Saubere Mobilität durch synthetische Kraftstoffe
„Wir wollen helfen, eine Wende im Verkehr herbeizuführen“
Manfred Aigner Mission Wasserstoff 2030
PROF. MANFRED AIGNER IM INTERVIEW
Ob gasförmig oder flüssig: Strombasierte Kraftstoffe könnten künftig die Defossilierung des Verkehrssektors entscheidend vorantreiben, vor allem bei hohen Transportvolumina und langen Strecken wie im Schwerlast- und Schiffsverkehr. Die Begleitforschung Energiewende im Verkehr – kurz „BEniVer“ – bringt Ergebnisse aus den 15 technischen Vorhaben der Forschungsinitiative zusammen.
Koordinator Prof. Manfred Aigner vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) erklärt, wie BEniVer Empfehlungen für die Forschung und Handlungsoptionen für die Gesellschaft erarbeitet.
Worum geht es bei der Forschungsinitiative insgesamt?
Aigner: Es geht darum, einen Durchbruch zu erzielen: Die wissenschaftlichen Projekte zu nachhaltigen Kraftstoffen können den Weg für eine umweltfreundlichere Mobilität ebnen beziehungsweise Politik und Gesellschaft dabei unterstützen, eine Wende im Verkehr herbeizuführen.
Was kann die Begleitforschung hier leisten, was die technischen Verbünde nicht können?
Jedes Verbundprojekt hat natürlich seine eigenen Interessen. Die Begleitforschung kann unabhängig vom Erfolg des Projekts agieren und daher neutraler sein. Wir werden an den objektiven Kriterien gemessen, nicht daran, ob ein Kraftstoff zukunftsträchtig ist oder nicht.
Was ist Ihr übergeordnetes Ziel als neutraler Begleiter der Verbünde?
Von den 15 technischen Verbünden erwarten wir viele Ergebnisse. Wir werden diese Ergebnisse analysieren, bewerten und vergleichbar machen. Und diese Informationen dann transparent kommunizieren, sowohl in die Verbünde hinein als auch nach außen. Wir stellen unsere Ergebnisse auch der Öffentlichkeit zur Verfügung, zum Beispiel in Vorträgen. Denn Entscheidungen zur künftigen Mobilität werden von der Gesellschaft beziehungsweise der Politik getroffen. Daher muss sie die Optionen kennen.
Komplexe Ergebnisse vieler Partner aus unterschiedlichen Bereichen vergleichbar zu machen ist eine enorme Aufgabe – wie packen Sie das konkret an?
Zentral ist die Art und Weise, in der die Verbünde Ergebnisse erarbeiten und darstellen. Wir entwickeln dafür ein Datenkonzept. Hier werden alle Ergebnisse und Fragestellungen eingepasst. Daher müssen wir dieses Konzept sehr früh haben. Wir diskutieren es dann mit den Verbünden und entwickeln es über den gesamten Förderzeitraum der Initiative weiter.
Für die technischen Verbünde bedeutet die Zusammenarbeit mit der Begleitforschung zusätzlichen Aufwand. Welchen Mehrwert bekommen sie dafür?
Sie bekommen einen Rückfluss der Analyse ihrer Daten, wie ein anonymisiertes Ranking innerhalb der Initiative. Wir können etwa sagen: Im Vergleich zu den Stoffen der anderen Projekte ist eurer doppelt so teuer, aber dreimal so umweltfreundlich. Und wir geben Empfehlungen, wie der Stoff und der entsprechende Prozess optimiert werden können. Manches muss auch unbedingt eingehalten werden, wo es um Gesetze, um Schadstoffbilanzen und andere zwingende Vorgaben geht.
Im Ergebnis wollen Sie bis 2022 eine Roadmap mit Handlungsoptionen für Erforschung und Entwicklung, Produktion und Markteinführung von nachhaltigen Kraftstoffen erarbeiten. Welche Kriterien legen Sie dafür zugrunde?
Wir schauen darauf, wie kostengünstig, klimafreundlich und verfügbar die Kraftstoffe sind und berücksichtigen auch politische, finanzielle und regulatorische Aspekte. Wir werden aber nicht die Schiedsrichter darüber sein, was mehr oder weniger wichtig ist. Wir zeigen Handlungsoptionen auf. Auf der Basis können Gesellschaft beziehungsweise Politik nach ihren Prioritäten die Stoffe auswählen, die zukunftsträchtig sind, und diese weiter und intensiver fördern.
Das Interview führte Sabine Dzuck, Wissenschaftsjournalistin beim Projektträger Jülich, für den Forschungsjahresbericht "Innovation durch Forschung" 2018.