Masse“ an Partnern für die Vorhaben zu gewinnen. Heute kann niemand mehr allein die komplexen Probleme lösen – nichts ist jemals einfach. Ohne die Förderung von Forschungsverbünden bleiben wir in der Ausformulierung von Effizienzideen stecken.“

Prof. Dr. Tabea Arndt, Direktorin Supraleitende Magnettechnologie, Karlsruher Institut für Technologie (KIT)

„Wir beziehen für unsere Werke komplexe Produktionssysteme von Maschinen und Anlagenbauern. Dabei stellen wir immer höhere innovative Anforderungen. Die Forschungsförderung ist für die oft mittelständisch geprägten Lieferanten von Maschinen und Anlagen sehr hilfreich bei der Entwicklung der innovativen Lösungen. Die ETA-Fabrik an der TU Darmstadt hat auch bei der Ausbildung unserer Energiemanager und dem Zielentfaltungsprozess geholfen.“

Dr.-Ing. Bernd Müller, Bosch Rexroth AG

„Die Forschungsförderung ist für unser Unternehmen sehr wichtig. Neben der finanziellen Unterstützung stellt die Förderung ein gewisses Qualitätsmerkmal dar. Vorteile der Forschungsförderung sind die Mitarbeit der Forschungsinstitute und finanzielle Förderung. Manche Entwicklungen würden wahrscheinlich ohne Förderung nicht realisiert werden können. Allerdings gibt es eine relativ lange Vorförderphase, die die Gesamtentwicklung wahrscheinlich verlängert.“

Dr.-Ing. Wolfgang Reiser, Vision Electric Superconductors GmbH