Photovoltaik
Sonnenenergie effizienter nutzen
Peter Schwarzbözl Mission Stromwende 2045
DIPL.-ING. PETER SCHWARZBÖZL IM INTERVIEW
Er ist ein riesiges Versuchslabor: Der Solarturm Jülich. Hier wird die Technologie erforscht, um in Ländern mit hoher direkter Sonnenstrahlung, etwa in Südeuropa oder Nordafrika, möglichst effizient Strom zu produzieren. Was hier funktioniert, wird dort hohe Erträge bringen. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) nutzt den Turm daher bereits seit 2011 als solarthermisches Versuchskraftwerk. Im Projekt VORWAiRTS soll die Technik des Luftreceivers verbessert werden. Der Receiver ist das Herzstück der Anlage. Hier wird das Sonnenlicht in die zur Stromproduktion benötigte Wärme bei hohen Temperaturen umgewandelt. Ingenieur Peter Schwarzbözl, beim DLR verantwortlich für das Projekt, erklärt im Interview, worauf es bei den Arbeiten ankommt.
Im Projekt VORWAiRTS soll die Technik des „Offenen volumetrischen Luftreceivers“ für solare Turmkraftwerke verbessert werden. Wie funktioniert dieses System eigentlich?
Der Receiver besteht im Wesentlichen aus sehr vielen porösen Keramikkörpern. Mit einem Volumen von ungefähr einem Liter haben sie jeweils etwa die Größe einer Milchpackung. Durch diese solaren Absorber, die wiederum an einer Stahlkonstruktion montiert sind, wird Luft gesaugt. Gleichzeitig werden sie mit konzentriertem Sonnenlicht bestrahlt, das durch rund 2000 umstehende Spiegel auf den Receiver reflektiert wird. Die konzentrierte Sonnenstrahlung dringt in die porösen Keramikkörper ein, wird in dem Volumen absorbiert und die entstehende Wärme auf die durchströmende Luft übertragen. Daher kommt der Name volumetrischer Receiver. Die erhitzte Luft wird anschließend in einen Dampfkessel abgeleitet. Mit einer Turbine und einem Generator wird dann aus dem so gewonnenen Wasserdampf Strom erzeugt.
Und wo besteht der Verbesserungsbedarf?
Der Verbesserungsbedarf besteht hauptsächlich bezüglich des Wirkungsgrads, das heißt wie viel von der einfallenden Sonnenstrahlung in nutzbare Wärme umgesetzt wird. Wir haben in den vergangenen Jahren analysiert, woran es liegt, dass wir bisher nur auf relativ bescheidene Wirkungsgrade von rund 75 Prozent kamen, obwohl das theoretische Potenzial bei über 90 Prozent liegt. Im Projekt VORWAiRTS sind wir die Punkte dann gezielt angegangen. Insbesondere hat uns interessiert, wie der Verlust von Wärme aus der Rückführluft eingedämmt werden kann. Wir saugen ja nicht nur Luft aus der Umgebung an, sondern führen auch die Luft, die nach dem Dampfkessel immer noch rund 150 Grad warm ist, durch den Receiver nach vorne zurück, um sie erneut einzusaugen. Bisher gelingt das aber nur zu 50 bis 60 Prozent, weil warme Luft aufsteigt und in einem frei hängenden konvexen Receiver wie in Jülich vom Wind weggeführt wird. Darüber hinaus haben wir uns auf weitere Wärmeverluste konzentriert, die mit internen Konstruktionsdetails zusammenhängen.
Sie planen, die Form des Receivers zu verändern. An welches Design haben Sie dabei gedacht und welche Vorteile ergeben sich dadurch?
Bei Luftreceivern ist man bisher den Weg gegangen, für kommerzielle Anlagen immer an zylindrische Receiver zu denken. Das sind Receiver, die außen mit Absorbern bestückt sind, die bestrahlt werden. Die stehen dann in 200 Metern Höhe und können vom Wind frei angeströmt werden. Das verursacht relativ hohe Verluste. Wir haben uns daher zu einer sehr grundsätzlichen Änderung des Receiverdesigns, von einer konvexen zu einer konkaven Form, entschieden. Wir wollen den Receiver also in Zukunft nach innen krümmen, was wir Cavity nennen. Wir bauen so eine Art Höhle, weil der Windangriff dadurch deutlich geringer ist und die warme Luft wieder eingesaugt werden kann, bevor sie nach oben steigt.
Was genau untersuchen Sie in dem Projekt und wie gehen Sie dabei vor?
Die Cavity haben wir zunächst nicht praktisch erforschen können. Stattdessen haben wir sehr umfangreiche Strömungssimulationen durchgeführt und zeigen können, dass – zumindest bei geringer Windströmung – die Warmluft praktisch komplett wieder eingesaugt werden kann. Die Luftrückführrate, also der Anteil der zurückgeführten Luft, der auch wieder eingesaugt wird, kann dann 90 Prozent oder mehr erreichen. Die internen Wärmeverluste haben wir hingegen anhand eines Testreceivers praktisch untersucht. Die genauen Auswertungen laufen zwar noch, es sieht aber sehr vielversprechend aus. Die vorläufigen Ergebnisse zeigen, dass wir die Verluste durch eine veränderte Konstruktion deutlich reduzieren können.
Worin bestehen die besonderen Herausforderungen bei diesem Vorhaben?
Die Strömungssimulationen sind immer sehr aufwendig und zeitraubend, grundsätzlich weiß man dabei aber, wie man vorgehen muss. Schwieriger war die Konzeptfindung. Das war ein langer Weg, den wir gemeinsam mit unserem Industriepartner, Kraftanlagen München, gegangen sind. Eine Herausforderung war es dann auch den Receiver zu bauen. Das hat in der ursprünglich gesetzten Zeit nicht ganz geklappt, sodass wir die Tests vom Herbst auf das Frühjahr verschieben mussten. Das sind typische Probleme, mit denen man in so einem Projekt zu tun hat.
In welcher Form werden die Ergebnisse nach Abschluss des Projekts ihren Weg in die Praxis finden?
Kraftanlagen München ist seit gut 20 Jahren unser Partner im Bereich dieser Technologie. Sie haben sich gemeinsam mit uns von Anfang an mit dieser Technik beschäftigt. Als Lizenznehmer dieser Technik, die vom DLR umfangreich patentiert ist, will das Unternehmen diesen Receivertyp auf den Zielmärkten anbieten. So werden die Ergebnisse aus diesem Projekt direkt in das Design der zukünftig gebauten Anlagen einfließen. Darüber hinaus werden die wissenschaftlichen Projektergebnisse von uns natürlich auf den einschlägigen Fachkonferenzen und in Zeitschriften veröffentlicht.
Die Energieversorgung mit erneuerbaren Energien ist aktuell ein wichtiges Thema. Seit wann beschäftigen Sie sich bereits damit?
Ich habe Energie- und Verfahrenstechnik in Berlin studiert, weil mich das Thema Energie sehr interessiert hat und ich gerne etwas im Bereich der Regenerativen Energien machen wollte. Ich habe mich dann umgeschaut, wer in Deutschland im Bereich solarthermischer Kraftwerke tätig ist und bin so auf das DLR aufmerksam geworden. Ein großer Zufall hat ergeben, dass eine Stelle ausgeschrieben war, als ich gerade mit meiner Diplomarbeit in den letzten Zügen war. Das war 1998, also vor über 20 Jahren. Seit dieser Zeit habe ich mich beim DLR immer mit solarthermischen Kraftwerken beschäftigt. Im Jahr 2003 habe ich dann die Verantwortung für die Luftreceiver-Entwicklung übernommen und seitdem in verschiedensten Projekten in diesem Bereich mitgearbeitet.
Was fasziniert Sie persönlich an der Arbeit am Solarturm?
Wir haben die tolle Möglichkeit, dass wir hier wirklich ein ganzes Solarkraftwerk vor Ort haben, was wir sonst eigentlich immer nur auf dem Papier oder im Computer simulieren. Die kurzen Wege hierher – ungefähr eine Stunde von hier entfernt ist mein Büro – und natürlich die Möglichkeit, hier unter realen Bedingungen zu testen sind schon einzigartig. Wir haben zwar deutlich seltener Sonnenschein als beispielswiese in Nordafrika oder anderen Zielländern der hier erforschten Technologien. Aber wenn sie scheint, dann ist sie kaum schwächer als dort. Das heißt, wir können hier vergleichbare Bedingungen herstellen wie in der realen Anwendung.
Das Interview führte Lino Hermes, Wissenschaftsjournalist beim Projektträger Jülich.