Windenergie
Offshore-Windparks umweltschonend und sicher recyceln
Silke Eckardt Mission Stromwende 2045
PROF. DR.-ING. SILKE ECKARDT IM INTERVIEW
Rund 1.500 Windenergieanlagen stehen mittlerweile in der deutschen Nord- und Ostsee. Die leistungsstarken Anlagen produzieren grünen Strom für die Energiewende. Dabei weht ihnen häufig ein rauer Wind entgegen. Hinzu kommen starke Wasserströmungen, die an den Fundamenten zerren. Nach etwa 25 Jahren ist Schluss. Die Offshore-Windenergieanlagen haben ausgedient und müssen zurückgebaut werden. Das schreibt das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) bereits vor, wenn die Windparks genehmigt werden. Für die Windparkbetreiber ist dies eine große Herausforderung: Denn zum Rückbau der großen Offshore-Windparks fehlt bisher jede Erfahrung. Professorin Silke Eckardt von der Hochschule Bremen geht dieses Thema im Forschungsprojekt SeeOff mit Expertinnen und Experten aus zahlreichen Unternehmen rund um die Offshore-Windindustrie und der Entsorgungswirtschaft an. Im Interview erläutert die Projektleiterin, welche konkreten Fragen gelöst werden müssen.
Frau Eckardt, der Rückbau von Windenergieanlagen auf See und das Recyceln der Komponenten ist sicherlich äußerst komplex. Können Sie die größten Herausforderungen nennen, denen sich die Windpark-Betreiber stellen müssen?
Ja gern. Kurz vorweg: Die Offshore-Windenergie-Branche versteht sich als wesentlicher Teil der Energiewende. Sie möchte bezahlbare Strompreise und hohe Umweltstandards erreichen. Aus diesem Selbstverständnis lassen sich die Herausforderungen gut ableiten: Der Rückbau soll kosteneffizient, umweltverträglich und sicher funktionieren. Und ganz wichtig: Die Gesellschaft soll damit einverstanden sein. Dazu werden gute Demontage-, Logistik- und Recyclingkonzepte benötigt. Konkret stellen sich beispielsweise Fragen nach den rechtlichen Anforderungen, geeigneten Schiffen und den benötigten Hafeninfrastrukturen zum Zwischenlagern bzw. Aufbereiten fürs anschließende Recyceln der Baumaterialien.
Diese Aufgaben lösen Sie mit Ihrem Wissenschaftsteam an der Hochschule Bremen gemeinsam mit Partnern aus diversen Industrieunternehmen. Wer bringt dabei welche Expertise ein?
Mit unseren Verbundpartnern Deutsche Windtechnik Repowering (DWT), Nehlsen und der Stiftung Offshore-Windenergie als auch mit unseren assoziierten Partnern Vattenfall Europe Windkraft, EnBW Energie Baden-Württemberg und TenneT haben wir zunächst die Expertise der Windpark- und Netzbetreiber auf See und ihre Erfahrungen aus der Bau- und Betriebsphase der Offshore-Windparks dabei. DWT und Nehlsen bringen auch schon Erfahrungen aus dem Rückbau von Onshore-Windenergieanlagen mit. Weiterhin unterstützt uns ein großer Beirat. Hier sind unter anderem das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie als Genehmigungsbehörde, aber auch Logistikunternehmen, Hafenbetreiber oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften vertreten.
Und was ist die Aufgabe der Hochschule Bremen?
Zum einen koordinieren wir das Verbundprojekt. Zum anderen beschäftigen wir uns mit der Dokumentation und Modellierung der Rückbauprozesse, also mit dem ganzen Prozess vom Abtrennen der Komponenten auf See, über die Logistik bis zur Verwertung der verschiedenen Materialien. Eine wesentliche Aufgabe ist es dann, aus den einzelnen Prozessschritten mögliche Rückbauszenarien zu entwickeln. Dazu brauchen wir zunächst viele Daten. Und wir müssen eine Methode entwickeln, die diesen ganzheitlichen Ansatz abbilden kann.
Was reizt Sie persönlich an dem Forschungsprojekt?
In erster Linie die Komplexität der Fragestellung. Neben der Analyse der Rückbauprozesse möchten wir die verschiedenen Rückbauszenarien bewerten. Nur so können wir eventuell auftretende unterschiedlichen Interessen darstellen und berücksichtigen.
Die Kosten des Abbaus und Recyclings müssen von den Windpark-Betreibern in ihre Kostenrechnung einkalkuliert werden. Gibt es Schätzungen, wie teuer so ein Rückbau ist?
Ja, es gibt sogar konkrete Nachweise für Sicherheitsleistungen, die vor dem Bau der Windparks von den Offshore-Windparkbetreibern dem BSH vorgelegt werden müssen. Die bisher von Experten veröffentlichten Zahlen schwanken zwischen 2 und 10 Prozent der Investitionskosten. In unserem Projekt stehen wir noch am Beginn der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung. Wir gehen davon aus, dass die Zahlen je nach Windpark und gewähltem Logistikkonzept wahrscheinlich sehr unterschiedlich sein werden.
SeeOff wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie für drei Jahre mit insgesamt 1,1 Millionen Euro gefördert. Was möchten Sie in der Zeit erreichen?
Wir haben uns vier Ziele gesetzt: Zunächst erstellen wir einen Anforderungskatalog für die verschiedenen Phasen des Rückbaus. Im Anschluss entwickeln wir die bereits erwähnten Rückbauszenarien mit verschiedenen Optionen von der Demontage bis zur Entsorgung. Unser wichtigstes Ergebnis aber wird die zu entwickelnde Methode sein, mit der die verschiedenen Rückbaustrategien gegenübergestellt und bewertet werden können. Letztendlich möchten wir unsere Erkenntnisse in vorgelagerte Wertschöpfungsphasen wie die Betriebs-, Planungs- oder sogar Konstruktionsphase übertragen, indem wir beispielsweise Aussagen zur Recyclingfähigkeit von Materialien oder Stoffzusammensetzungen formulieren.
Wie lassen sich diese Forschungsergebnisse in der Praxis verwerten?
Unser Ziel ist es, die Windpark-Betreiber darin zu unterstützen, Rückbaukonzepte aufzustellen und ganzheitlich bewerten zu können. Dazu haben wir bereits Kriterien definiert, die aus unserer Sicht dafür notwendig sind. Unsere Ergebnisse werden wir in einem Handbuch veröffentlichen. Außerdem möchten wir die Offshore-Windenergie-Branche, der zurzeit wirtschaftlich und politisch ein rauer Wind entgegenweht, bei der Diskussion um Rückbau und Recycling den Rücken stärken. Wir haben festgestellt, dass auch der Umfang des Rückbaus zwischen den verschiedenen Interessensgruppierungen noch nicht abschließend diskutiert wurde. Wir werden dieses Thema im Projekt weiterverfolgen.
Das Interview führte Ilse Trautwein, Wissenschaftsjournalistin beim Projektträger Jülich.