DyNaLab-Prüfstand testet die elektrischen und mechanischen Eigenschaften ganzer Gondeln von Windenergieanlagen. Der neue Teststand Hil-Grid-CoP nutzt das künstliche Netz des DyNaLab, um Netzzustände und dynamische Netzevents nachzubilden. © FIZ Karls­ru­he – Mi­cae­la Mün­ter
DyNaLab-​Prüfstand tes­tet die elek­tri­schen und me­cha­ni­schen Ei­gen­schaf­ten gan­zer Gon­deln von Wind­ener­gie­an­la­gen. Der neue Test­stand Hil-​Grid-CoP nutzt das künst­li­che Netz des Dy­NaL­ab, um Netz­zu­stän­de und dy­na­mi­sche Net­ze­vents nach­zu­bil­den.

Wind­ener­gie
Test­stand prüft elek­tri­sche Ei­gen­schaf­ten von Wind­ener­gie­an­la­gen

Tor­ben Jersch Mis­si­on Strom­wen­de 2045

01.10.2019 | Ak­tua­li­siert am: 20.11.2024

TOR­BEN JERSCH IM IN­TER­VIEW

Prüf­stän­de sind das Mit­tel der Wahl, um re­pro­du­zier­ba­re Be­din­gun­gen für Zer­ti­fi­zie­rungs­tests zu er­zeu­gen. Das Fraunhofer-​Institut für Wind­ener­gie­sys­te­me IWES hat be­reits große Prüf­stän­de in Be­trieb ge­nom­men, zu­letzt 2015 das Dy­NaL­ab zum Test gan­zer Gon­deln von Wind­ener­gie­an­la­gen. Nun ent­wi­ckelt es in­ner­halb des Pro­jekts HiL-​GridCoP ge­mein­sam mit Part­nern aus dem Her­stel­ler­be­reich einen Test­stand, der klei­ner aus­fällt und ge­zielt die elek­tri­schen Ei­gen­schaf­ten einer Wind­ener­gie­an­la­ge prüft. Die Test­um­ge­bung wird hier­bei si­mu­liert, Um­welt­be­din­gun­gen wer­den rech­ne­risch nach­ge­bil­det. Im In­ter­view er­klärt Pro­jekt­lei­ter Tor­ben Jersch vom IWES die Vor­tei­le, die die­ses Vor­ge­hen bie­tet – und wel­che nächs­ten Schrit­te im Zuge der Di­gi­ta­li­sie­rung zu er­war­ten sind.

Ein kla­rer Vor­teil von Prüf­stän­den ge­ne­rell ist die Zeit­er­spar­nis im Pro­zess der Zer­ti­fi­zie­rung, da nicht auf be­stimm­te Wind­be­din­gun­gen ge­war­tet wer­den muss. Er­ge­ben sich noch wei­te­re Vor­tei­le durch den neuen Prüf­stand?

Die Zeit­er­spar­nis ent­steht da­durch, dass man in die Lage ver­setzt wird, Tur­bi­nen par­al­lel zur Er­rich­tung der An­la­ge zu tes­ten, zu einem an­de­ren Zeit­punkt und genau plan­bar. Bei HiL-​GridCoP ar­bei­ten wir an der Prü­fung eines „Mi­ni­mal­sys­tems“. Das be­schreibt zum einen das Test-​Setup, also dass wir hier­bei le­dig­lich den Um­rich­ter, den Ge­ne­ra­tor und Trans­for­ma­tor sowie die Haupt­steue­rung der Wind­ener­gie­an­la­ge tes­ten wol­len. Zum an­de­ren möch­ten wir damit er­rei­chen, die Prüf­abläu­fe weit­ge­hend zu ver­ein­fa­chen. Schnitt­stel­len­ab­spra­chen, ins­be­son­de­re bei der steue­rungs­tech­ni­schen In­te­gra­ti­on zwi­schen dem Reg­ler einer Wind­ener­gie­an­la­ge und un­se­ren exis­tie­ren­den grö­ße­ren Prüf­stän­den, sind zur­zeit noch sehr auf­wän­dig. Diese ent­fal­len, wenn wir nur we­ni­ge Kom­po­nen­ten tes­ten.

Würde dann der Test der gan­zen Gon­del auf dem Prüf­stand Dy­NaL­ab ir­gend­wann un­nö­tig sein? Oder er­gänzt sich das?

Das er­gänzt sich de­fi­ni­tiv. Part­ner in un­se­rem Pro­jekt sind Ves­tas, Sen­vi­on und Nordex. Diese Her­stel­ler haben die glei­che An­la­gen­to­po­lo­gie: ein Ge­trie­be plus schnell­lau­fen­den Ge­ne­ra­tor. An­de­re Her­stel­ler haben hin­ge­gen ge­trie­be­lo­se An­la­gen – dafür ist das Dy­NaL­ab die rich­ti­ge Adres­se. Zudem bie­tet das Dy­NaL­ab eine viel um­fäng­li­che­re Sys­tem­prü­fung. Gemäß der Ent­wick­lungs­me­tho­dik nach V-​Modell zielt der neue Prüf­stand ein­fach auf eine an­de­re Stufe ab: bei Neu­ent­wick­lun­gen wird eine Ab­si­che­rung der Ei­gen­schaf­ten durch­ge­führt, mal von der ge­sam­ten An­la­ge, mal auch nur von Sub­kom­po­nen­ten, von Kom­po­nen­ten und/oder von Ma­te­ria­li­en. Da­durch, dass wir jetzt Prüf­mög­lich­kei­ten für ein Mi­ni­mal­sys­tem schaf­fen, zie­len die Tests auf we­ni­ger kom­ple­xe Sys­te­me ab, als sie im Dy­NaL­ab ge­tes­tet wer­den. Somit lässt sich Geld im Ent­wick­lungs­pro­zess spa­ren, weil die Ei­gen­schaf­ten auf einem nicht so kom­ple­xen Sys­tem va­li­diert wer­den.

Wie gehen Sie nun vor? Was sind die ein­zel­nen Schrit­te?

Die Tests zu den elek­tri­schen Ei­gen­schaf­ten sind durch na­tio­na­le und in­ter­na­tio­na­le Richt­li­ni­en de­fi­niert. Die Test­me­tho­dik da­hin­ter ba­siert na­tür­lich noch auf den Feld­tests. In einem ers­ten Schritt wer­den wir diese Me­tho­dik nun 1:1 auf Prüf­stän­de über­set­zen. Hier­für füh­ren un­se­re Pro­jekt­part­ner Mess­kam­pa­gnen im Feld durch. Wir ver­su­chen dar­auf auf­bau­end, diese Er­geb­nis­se zu re­pro­du­zie­ren und un­se­re Test­me­tho­dik an­zu­pas­sen. Im zwei­ten Schritt wer­den wir dann daran ar­bei­ten, auch neue Test­ver­fah­ren in die Norm ein­zu­brin­gen.

Im Ge­gen­satz zu an­de­ren Pro­jek­ten fo­kus­siert das For­schungs­vor­ha­ben auf Test­me­tho­den im Maß­stab 1:1. Wel­che be­son­de­ren An­for­de­run­gen ent­ste­hen da­durch?

Die größ­te Her­aus­for­de­rung ist der Be­trieb des Test­stands. Bei­spiels­wei­se kön­nen die Mo­to­ren nicht be­lie­big ge­re­gelt wer­den, da­durch ent­ste­hen auf tech­ni­scher Seite Ein­schrän­kun­gen.

Das Foto zeigt den Spe­zi­al­trans­for­ma­tor, der zum Auf­bau des Netz­si­mu­la­tors ge­hört und für den Gon­del­prüf­stand Dy­NaL­ab aber auch den Hil-​Grid-CoP-Prüfstand ver­wen­det wird. Ein paar tech­ni­sche Daten: Leis­tung 15.4 Me­ga­volt­am­pere, 6 Span­nungs­le­vel 10/13/20/26/36/47 Ki­lo­volt, Ge­wicht 54 Ton­nen.

Kön­nen sich An­la­gen­her­stel­ler zu­künf­tig den Feld­test ganz spa­ren, wenn es um die elek­tri­schen Ei­gen­schaf­ten der An­la­gen geht?

Das ist das an­ge­streb­te Ziel, die Vi­si­on, auf deren Ver­wirk­li­chung wir hin­ar­bei­ten. Es ist al­ler­dings nicht rea­lis­tisch, dass dies in­ner­halb der nächs­ten fünf Jahre er­reicht wer­den kann. Was mo­men­tan stark im Fokus steht, sind so­ge­nann­te Re­zer­ti­fi­zie­rungs­tests: etwa wenn Kom­po­nen­ten an­de­rer Zu­lie­fe­rer ein­ge­baut wer­den oder eine neue Soft­ware für die An­la­ge ent­wi­ckelt wird. Sol­che Tests wird man schnel­ler kom­plett ins Labor ver­le­gen kön­nen als Tests, bei denen es um eine voll­stän­di­ge Neu­ent­wick­lung geht.

Wel­che Mei­len­stei­ne konn­ten Sie be­reits er­rei­chen?

Die Zer­ti­fi­zie­rungs­ge­sell­schaf­ten sind un­mit­tel­bar am Pro­jekt be­tei­ligt, so konn­ten die Test­spe­zi­fi­ka­tio­nen auf di­rek­tem Weg ab­ge­stimmt wer­den. Nach dem Auf­bau der An­la­ge sind wir sehr zu­ver­sicht­lich, dass die Zer­ti­fi­zie­rung klap­pen wird. Erste Tests zur Ver­mes­sung der elek­tri­schen Ei­gen­schaf­ten von Wind­tur­bi­nen er­folg­ten be­reits im Rah­men des For­schungs­vor­ha­bens Cert­Bench - Sys­te­ma­ti­sche Va­li­die­rung von Sys­tem­prüf­stän­den an­hand der Typ­prü­fung von Wind­ener­gie­an­la­gen. Die Er­geb­nis­se waren sehr gut so­wohl hin­sicht­lich des Re­gel­ver­fah­rens als auch der Nach­bil­dung einer vir­tu­el­len Wind­tur­bi­ne.

Wie ist der ak­tu­el­le Stand des For­schungs­pro­jekts. Wel­che Schrit­te ste­hen an?

In den nächs­ten Wo­chen er­hält der Prüf­stand sei­nen end­gül­ti­gen Platz in einer ei­gens neu er­rich­te­ten Halle. Er nutzt den Net­z­emu­la­tor des Gon­del­prüf­stands Dy­NaL­ab, um Netz­zu­stän­de und dy­na­mi­sche Net­ze­vents nach­zu­bil­den.
Eine wich­ti­ge Auf­ga­be be­steht nun darin, das Ver­trau­en in­ner­halb der Wind­ener­gie­bran­che zu er­hal­ten, dass un­se­re Tests reale Feld­tests er­set­zen kön­nen. Die Ba­sis­tests wer­den nach wie vor im Feld durch­ge­führt, um an­schlie­ßend be­son­de­re Spe­zi­fi­ka­tio­nen der An­la­ge am Prüf­stand unter de­fi­nier­ten Be­din­gun­gen zu un­ter­su­chen. Man wird ver­su­chen mög­lichst viele Tests ins Labor zu holen. Je­doch wer­den kurz bis mit­tel­fris­tig nicht alle Er­geb­nis­se zum Nach­weis der Netz­kon­for­mi­tät voll­stän­dig im Labor er­bracht wer­den kön­nen. Ins­be­son­de­re Fra­gen der elek­tri­schen Design-​Validierung kön­nen nicht voll­stän­dig be­ant­wor­tet wer­den.

Was fas­zi­niert Sie per­sön­lich an Ihrer Ar­beit?

Das Fraun­ho­fer IWES hat sich zum Spe­zia­lis­ten für Test­stän­de ein­zel­ner Kom­po­nen­ten gro­ßer Wind­ener­gie­an­la­gen ent­wi­ckelt. Das ist ein sehr span­nen­des Thema. Es gibt zahl­rei­che Mög­lich­kei­ten ei­ge­ne Ideen ein­zu­brin­gen und zu ver­wirk­li­chen. Hier­zu ge­hört auch das große und wich­ti­ge Thema Netz­in­te­gra­ti­on, an dem wir mit­ar­bei­ten kön­nen. Da­ne­ben bie­tet sich die Chan­ce, welt­weit Zertifizierungs-​ und Va­li­die­rungs­pro­zes­se zu ge­stal­ten.

Was wird im Zuge der Di­gi­ta­li­sie­rung zu­künf­tig noch mög­lich und wel­che Auf­ga­ben er­war­ten Sie dann?

Die Idee des Mi­ni­mal­sys­tems wird zu­künf­tig noch einen Schritt wei­ter­ge­hen hin zur Kom­po­nen­tenzer­ti­fi­zie­rung. Man tes­tet dann zum Bei­spiel nur den Um­rich­ter oder nur den Ge­ne­ra­tor nach einem stan­dar­di­sier­ten Ver­fah­ren, ein­zel­ne Er­geb­nis­se wer­den nach­fol­gend zu einem Ge­samt­zer­ti­fi­kat zu­sam­men­ge­tra­gen. Wich­tig dabei ist, dass wir einen Stan­dard de­fi­nie­ren, um ein nach­voll­zieh­ba­res Ver­fah­ren zu ge­währ­leis­ten, das die Rea­li­tät kor­rekt nach­bil­det. Zum Thema Um­rich­ter pla­nen wir einen neuen Prüf­stand und möch­ten mit den For­schungs­ar­bei­ten noch in die­sem Jahr (2019) star­ten. Dazu haben wir beim Bun­des­mi­nis­te­ri­um für  Wirt­schaft und En­er­gie (BMWi) ein neues For­schungs­vor­ha­ben be­an­tragt.

Das In­ter­view führ­te Mi­cae­la Mün­ter, Wis­sen­schafts­jour­na­lis­tin beim FIZ Karls­ru­he.