Netzwerk Women in Green Hydrogen
„Ich fühle mich manchmal wie ein Alien“
Julia Epp Mission Wasserstoff 2030
JULIA EPP IM INTERVIEW
Frauen in der grünen Wasserstoffbranche sichtbarer machen – das ist ein Kernanliegen von „Women in Green Hydrogen“. Julia Epp vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) hat das Netzwerk vor wenigen Monaten mitgegründet. Zusammen mit ihren Mitstreiterinnen hat sie damit einen Nerv getroffen: Mehr als 1.000 Frauen aus 40 Ländern haben sich bereits angemeldet.
Frau Epp, wie lange ist es her, dass Sie umgeben von ausschließlich Männern an einer Podiumsdiskussion teilgenommen haben?
Epp: Das war im vergangenen Monat. Da habe ich als einzige Frau von fünf Vortragenden eine Keynote gehalten. Es kommt generell sehr häufig vor, dass Männer bei Veranstaltungen zahlenmäßig dominieren, an denen ich teilnehme. Auch in der Projektarbeit merke ich das. Am WZB beraten wir bestimmte Regionen zum Thema Technologien der Sektorkopplung und deren gesellschaftlicher Akzeptanz. Dann bin ich zum Beispiel in Kontakt mit bis zu 20 Stakeholdern vor Ort, die alle männlich sind.
Wie fühlen Sie sich in solchen Situationen?
Ich fühle mich manchmal wie ein Alien. Es ist seltsam, weil ich sonst auch nicht nur von einem bestimmten Bevölkerungsteil umgeben bin. Ich arbeite in verschiedenen Netzwerken und mit Unternehmen zusammen. Dass es viele Frauen gibt, die im Bereich Wasserstofftechnologien aktiv sind, weiß ich. Für mich fühlt es sich daher nicht richtig an, wenn Gruppen zu homogen und damit nicht repräsentativ sind.
Was hat Sie dazu bewogen, ein Netzwerk für Frauen in der Wasserstoffbranche zu gründen?
Seit sieben Jahren forsche ich zu Wasserstoff. Auf einer Konferenz habe ich einen Vortrag gehalten. Danach kam ein Herr auf mich zu und meinte er freue sich sehr, dass eine Frau den Weg zu einer Konferenz gefunden habe. Er würde mir jetzt aber gern erklären, wie das mit dem Wasserstoff wirklich funktioniere [macht eine kurze Pause].
Ich habe das Bedürfnis, etwas zu verändern. Dieses Mansplaining [Anm. d. Red.: Zusammenführung der englischen Begriffe für Mann und Erklären] betrifft viele Frauen. Das zeigt sich auch in unseren Anmeldezahlen: Wir haben innerhalb von wenigen Monaten schon mehr als 1.000 Mitglieder gewinnen können. Women in Green Hydrogen macht Probleme öffentlich, die viele Frauen bewegen.
Was möchten Sie mit Women in Green Hydrogen erreichen?
Wir möchten Frauen mit der Plattform erstens ermöglichen, sich über ihre Arbeit auszutauschen. Wir organisieren Vernetzungsveranstaltungen, geplant sind auch Treffen zu bestimmten Fachthemen, zum Beispiel mit dem TÜV Süd zur Zertifizierung von Wasserstoff. Zweitens stellen wir unsere Mitglieder und ihre Expertisen online auf verschiedenen Kanälen vor. Wir haben dazu eine Expertinnen-Datenbank aufgebaut. Hier kann gezielt nach passenden Expertinnen für zum Beispiel einen Vortrag oder ein Projekt gesucht werden. Schon 380 Frauen haben sich registriert. Zudem werden wir ab Juli ein Mentoring-Programm anbieten: Ein Jahr lang werden sich je zwei Frauen mit unterschiedlicher Berufserfahrung austauschen.
Haben Männer auch einen Platz in Ihrem Netzwerk?
Wir denken darüber nach, in einer zweiten Runde auch Männer in das Mentoring einzubinden, da sie oft in höheren Positionen arbeiten und weibliche Nachwuchskräfte fördern könnten. Generell haben wir auch Anfragen von Männern aus der Wasserstoffbranche, die an unseren Veranstaltungen teilnehmen möchten. Auf den Netzwerkveranstaltungen möchten wir aber zunächst einen Rahmen schaffen, in dem sich Frauen in einem geschützten Raum austauschen können. Das Panel unserer ersten Fachveranstaltung wird zwar nur aus Frauen bestehen. An der Veranstaltung teilnehmen können aber alle interessierten Personen.
Das Verb „Change“ prangt auf Ihrer Website. Was muss sich in der Wasserstoffbranche verändern?
Die Zusammenstellung der Vortragenden auf Fachkonferenzen muss sich verändern. Denn es ergeben sich Vorteile dadurch, auf Konferenzen vorzutragen. Davon sollten sowohl Frauen als auch Männer profitieren: Stichwort Sichtbarkeit. Wenn wir mit Konferenzveranstaltern kooperieren, sind reine Manels [Anm. d. Red.: Panels, auf denen nur Männer vortragen] daher nicht erlaubt. Wir verlangen zum Beispiel eine Frauenquote für Panels von 50 Prozent. Das kommt aber auf das Thema der Konferenz an.
Wir stellen auch die Frage, wie etablierte, aber nicht repräsentative Strukturen in Unternehmen oder der Projektarbeit durchbrochen werden können. Vorstandsmitglieder besetzen oft Posten mit Personen, die sie kennen. Da Frauen in solchen Kreisen der Energiebranche weniger vertreten sind, heißt das oft: Männer schlagen ihnen bekannte Männer vor. Wir wollen dazu beitragen, dass der Frauen- und Männeranteil in solchen Gremien ausgewogener wird.
Haben Sie schon etwas verändern können?
Jüngstes Beispiel ist die Initiative H2Global – ein neues Förderkonzept, um Wasserstoffpartnerschaften im Ausland aufzubauen. Hier bestand das leitende Gremium zunächst nur aus Männern. Wir haben das Gespräch mit den Verantwortlichen gesucht und konnten bewirken, dass nun auch Wasserstoff-Expertinnen in den relevanten Gruppen vertreten sind. Es ist also durchaus ein Verständnis und eine Offenheit bei den Verantwortlichen da. Man muss sie aber noch häufig von außen darauf hinweisen.
Das Interview führte Eva Mühle, Wissenschaftsjournalistin beim Projektträger Jülich.