Wasserstoff biologisch erzeugen
„So machen wir aus flüssigen Abfällen nachhaltige Energie“
Elmar Brügging und Tobias Weide Mission Wasserstoff 2030
DR. ELMAR BRÜGGING UND TOBIAS WEIDE IM INTERVIEW
Wie Wasserstoff nachhaltig erzeugt werden kann, wird intensiv erforscht. Eine Option könnte die biologische Herstellung des Energieträgers durch dunkle Fermentation sein: Bei diesem Verfahren wandeln Mikroorganismen Biomasse zu grünem Wasserstoff um. Dr. Elmar Brügging und Doktorand Tobias Weide von der Fachhochschule Münster entwickeln im Projekt HyTech das Verfahren weiter, um es in Richtung einer Anwendung im großtechnischen Maßstab zu führen.
Was macht die Erforschung von biologischen Wasserstofftechnologien relevant?
Brügging: Wasserstoff biologisch, in Reaktoren mit Mikroorganismen zu erzeugen, ist hochökologisch. Großtechnische Anlagen, die Wasserstoff produzieren, benötigen ein Temperaturniveau von 500 bis über 1.000 Grad Celsius, um Wasserstoff aus Erdgas abzuspalten. Dabei wird viel Kohlenstoffdioxid (CO2) frei. Wir forschen an Verfahren, um bei 35 bis 80 Grad Celsius aus biogenen Reststoffen Wasserstoff sowie Biomethan herzustellen.
Weide: Wir nutzen stärke- und zuckerhaltige Abwässer aus der Lebensmittelbranche. Bislang wird 90 Prozent des industriellen Abwassers gar nicht energetisch genutzt. Die dunkle Fermentation bietet das Potenzial, aus den flüssigen Abfällen nachhaltige Energieträger zu gewinnen.
Hinzu kommt, dass das Verfahren unabhängig davon ist, ob der Wind weht oder die Sonne scheint. Abwasser fällt hingegen immer an, daher könnte Wasserstoff mittels dunkler Fermentation fortlaufend erzeugt werden.
Was ist das Prinzip der dunklen Fermentation?
Brügging: Unter Abwesenheit von Licht und Sauerstoff wandeln Bakterien organische Stoffe in Wasserstoff und Säuren um. Das ähnelt dem Biogasprozess, der jedoch noch die Methanbildung umfasst. Diese Stufe findet bei der dunklen Fermentation in einem zweiten Reaktor statt. Die methanbildenden Bakterien sollen nicht den Wasserstoff veratmen, sondern nur die übrigbleibenden Säuren aus der ersten Anlage verarbeiten.
Weide: Durch die räumliche Trennung können wir Temperatur, pH-Wert und weitere Parameter so anpassen, dass die unterschiedlichen Mikroorganismen möglichst gut arbeiten können. Wir erhalten ein Gas mit einem Wasserstoffanteil von 50 Prozent und Methangehalte, die ungefähr zehn Prozent über denen liegen, die konventionelle Biogasanlagen erreichen. Das konnten wir im kleinen Maßstab zeigen.
Im Sommer wollen wir ein zweistufiges Reaktorsystem im halbtechnischen Maßstab mit einem Volumen von bis zu 100 Litern in Betrieb nehmen. Ziel unseres Projekts ist es, die Basis für eine großtechnische Anlage zu schaffen.
Welche Herausforderungen bestehen bei der Entwicklung?
Weide: Wir erforschen, wie der Prozess möglichst stabil betrieben werden kann. Schon kleine Veränderungen können einen großen Effekt auf die Mikroorganismen haben. Dann gewinnt ein Organismus die Überhand, der das aber nicht sollte. Ein anderer Punkt: Der Betrieb verbraucht aktuell viel Natronlauge – als Gegengewicht zu den entstehenden Säuren. Die Lauge ist allerdings teuer. Wir erforschen, inwiefern Produkte aus dem zweiten Reaktor zurück in den ersten geführt werden können. Denkbar wäre auch ein Einsatz von Gülle. In beiden Fälle hätte man eine günstigere Alternative zur Natronlauge.
Zudem untersuchen wir, wie wir reineren Wasserstoff produzieren. Maximal die Hälfte des Gasvolumens besteht aktuell aus Wasserstoff. Das ist weit weg von den 99,9 Volumenprozent, die man für eine Brennstoffzelle bräuchte. Der Biowasserstoff müsste, je nachdem wofür man ihn nutzen will, aufbereitet und gereinigt werden. Das ist technisch möglich und findet auch in Biogasanlagen statt. Hier werden wir testen, welche zusätzlichen Verfahrensschritte nötig sind, um die Wasserstoffqualität zu steigern.
Um den Ertrag der dunklen Fermentation zu erhöhen, testen wir Reaktorelemente aus der Abwassertechnik, wie zum Beispiel ein Rückhaltesystem von Mikroorganismen. Sind mehr Bakterien dauerhaft vorhanden, können wir mehr Wasserstoff produzieren. Schließlich werden wir untersuchen, inwiefern sich andere Reststoffe neben den kohlenhydrathaltigen Abwässern für die Produktion von Biowasserstoff eignen. Auf diese Weise möchten wir die Technologie effizienter machen.
Sie haben berechnet, dass Biowasserstoff acht Prozent der deutschen Wasserstoffproduktion in 2050 decken könnte. Dazu müsste man aber alle Reststoffe nur für die biologische Wasserstofferzeugung nutzen. Wir sprechen also von einer Nischentechnologie?
Brügging: Acht Prozent ist eine Menge, wenn man sich den deutschen Energieverbrauch anschaut. Wir brauchen jeden Baustein, um klimaneutral zu werden und den steigenden Bedarf an Wasserstoff zu decken. Wir können uns nicht ausschließlich auf Energieimporte verlassen, sondern sollten eigene Ressourcen nutzen. Mit Technologien, um Wasserstoff biologisch oder elektrolytisch herzustellen, können wir die Erzeugung CO2-neutral gestalten. Und im Fall der dunklen Fermentation nutzen wir Stoffe, die niemand haben will, und produzieren daraus nachhaltig Energie.
Wo könnten biologische Wasserstofftechnologien eingesetzt werden?
Brügging: Schon jetzt fragen uns Unternehmen. Dabei erforschen wir die Technologie noch. Zukünftig könnten Betriebe die dunkle Fermentation in ihre Abwasseraufbereitung integrieren, um so Wasserstoff, aber auch Biomethan aus Reststoffen herzustellen. Anschließend könnten Unternehmen die Produkte wieder in innerbetriebliche Prozesse zurückführen und so die eigene Klimabilanz verbessern. Im Vordergrund steht die dezentrale Anwendung, da wo passende Reststoffe anfallen – nicht nur in Deutschland. Denkbar wäre ein Einsatz in Regionen weltweit, in denen die Energieinfrastruktur nicht optimal ist.
Das Interview führte Eva Mühle, Wissenschaftsjournalistin beim Projektträger Jülich.