Bewegen sich tribologisch optimierte Komponenten gegeneinander, verursacht dies weniger Reibung. Zudem sind sie beständiger gegen Verschleiß. © PtJ/ln
Bewegen sich tribologisch optimierte Komponenten gegeneinander, verursacht dies weniger Reibung. Zudem sind sie beständiger gegen Verschleiß.

Forschung und Industrie vernetzen
10 bis 20 Prozent der Energieverluste wären durch tribologische Maßnahmen vermeidbar

Dr. Volker Weihnacht Mission Energiesystem 2045

12.12.2022 | Aktualisiert am: 15.11.2024

Reibung, Schmierung und Verschleiß beeinflussen die Energieeffizienz und den CO2-Fußabdruck von Maschinen und Motoren maßgeblich. Welchen Beitrag die Tribologie in der Energiewende leisten kann und welche Rolle die Vernetzung zwischen Forschung und Industrie dabei spielt, erklärt Dr. Volker Weihnacht.

Mithilfe tribologischer Maßnahmen ist es möglich, besonders reibungsarme und energieeffiziente Antriebs- und Motorkomponenten zu entwickeln und in den Markt zu bringen. Eine Reihe von Forschungsprojekten, die das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Energieforschungsprogramm gefördert hat, haben dies bereits gezeigt. Allerdings ist die Tribologie komplex — denn sie setzt sich aus verschiedenen Forschungsdisziplinen zusammen. Neben einer umfassenden und ganzheitlichen Forschung ist die Vernetzung zwischen Forschenden verschiedener Fachgebiete und der Industrie daher besonders wichtig.

Im Forschungsfeld Tribologie bündelt das BMWK langfristige Forschungsaktivitäten und vernetzt Akteurinnen und Akteure. Zusammen arbeiten die Mitglieder daran, aktuelle tribologische Fragestellungen zu klären und Impulse für zukünftige Entwicklungen zu geben. Zudem engagieren sie sich, bisherige Erkenntnisse einem breiteren Fachpublikum nahe zu bringen und diese auch in andere Anwendungsfelder zu übertragen. So haben sie etwa kürzlich in einem Workshop mit Fachleuten aus der Wärme- und Kältetechnik erörtert, inwiefern die Tribologie zukünftig auch in diesem Bereich zu mehr Energieeffizienz beitragen kann.

Kurator des Forschungsfelds ist Volker Weihnacht vom Fraunhofer Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS in Dresden. Im Video-Interview erklärt er, welche Potenziale sich mit der Tribologie-Forschung erschließen lassen, wie wichtig die Netzwerkarbeit in der Forschung ist und warum es sich lohnt, aktiv auf andere Anwendungsbereiche zuzugehen, um Ergebnisse in eine breitere Praxis zu bringen. (ln)

Das Interview führten Leona Niemeyer und Kim Statzner, Wissenschaftsjournalistinnen beim Projektträger Jülich, im Rahmen des Kongresses Energieeffizienzforschung für Industrie und Gewerbe im Mai 2022 in Berlin.

Videoschnitt: Kim Statzner und Claudia Roth

Voice-Over: Wie kann die Energiewende in der Industrie vorangebracht werden? Was muss passieren, damit Forschungsergebnisse schneller in die Praxis kommen? Und wie kann die Förderpolitik dabei helfen? Darüber haben Expertinnen und Experten beim Kongress Energieeffizienzforschung für Industrie und Gewerbe in Berlin gesprochen. Einer von ihnen ist Volker Weihnacht. Er ist Abteilungsleiter am Fraunhofer Institut für Werkstoff- und Strahltechnik und Experte für Tribologie.

Er forscht also zu den Themen Reibung, Schmierung und Verschleiß. Weihnacht ist außerdem bei den Forschungsnetzwerken Energie des BMWK aktiv. Dort ist der Kurator für das Forschungsfeld Tribologie. Forschende und Industriefachleute bearbeiten darin gemeinsam aktuelle Fragestellungen und setzen neue Impulse für zukünftige Entwicklungen. Wir haben Weihnacht beim Kongress getroffen und wollten wissen, warum die Tribologie so wichtig für die Energiewende ist und wie der Austausch in einem Netzwerk dabei hilft, Forschungsergebnisse in die Anwendung zu bringen.

Warum ist die Tribologie für die Energiewende so wichtig?

Weihnacht: Da kann man Zahlen sprechen lassen. Ungefähr 30 Prozent des Energieaufwandes geht in den Verkehr und die Mobilität, weitere 30 Prozent in die Industrie. Und in diesen Gebieten sind viele Anlagen, Maschinen oder Automobile unterwegs. Mit Motoren, wo bewegte Teile eingebaut sind, wo Sachen aneinander reiben, gleiten und wo zwangsläufig Reibung und Verschleiß auftritt.

Nun wird es schwieriger abzuschätzen, wie viel das ist, aber da gibt es einige Studien dazu: Man geht so ganz grob von etwa 20 Prozent Verlusten aus, die für die Überwindung von Reibung und Verschleiß notwendig sind — also so viel Energie geht verloren. Jetzt wird es noch schwieriger, wenn man abschätzt, wie viel sich da rausholen lässt.

Da gibt es auch Schätzungen dazu und man geht davon aus, dass sich bis zu 40 Prozent dieser Verluste auffangen oder verhindern lassen könnten – durch entsprechende tribologische Maßnahmen. Wenn man das wieder aufs Ganze skaliert, sind etwa 10 bis 20 Prozent der Gesamt-Energieverluste vermeidbar durch konsequente Erschließung von Tribologie-Maßnahmen. Und in Finanzen gesprochen sind das etwa ein bis zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes, die sozusagen verloren gehen oder dessen Verlust vermieden werden könnte, wenn man Tribologie konsequent einsetzt.

Wie sieht die Arbeit im Forschungsfeld Tribologie aus?

Weihnacht: Das Forschungsfeld Tribologie setzt sich personell aus acht Forschenden zusammen beziehungsweise auch Industrievertretern — also insgesamt acht Institutionen, davon fünf Forschungsinstitute und drei Industrieunternehmen. Wir treffen uns alle ein bis zwei Jahre und besprechen dann die aktuellen Themen, führen Analysen durch, wie sich die Forschung entwickelt hat, was für neue Entwicklungen anstehen, was für neue Impulse gesetzt werden. Und wir bereiten größere Verbund Vorhaben vor.

Die Mannschaft ist relativ klein, aber wir schmoren nicht nur im eigenen Saft, sondern wir stellen uns jedes Jahr — das hat sich jetzt seit einigen Jahren etabliert — bei der Gesellschaft für Tribologie vor, bei der Jahrestagung der GfT. Wir haben dort inzwischen eine eigene Session bekommen. Dort stellen wir dann unsere Ergebnisse auch einem breiteren Fachpublikum vor. Und damit ist auch gesichert, dass der Austausch in größerem Maße stattfindet.

Welche Rolle spielt das Forschungsnetzwerk Industrie und Gewerbe für Ihre Forschung?

Weihnacht: Eine besondere, ich würde fast sagen eine herausragende. Denn gerade diese Fokussierung auf die Tribologie ist, glaube ich, einmalig. Es gibt viele Forschungsprogramme, die sich mit Tribologie-Forschung beschäftigen. Nur ist das sozusagen nicht im Kern der Fall. Also die Tribologie fällt oft mit ab als Thema der Materialwissenschaft oder der Schmierstoff-Entwicklung. Aber so fokussiert, wie das hier in diesen Forschungsnetzwerken mit der Etablierung dieses Forschungsfelds Tribologie geschehen ist, ist das glaube ich einzigartig.

Wie können gute Ergebnisse kommuniziert werden, damit auch andere von ihnen profitieren?

Weihnacht: Da würde ich den Schwerpunkt vor allen Dingen auf außerhalb legen. Ich glaube, die Kommunikation intern ist gut abgesichert. Das Problem ist tatsächlich, fachfremde Bereiche zu erreichen. Gerade in der Tribologie, die ja nun nicht so als Wissensgebiet so geläufig ist, ist oft das Problem, dass viele Firmen sich gar nicht bewusst sind, dass sie ein tribologisches Problem haben. Es werden also Anlagen ausgelegt, entwickelt und stellt man fest, dass es Probleme gibt, dann wird die Tribologie sozusagen als Reparatur-Lösung betrieben. Es tritt weniger der Effekt ein, dass man die Tribologie von vornherein mit einbezieht bei der Auslegung, bei der Ausgestaltung der Anlage.

Und das ist ein ganz wesentlicher Punkt, dass wir als Tribologie-Experten auf diese Branchen zugehen müssen. Das ist tatsächlich unsere Aufgabe, denn die können es ja nicht wissen. Und dass wir Lösungen anbieten und dann auch von einem Anwendungsgebiet übertragen, zum Beispiel Verkehr, Verbrennungsmotor: Dort haben wir die tribologische Lösung entwickelt, dass wir die dann in den breiteren Maschinenbau hereintragen, in andere Anwendungsgebiete wie Papierindustrie oder Textilindustrie und dort den Firmen diese Lösung schmackhaft machen, auf die man sonst gar nicht gekommen wäre, weil das einfach zu vereinzelte Anwendungsgebiete sind.

Welche Wege der Kommunikation sind Ihrer Meinung nach dazu geeignet?

Weihnacht: Ich habe festgestellt, dass man nicht die eingeschliffenen Wege benutzen sollte, nicht die Veranstaltungen oder nicht nur die Veranstaltungen besuchen sollte, die man kennt, die sozusagen naheliegend sind im Fachgebiet.

Das sind zum Beispiel Tribologie-Kongresse, das sind im Bereich für mich — da ich aus der Beschichtungswelt komme — Plasma-Beschichtungs-Kongresse, sondern dass man sich ganz gezielt anschaut, wo jetzt Anwendungs-Veranstaltungen oder Messen oder Workshops wie auch immer sind. Das kann zum Beispiel die Medizintechnik sein, das kann die Produktionstechnik sein. Das kann, wie gesagt, eine Textilmaschinen-Veranstaltung sein. Dass man einfach die Scheu überwindet und sich dort mit einbringt. Vielleicht erst als Zuhörer, später dann auch als Anbieter von neuen Technologien. Also tatsächlich ganz gezielt fachfremde Veranstaltungen benutzen, besuchen.

Welche Unternehmen gilt es, in der Tribologie-Forschung mitzunehmen und wie kann das gelingen?

Weihnacht: Das sind vor allen Dingen die Endanwender, also Firmen, die Anlagen, Maschinen und Geräte benutzen, die von anderen Firmen hergestellt werden. Das sind Anwender im Produktionsbereich, die zum Beispiel eine Zerspanungsmaschine oder eine Textilmaschine nutzen, deren Energieeffizienz nicht bekannt ist oder die gar nicht auf der Agenda steht, weil die Hersteller der Maschinen nicht primär darauf achten, dass diese Maschine mit besonders guter Energieeffizienz läuft. Da sind andere Dinge maßgebend, wie eben Qualität, Qualitätssicherung, Langlebigkeit, Robustheit. Und so weiter. Und so weiter.

Und das sind Kriterien, nach denen die die Endanwender, also die Benutzer dieser Maschinen, auch diese Maschinen kaufen. Die Energieeffizienz spielt dort nahezu keine Rolle. Da gibt es eine schöne Analogie zum Beispiel bei den PKW: Es gibt ja auch schon seit Jahrzehnten verbrauchsarme Autos, die aber relativ wenig gekauft werden — weil die Kunden eher nach anderen Kriterien gehen: Aussehen, PS, Leistungsstärke und Komfort.

Oft ist einem das gar nicht bewusst, wie viel Geld man sparen könnte, ein verbrauchsarmes Auto zu fahren. Und die Wende kommt dort erst über die CO2-Strafsteuer der EU, also über regulatorische Maßnahmen, wo sozusagen ein exzessiver Flottenverbrauch bestraft worden ist beziehungsweise finanziell kompensiert werden musste. Da hat die Automobilindustrie angefangen, Maßnahmen einzuführen, die auch teurer sind, die das Auto sozusagen teurer machen, die aber im Endeffekt weniger Verbrauch verursachen. Das ist ein Sonderfall, der sich nicht übertragen lässt auf den Maschinenbau, aber das Bewusstsein, dass man auch Kosten sparen kann durch eine energieeffizientere Maschine, das muss stärker bewusstgemacht werden.

Das heißt, die Firmen, die diese Maschinen nutzen, müssen stärker darauf gebracht werden. Vielleicht gibt es auch regulatorische Maßnahmen, Richtung Energieeffizienz-Label einzuführen, und so weiter. Aber das Bewusstsein zu schaffen, dass man am Ende sogar Geld spart mit einer vielleicht teureren Maschine, das sehe ich als wichtige Aufgabe.

Voice-Over: Die langjährigen, aufeinander aufbauenden Aktivitäten im Forschungsfeld Tribologie haben ein umfassendes Verständnis bezüglich Reibung, Schmierung und Verschleiß ermöglicht. Einige der entwickelten Lösungen sind bereits am Markt verfügbar, so etwa optimierte Öle und speziell beschichtete, reibungsarme Komponenten für Motoren und Antriebe. Auch zukünftig wollen die Expertinnen und Experten an diese Erfolge anknüpfen und ihre Erkenntnisse auch auf weitere Anwendungsbereiche übertragen.